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6. Januar 2021: Sturm auf das Kapitol | Hintergrund aktuell | bpb.de

6. Januar 2021: Sturm auf das Kapitol

Redaktion

/ 5 Minuten zu lesen

Am 6. Januar 2021 stürmten Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump den Sitz des Kongresses. Trump hatte seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2020 nicht anerkannt. Strafverfahren gegen ihn wurden 2024 eingestellt.

Anhänger des bei der Wahl Anfang November unterlegenen US-Präsidenten Donald Trump versammeln sich am 06. Januar 2021 in Washington D.C. und stürmen das US-Kapitol. (© picture-alliance, AA | Tayfun Coskun)

Am 6. Januar 2021 drang ein Mob aus mehreren hundert Menschen in das US-amerikanische Parlamentsgebäude (Kapitol) in Washington, D.C. ein. Die teils gewaltbereiten Aufständischen erkannten das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 nicht an und verfolgten das Ziel, die formelle Anerkennung des Wahlergebnisses und damit des Siegs von Joe Biden durch den Kongress zu verhindern. Der Sturm auf das Kapitol dauerte mehrere Stunden. Fünf Menschen starben im Zusammenhang mit dem Angriff, darunter ein Polizist. Mehr als 100 Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt. Nach dem Angriff nahmen sich zudem vier Polizisten, die an diesem Tag im Einsatz waren, das Leben. Rechtsextreme Gruppierungen wie die „Proud Boys“ und die „Oath Keeper“ waren maßgeblich an dem koordinierten Angriff beteiligt.

Chronik

  • 3. November 2020: Trump verliert die US-Präsidentschaftswahl gegen seinen Herausforderer Biden. Die Demokratische Partei erhält außerdem die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat.

  • 14. Dezember 2020: Die bei der Wahl am 3. November vom Volk bestimmten Wahlleute bestätigen den Wahlsieg von Biden.

  • 19. Dezember 2020: Trump ruft via Twitter zu Protesten am 6. Januar 2021 in Washington, D.C. auf. An diesem Tag soll der US-Kongress das Wahlergebnis offiziell anerkennen.

  • Ende Dezember 2020/Anfang Januar 2021: Im Lager der Trump-Anhängerinnen und Anhänger wird gezielt für gewaltsame Proteste am 6. Januar 2021 mobilisiert.

  • 6. Januar 2021, 12 Uhr: Trump hält vor Anhängerinnen und Anhängern eine Rede, in der er abermals das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht anerkennt und die Demonstrierenden auffordert, vor das Kapitol zu ziehen.

  • 6. Januar 2021, 13 Uhr: Ein Mob aus Demonstrantinnen und Demonstranten überwindet erste Absperrungen vor dem Kapitol. Dort tagt zu diesem Zeitpunkt der US-Kongress, um das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl 2020 zu bestätigen. Unter den Protestierenden sind viele Anhängerinnen und Anhänger rechtsextremer Gruppen.

  • 6. Januar 2021, 14 Uhr: 800 Menschen stürmen das Kapitol. Sie dringen in Abgeordnetenbüros ein und verbreiten dabei Bilder und Videos über soziale Netzwerke. Im Kapitol kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Polizei gelingt es, die Abgeordneten aus dem Senatssaal in Sicherheit zu bringen. Nur Minuten später dringt der Mob auch in den Senatssaal ein.

  • 6. Januar, 14-15 Uhr: Der kommissarische Verteidigungsminister Christopher C. Miller gibt den Befehl, die Nationalgarde in Marsch zu setzen. Etwa 1.100 Nationalgardisten sollen ausrücken.

  • 6. Januar, 16 Uhr: In einer Videobotschaft zeigt Trump Verständnis für die Wut seiner Anhängerinnen und Anhänger und ruft sie auf, das Kapitol wieder zu verlassen.

  • 6. Januar, 18 Uhr: Die Nationalgardisten treffen auf dem Gelände des Kapitols ein.

  • 6. Januar, 20 Uhr: Die Polizei gibt bekannt, dass das Kapitol wieder sicher ist. Der Kongress führt die unterbrochene Sitzung fort und bestätigt in der Nacht zum 7. Januar das Ergebnis, dass Biden die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen hat.

