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Vertrauensfrage und vorgezogene Bundestagswahl 2025 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vertrauensfrage und vorgezogene Bundestagswahl 2025

Redaktion

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Bundeskanzler Scholz will am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage stellen – und scheitern. Damit soll der Weg frei werden für eine vorgezogene Wahl. Wie geht es jetzt weiter? Unser Überblick.

Der leere Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Berlin. (© picture-alliance, photothek.de | Thomas Trutschel)

Warum wurde die Wahl vorgezogen?

Eigentlich sollte erst im Herbst 2025 ein neuer Bundestag gewählt werden. Dann wäre die vierjährige LegislaturperiodeInterner Link: des zuletzt 2021 gewählten Parlaments und die reguläre Amtszeit der Bundesregierung vorbei.

Doch am 6. November 2024 zerbrach die Bundesregierung. Die sogenannte Ampel-Koalition aus den Parteien SPD, GRÜNE und FDP konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Haushalt für das Jahr 2025 einigen. Interner Link: Schon im Jahr zuvor hatten die Regierungsparteien lange über den damaligen Bundeshaushalt gestritten. Auch in diesem Jahr waren sich die Ampel-Parteien uneins, Interner Link: wie Steuergelder verteilt, die Wirtschaft gefördert und Investitionen finanziert werden sollten. Auf dem Höhepunkt des Streits Interner Link: entließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Finanzminister Christian Lindner (FDP). Im Anschluss trat ein Großteil der FDP-Minister aus der Bundesregierung zurück und die Fraktion der Partei im Bundestag aus der Koalition aus.

Seitdem wird Deutschland von einer Interner Link: Minderheitsregierung aus SPD und GRÜNE regiert. Das heißt, beide Parteien haben im Bundestag zusammen keine absolute Mehrheit. Sie können keine Gesetze aus eigener Kraft beschließen, sondern sind auf Stimmen aus anderen Fraktionen angewiesen. Um zu neuen Mehrheiten zu gelangen, braucht es eine neue Wahl: des Bundeskanzlers, oder – wenn das nicht möglich ist – des Bundestages.

Vertrauensfrage oder konstruktives Misstrauensvotum?

Der Bundestag kann sich nicht selbst auflösen, um Neuwahlen herbeizuführen. Stattdessen sieht das Grundgesetz zwei Möglichkeiten vor, Interner Link: wie der Bundeskanzler oder der Bundestag vor Ablauf der regulären Legislatur neu gewählt werden können: das konstruktive Misstrauensvotum und die Vertrauensfrage.

Vertrauensfrage und konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67, 68 GG)

  • Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen und einen neuen Kanzler wählen. Der Bundespräsident muss dann den aktuellen Bundeskanzler entlassen und den gewählten Nachfolger ernennen. (Art. 67 GG) Man spricht vom konstruktiven Misstrauensvotum, weil die Opposition im Bundestag den Bundeskanzler nicht ohne einen mehrheitsfähigen Gegenkandidaten abwählen kann.

  • Der Bundeskanzler kann selbst im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Damit vergewissert er sich, ob er noch die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich hat. Scheitert der Kanzler, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. (Art. 68 GG) Erst dann ist eine vorgezogene Neuwahl des Bundestags möglich.

Nach dem Ende der Ampel-Koalition gibt es derzeit keine alternative regierungsfähige Mehrheit im Bundestag. Auch die größte Oppositionsfraktion aus CDU und CSU hat kein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Scholz eingeleitet. Damit bleibt nur die Vertrauensfrage, um den Weg zu einer vorgezogenen Bundestagswahl frei zu machen. Der Bundeskanzler stellt also in diesem Fall die Vertrauensfrage, um damit absichtlich zu scheitern.

Bereits am 6. November hatte Olaf Scholz angekündigt, dass er die Vertrauensfrage im Januar 2025 stellen und damit eine vorgezogene Wahl Ende März ermöglichen will. Über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage und damit den möglichen Zeitpunkt der Bundestagswahl gab es heftigen Streit. Die Oppositionsparteien CDU, CSU und die AfD sowie die ehemalige Regierungspartei FDP forderten den Kanzler auf, unverzüglich die Vertrauensfrage zu stellen und nicht bis Januar 2025 zu warten.

Mitte November einigte sich die SPD mit CDU und CSU darauf, den 23. Februar 2025 als Wahltermin vorzuschlagen. Dafür soll Bundeskanzler Scholz am 16. Dezember 2024 im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Über das finale Datum für die Wahl entscheidet der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Vertrauensfrage und konstruktives Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

1972: Willy Brandt (SPD)

Willy Brandts Regierung aus SPD und FDP war über die Interner Link: Ostpolitik des Bundeskanzlers zerstritten. Die Koalition verlor in der Folge durch Fraktionsaustritte ihre Mehrheit im Bundestag. CDU und CSU scheiterten mit einem konstruktiven Misstrauensvotum. Stattdessen stellte Brandt die Vertrauensfrage, um Neuwahlen herbeizuführen. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 19. November 1972 gewann die Regierungskoalition aus SPD und FDP ihre Mehrheit zurück.

1982: Helmut Schmidt (SPD)

Die schlechte Wirtschaftslage und der Interner Link: NATO-Doppelbeschluss wurden zu einer großen Belastung der von Helmut Schmidt geführten Koalition aus SPD und FDP. Im Februar 1982 stellte Kanzler Schmidt die Vertrauensfrage und versammelte die Regierungsmehrheit zunächst hinter sich. Im Herbst zog sich die FDP jedoch im Streit aus der Regierung zurück. Gemeinsam mit CDU und CSU wählten die Abgeordneten der FDP am 1. Oktober 1982 Helmut Kohl (CDU) zum neuen Bundeskanzler – das bislang in der bundesdeutschen Geschichte einzige erfolgreiche konstruktive Misstrauensvotum.

1982/1983: Helmut Kohl (CDU)

Um seine Regierungsmehrheit aus CDU, CSU und FDP nach dem Sturz Helmut Schmidts auszubauen, entschied sich Helmut Kohl, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen herbeizuführen. Wie erwartet scheiterte die Abstimmung am 12. Dezember 1982, der Bundestag wurde aufgelöst. Gegen diese Anwendung der Vertrauensfrage hatten mehrere Abgeordnete Verfassungsbeschwerde eingereicht. Externer Link: Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage zurück. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 6. März 1983 gewann die Koalition aus CDU, CSU und FDP eine deutliche Mehrheit.

2001: Gerhard Schröder (SPD)

Unmittelbar nach den Interner Link: Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 stritt die Regierung aus SPD und GRÜNEN über die Beteiligung der Bundeswehr an Antiterror-Einsätzen unter anderem gegen die Taliban in Afghanistan. Aus beiden Regierungsfraktionen gab es Widerstand. Um sich seiner Regierungsmehrheit zu versichern, stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 16. November die Vertrauensfrage. Diese war erstmals konkret mit der Zustimmung zu einer Sachfrage, dem Auslandseinsatz der Bundeswehr, verknüpft. Schröders Antrag bekam die absolute Mehrheit, die Vertrauensfrage war erfolgreich.

2005: Gerhard Schröder (SPD)

In Folge der umfangreichen Sozialstaats- und Arbeitsmarktreformen („Agenda 2010“) und schlechter Ergebnisse der SPD bei Landtagswahlen verlor Gerhard Schröder zunehmend die Unterstützung von Teilen seiner Fraktion. Der Kanzler kündigte im Mai 2005 auch für die eigene Partei und den Koalitionspartner die GRÜNEN überraschend an, die Vertrauensfrage zu stellen, um Neuwahlen herbeizuführen. Am 1. Juli verlor Schröder die Abstimmung erwartungsgemäß und der Bundestag wurde aufgelöst. Bei der vorgezogenen Wahl am 18. September 2005 wurde die Fraktion aus CDU und CSU stärkste Kraft und bildete mit der SPD eine große Koalition – ohne Schröder.

Wie kommt es zur Neuwahl?

Am 11. Dezember 2024 hat Bundeskanzler Scholz den Externer Link: Antrag zur Vertrauensfrage an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gestellt. Zwischen dem Antrag und der darauffolgenden Abstimmung müssen mindestens 48 Stunden liegen. So sieht es Artikel 68 des Grundgesetzes vor. Die Abstimmung soll am Montag, den 16. Dezember stattfinden.

Verliert Kanzler Scholz – wie erwartet – die Abstimmung, wird er dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Dieser muss dann innerhalb von 21 Tagen über die Auflösung entscheiden. Externer Link: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bereits angedeutet, dass er sich für die Auflösung entscheiden wird.

Wird der Bundestag aufgelöst, muss innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl stattfinden. Das bestimmt Artikel 39 des Grundgesetzes. Den Tag der Wahl legt laut Bundeswahlgesetz der Bundespräsident fest (§ 16 BWahlG). Das Gesetz schreibt zudem vor, dass dies ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag sein muss. Damit der vorgeschlagene Wahltermin am 23. Februar 2025 innerhalb der 60-Tage-Frist liegt, dürfte der Bundespräsident den Bundestag nicht vor dem 25. Dezember auflösen.

Was bedeutet das für den Ablauf der Wahl?

Eine vorgezogene Wahl hat auch Folgen für deren Organisation und Ablauf. Die Durchführung einer Bundestagswahl ist durch viele Fristen und Termine geregelt, die im Externer Link: Bundeswahlgesetz und der Externer Link: Bundeswahlordnung festgelegt sind. Aufgrund der vorgezogenen Wahl müssen nun einige Fristen verkürzt werden. Davon betroffen sind vor allem die Wahlleitungen und Kommunen, welche die Wahl organisieren – aber auch die Parteien und Kandidierenden, die zur Wahl antreten wollen.