Desinformationskampagnen als Auslöser

Der Sturm auf das Kapitol war das Ergebnis einer langjährigen Desinformationskampagne mit dem Ziel, Unsicherheit über die Interner Link: Legitimität von Wahlergebnissen zu erzeugen. Vor allem Mitglieder der republikanischen Partei versuchten, Lügen vom großen Wahlbetrug zu streuen. Bereits im November 2016 wurde das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl infrage gestellt. Der damalige Wahlsieger Trump behauptete, seine unterlegene Gegenkandidatin Hillary Clinton habe versucht, die Wahl mithilfe mehrerer Millionen „illegaler“ Stimmen für sich zu entscheiden. Wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, so Trump, dann hätte er nicht nur die Mehrheit der Stimmen im Wahlleutegremium (engl. „Electoral College“), sondern auch die Mehrheit der Wählerstimmen (engl. „popular vote“) gewonnen. Im Mai 2017 setzte er zur Untersuchung eine Kommission ein, die jedoch zu dem Schluss kam, dass es die von Trump behauptete flächendeckende Manipulation nicht gegeben habe.

Lange vor der Wahl 2020 heizte Trump gezielt ähnliche Spekulationen an. In einem Interview mit dem Fernsehsender „Fox News“ am 19. Juli 2020 ließ Trump offen, ob er eine Niederlage bei der wenige Monate später stattfindenden US-Präsidentschaftswahl akzeptieren würde. Wegen der Covid-19-Pandemie geriet zur gleichen Zeit die Möglichkeit der Briefwahl ins Zentrum der Debatte: Ohne stichhaltige Hinweise für seine Vermutungen zu liefern, sagte Trump Ende Juli, dass die Präsidentschaftswahl 2020 aufgrund der Zunahme an Briefwahlstimmen die „inkorrekteste“ und „betrügerischste“ Wahl aller Zeiten werden könnte. Er schlug vor, den Termin zu verschieben. Bei einer Pressekonferenz am 24. September 2020 im Weißen Haus lehnte Trump es ab, für den Fall einer Wahlniederlage eine friedliche Amtsübergabe zu garantieren.

Die Rolle der sozialen Medien

Soziale Medien spielten in Trumps Öffentlichkeitskommunikation eine entscheidende Rolle. Bei Twitter folgten dem US-Präsidenten Mitte 2020 mehr als 80 Millionen Menschen, er hatte damit einen der reichweitenstärksten Accounts der Welt. Allein im August 2020 setzte er 1.093 Tweets ab – durchschnittlich mehr als 35 pro Tag.

Trump und sein Team nutzten nach der verlorenen Wahl vom 3. November 2020 die sozialen Medien auch, um seine Anhängerschaft zu mobilisieren. Das Ergebnis stand zwar noch nicht fest, dennoch zweifelte Trump bereits in der Wahlnacht die korrekte Auszählung der Wahlstimmen an. Interner Link: Am Ende lag Biden knapp vor Trump. Trump und seine Berater verbreiteten das Narrativ vom „Wahlbetrug“. Laut einer Auswertung des „Wall Street Journal“ erwähnten sie in ihren Postings zwischen Anfang November 2020 und Anfang Januar 2021 insgesamt 200-mal das Wort „Wahlbetrug“ und erreichten damit viele Millionen Interaktionen. Laut einer Umfrage von Yahoo News und YouGov glaubten ein halbes Jahr nach der Erstürmung 66 Prozent der – laut Selbstauskunft – republikanischen Menschen, die Wahl sei manipuliert und Trump gestohlen worden.

Untersuchungsausschuss nennt Trump als Hauptschuldigen

Das Repräsentantenhaus setzte einen Untersuchungsausschuss ein, um die Vorgänge rund um den 6. Januar 2021 aufzuklären. Am 22. Dezember 2022 legte der Ausschuss seinen Abschlussbericht vor. Der Sturm auf das Kapitol war demnach kein Zufallsereignis: Trump wird eine Verschwörung vorgeworfen, die zum Ziel hatte, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu annullieren. In dem Abschlussbericht wird Trump „Anstiftung zum Aufruhr“ und „Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten“ attestiert. Die zentrale Ursache des 6. Januar war „ein Mann, der ehemalige Präsident Donald Trump“, heißt es im Bericht. Trump wies die Vorwürfe als politisch motiviert zurück und wiederholte das offiziell widerlegte Narrativ des Wahlbetruges.

Amtsenthebungsverfahren und Anklage

Gegen Trump wurde wegen des Sturms auf das Kapitol ein Amtsenthebungsverfahren (engl. „Impeachment“) wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ eröffnet. Es war das zweite Amtsenthebungsverfahren in seiner ersten Amtszeit. Im Februar 2021 – also bereits nach Ende seiner Amtszeit – bekannten ihn 57 der 100 der US-Senatoren für schuldig, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Amtsenthebung kam jedoch nicht zustande. Andernfalls hätte Trump nicht erneut für die US-Präsidentschaft kandidieren dürfen.

2022 wurde der Jurist Jack Smith als unabhängiger Sonderermittler durch das US-Justizministerium eingesetzt, um verschiedene strafrechtliche Vorwürfe gegen Trump – auch im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol – zu untersuchen. In einem Gerichtsdokument von Anfang Oktober 2024 wirft der Sonderermittler Trump vor, Wahlmanipulation im Rahmen der verlorenen Präsidentschaftswahl begangen zu haben. Der US-Präsident und sein innerer Kreis hätten demnach das Ziel verfolgt, die rechtmäßigen Wahlergebnisse in sieben US-Bundesstaaten zu kippen.

Gegen Trump wurde auch strafrechtlich Anklage erhoben wegen Versuchen der Einflussnahme auf das Ergebnis der Wahl 2020 und seiner Rolle beim Sturm seiner Anhängerinnen und Anhänger auf das Kapitol. In der Anklageschrift wird Trump etwa Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten vorgeworfen. Allerdings verzögerten sich die Verfahren – unter anderem auch, weil der überwiegend mit konservativen Richtern besetzte Supreme Court entschied, dass ehemalige Präsidenten bei „offiziellen Handlungen“ Interner Link: Immunität genießen. Welche Handlungen damit genau gemeint sind, wurde allerdings nicht näher beschrieben. Unklar bleibt also, für welche Handlungen Trump juristisch belangt werden kann und für welche nicht.

Nachdem Trump Interner Link: am 5. November 2024 erneut die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, beantragte die US-Staatsanwaltschaft Ende November 2024 die Einstellung des Verfahrens. Trump hätte ohnehin die Möglichkeit gehabt, die Verfahren nach seiner erneuten Amtseinführung selbst zu beenden. Offen ist, ob die Ermittlungen nach Trumps zweiter Amtszeit noch einmal aufgenommen werden.

Teilnehmende des SturmsAnklagen

Seit dem Sturm auf das Kapitol sind bereits mehr als 1.500 Menschen für damit zusammenhängende Straftaten angeklagt worden. Ihnen werden unter anderem Ordnungswidrigkeit, Angriffe auf Sicherheitskräfte, Stören eines amtlichen Vorgangs, Verschwörung oder Staatsgefährdung vorgeworfen. Mehr als 600 Aufständische wurden bereits zu Haftstrafen verurteilt. Diese reichen von wenigen Tagen bis zu 22 Jahren für den Anführer der rechtsextremen Gruppierung „Proud Boys“.

Trump hat für den Fall seines nun eingetretenen Wahlsieges versprochen, verurteilte Aufständische des 6. Januar 2021 direkt nach seinem Amtsantritt zu begnadigen.

Inspiration für die rechte Szene

Auch wenn es in der Geschichte schon häufiger zu Erstürmungen von Parlamenten kam, hat der Sturm auf das Kapitol in Washington international insbesondere in der rechtsextremen Szene eine besondere Symbolkraft bekommen. Brasiliens rechtspopulistischer Ex-Präsident Jair Bolsonaro soll nach seiner Abwahl Ende 2022 ebenfalls versucht haben, die Amtseinführung seines Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva zu verhindern. Nach zweijährigen Ermittlungen hat die Bundespolizei empfohlen, Bolsonaro wegen eines versuchten gewaltsamen Staatsstreiches anzuklagen.

Auch in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik wurde das Parlament Ziel von gewaltsamen Protesten: Am 29. August 2020 versuchten Rechtsextremisten, Interner Link: „Reichsbürger“ und Corona-Leugner das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen und in den Deutschen Bundestag vorzudringen – wurden dabei aber von einigen wenigen Polizisten aufgehalten.

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