Damit sich alle schon vor der finalen Entscheidung des Bundespräsidenten auf den voraussichtlichen Wahltermin vorbereiten können, hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) bereits Externer Link: Ende November einen Verordnungsentwurf veröffentlicht, der die verkürzten Fristen für den Wahltermin am 23. Februar enthält. Eine Externer Link: Übersicht über diese Fristen und Termine bietet die Bundeswahlleiterin auf ihrer Website.

Was bedeutet das für die Parteien?

Die Parteien und Wählervereinigungen müssen nun in kurzer Zeit ihre Teilnahme an der Wahl organisieren:

Spätestens am 7. Januar müssen Parteien bei der Bundeswahlleiterin anzeigen, dass sie an der Wahl teilnehmen wollen. Diese Beteiligungsanzeige betrifft alle Parteien, die nicht im Bundestag oder einem der Landesparlamente mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind. Welche Parteien und Wählervereinigungen an der Wahl teilnehmen dürfen, entscheidet der Bundeswahlausschuss bis zum 14. Januar.

Bis zum 20. Januar müssen die Parteien ihr Wahlvorschläge einreichen – also entscheiden, wer für sie in den Wahlkreisen und auf Landeslisten kandidiert. Die Kreis- und Landeswahlausschüsse entscheiden dann bis zum 24. Januar über die Zulassung der Vorschläge, die spätestens am 3. Februar öffentlich bekannt gegeben werden.

Für die Aufstellung ihrer Kandidatinnen und Kandidaten brauchen die Parteien erstens Zeit: Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahlkreise als auch die Besetzung der Landeslisten werden innerhalb der Parteien demokratisch per Wahl bestimmt. Zweitens benötigen Parteien, die nicht in Bundestag oder Landesparlamenten sitzen, für ihre Wahlvorschläge zudem Unterstützungsunterschriften.

Für jeden Wahlkreis, in denen sie mit einer Direktkandidatin oder einem Direktkandidaten antreten wollen (Kreiswahlvorschlag), müssen Parteien mindestens 200 Unterschriften sammeln. Auch für ihre Landeslisten brauchen die Parteien Unterstützungsunterschriften. Die Externer Link: Mindestanzahl variiert von Bundesland zu Bundesland entsprechend der dort wahlberechtigten Personen: von 460 Unterschriften im kleinen Stadtstaat Bremen bis zu 2.000 Unterschriften in den bevölkerungsreichen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Berlin.

Wahlvorschläge müssen persönlich und handschriftlich von Personen unterzeichnet werden, die in dem jeweiligen Wahlkreis oder Bundesland wahlberechtigt sind. Letzteres müssen die jeweiligen Gemeindebehörden für jede einzelne Unterstützungsunterschrift bescheinigen. Ein hoher Aufwand, der über die Feiertage und den Jahreswechsel bis in den Januar hinein von den Parteien und Gemeinden geleistet werden muss. Gerade kleinere, nicht etablierte Parteien stellen die verkürzten Fristen vor große organisatorische Herausforderungen.

Was ändert sich für die Wählerinnen und Wähler?

Für die Wählerinnen und Wähler ändert sich trotz verkürzter Fristen nur wenig am Ablauf der Wahl. Wer per Brief wählen will, sollte jedoch im Blick behalten, dass die Briefwahlunterlagen frühestens Anfang Februar verschickt werden können. Denn erst dann stehen die Wahlvorschläge fest und können die Stimmzettel gedruckt werden. Wer also im Januar seine Wahlbenachrichtigung erhält und direkt Briefwahl beantragt, muss voraussichtlich etwas länger als gewohnt auf die Unterlagen warten.

Drei Dinge, die man noch wissen sollte

  • Auch nachdem der Bundestag aufgelöst wurde, ist das Parlament weiterhin handlungsfähig. Der „alte“ Bundestag hört erst auf zu bestehen, wenn der neue nach der Wahl zusammentritt. (Art. 39 GG) Bis dahin können Ausschüsse tagen, Sitzungen stattfinden und Gesetze beschlossen werden. Es gibt in der Bundesrepublik dadurch keine Zeit ohne Parlament.

  • Auch der Bundeskanzler und die Bundesregierung mit ihren Ministerinnen und Ministern bleiben geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Kanzler oder eine neue Kanzlerin im neuen Bundestag gewählt wurde (Art. 69 GG) – auch dann, wenn der Bundestag dem amtierenden Kanzler nicht das Vertrauen ausgesprochen hat. Es gibt dadurch keine Zeit ohne Regierung.

  • Dass der Bundeskanzler und seine Regierung nicht ohne mehrheitsfähigen Gegenvorschlag oder Neuwahl vom Bundestag abgesetzt werden können, ist eine Lehre aus der Weimarer Republik. Deren Verfassung hatte ebenfalls ein Misstrauensvotum vorgesehen (Art. 54 Weimarer Reichsverfassung), dies aber nicht an alternative Regierungsmehrheiten geknüpft. Kanzler und sogar einzelne Minister waren daher stets von Abwahl bedroht.

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