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Pflegeversicherung – die wichtigsten Fragen und Antworten

Redaktion

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Seit 1995 sichert die Pflegeversicherung die finanziellen Risiken im Pflegefall ab. Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland hat sich seitdem mehr als verdoppelt. Wie steht es um die Zukunft der Pflegeversicherung?

Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer älteren Dame über einen Korridor. (© picture-alliance/dpa, Christoph Schmidt)

Was ist die Pflegeversicherung?

Die Pflegeversicherung wurde im Jahr 1995 eingeführt und ist neben der Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung die fünfte Säule des Interner Link: deutschen Sozialversicherungssystems. Externer Link: Die Leistungen der Pflegeversicherung sind im Elften Buch des Sozialgesetzbuches geregelt. Ziel der Pflegeversicherung ist es, das Risiko der Pflegebedürftigkeit und die damit verbundenen Kosten abzusichern. Die Pflegeversicherung ist eine Pflichtversicherung. Das heißt: Jeder und jede Krankenversicherte – egal ob gesetzlich oder privat versichert – muss Mitglied sein.

Wird ein Mensch pflegbedürftig, spricht man vom sogenannten Leistungsfall. Tritt dieser ein, übernimmt die Pflegeversicherung einen bestimmten Teil der Kosten und Pflegeleistungen. Betroffene können sich entscheiden, ob sie Sachleistungen von professionellen Pflegebediensteten in Anspruch nehmen – beispielsweise in einem Pflegeheim – oder ob sie sich zu Hause von ihren Angehörigen pflegen lassen wollen, die dafür ein Pflegegeld erhalten. Auch eine Kombination aus Sach- und Geldleistungen ist denkbar, beispielsweise dann, wenn einzelne Pflegedienstleistungen Zuhause von externen Anbietern geleistet werden.

Die Pflegeversicherung ist eine Teilabsicherung. Sie kommt nicht für alle Kosten auf, die im Rahmen der Pflege entstehen. Für die Pflege in Heimen zahlt die Pflegeversicherung einen festen Betrag, der sich nach der Intensität der notwendigen Betreuung bemisst. Pflegebedürftige müssen zusätzlich einen Eigenanteil zahlen. Diese sind innerhalb eines Pflegeheims einheitlich, unabhängig von der Intensität der notwendigen Betreuung. Zwischen verschiedenen Heimen kann die Höhe des Eigenanteils allerdings variieren. Zudem reduziert sich der Eigenanteil mit der Dauer der Unterbringung durch zeitlich gestaffelte Zuschüsse der Pflegekassen.

Wie viele Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig?

Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der Menschen, die im Alter Pflegeleistungen brauchen. Grund dafür sind die hohe Lebenserwartung in Deutschland und der demografische Alterungsprozess der Gesellschaft. Waren im Jahr 1999 lediglich 2,02 Millionen Menschen pflegebedürftig, waren es Ende 2021 bereits fast fünf Millionen. Ein Großteil von ihnen – mehr als 80 Prozent – wird zu Hause versorgt. Etwa 16 Prozent sind auf die Pflege in Heimen angewiesen. Externer Link: Laut Prognosen des Statistischen Bundesamtes könnten im Jahr 2035 bereits 5,6 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein, bis 2050 sogar 6,7 Millionen.

Wann ist ein Mensch pflegebedürftig? Was sind die Pflegegrade?

Zu jeder Krankenkasse gehört eine Pflegekasse, die die Beiträge der Versicherten verwaltet und beantragte Pflegeleistungen ausbezahlt. Pflegeleistungen müssen bei der jeweils zur eigenen Krankenkasse gehörenden Pflegekasse beantragt werden. Um Geld- oder Sachleistungen zu erhalten, wird im ersten Schritt die Pflegebedürftigkeit festgestellt. Das übernehmen speziell ausgebildete Gutachter/-innen der Pflegekassen oder unabhängige Sachverständige. Für die gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherten gibt es dafür den Medizinischen Dienst, bei privat Versicherten prüft „Medicproof“, ein Tochterunternehmen des Verbands der Privaten Krankenversicherer, die Pflegebedürftigkeit.

Wann eine Person als pflegebedürftig gilt, steht im Elften Buch des Sozialgesetzbuches: „Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können.“ (Externer Link: §14 SGB XI) Die Pflegebedürftigkeit muss dabei dauerhaft, mindestens über sechs Monate bestehen.

Menschen können unterschiedlich stark pflegebedürftig sein. Um die Schwere der Pflegebedürftigkeit zu bestimmen, bewerten die Gutachter/-innen, inwieweit die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, bestimmte notwendige Handlungen selbstständig auszuführen. (Externer Link: §15 SGB XI) Zu den Externer Link: Kriterien gehören neben Mobilität (z. B. Treppensteigen, Halten einer stabilen Sitzposition) und Selbstversorgung (z.B. Körperpflege, Essen, Toilettenbenutzung) unter anderem auch geistige und kommunikative Fähigkeiten (z. B. zeitliche Orientierung, Treffen von Entscheidungen, Mitteilen von Bedürfnissen) und das Verhalten in psychischen Problemlagen (z. B. Ängste, Aggressionen).

Jedes Kriterium wird nach einer Punkteskala bewertet. Je schwerer die Beeinträchtigung und je geringer die Selbständigkeit, desto höher ist die Punktzahl. Aus der Summe aller Punkte ergibt sich einer von fünf Pflegegraden, denen der oder die Pflegebedürftige zugeordnet wird. In Pflegegrad eins liegt lediglich eine „geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten“ vor. Pflegegrad fünf heißt, dass es „schwerste Beeinträchtigungen“ gibt und eine Person kaum oder gar nicht selbstständig handeln, sich mitteilen oder sich versorgen kann.

Wie wird die Pflegeversicherung finanziert?

Die Beiträge zur gesetzlich geregelten sozialen Pflegeversicherung werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen, Rentner müssen den Beitrag allein bezahlen. Auch Privatversicherte müssen eine Pflegepflichtversicherung abschließen.

Für gesetzlich Versicherte – egal ob Arbeitnehmer oder Rentner – beträgt der Beitrag zur Pflegeversicherung bundesweit 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens. Für kinderlose Versicherte kommt ein Beitragszuschlag von 0,6 Prozentpunkten hinzu. Sie zahlen daher mit 4,0 Prozent derzeit den höchsten Beitrag.

Bei Arbeitnehmern wird dieser Beitrag mit dem Arbeitgeber aufgeteilt. Dieser übernimmt konstant 1,7 Prozent. Der Arbeitnehmeranteil variiert dagegen seit 2023 nach Anzahl der Kinder: Arbeitnehmer mit einem Kind im Alter von unter 25 Jahren teilen sich den Beitrag zu gleichen Teilen mit dem Arbeitgeber (jeweils 1,7 Prozent, insgesamt 3,4 Prozent). Für jedes weitere Kind verringert sich der Arbeitnehmeranteil um 0,25 Prozentpunkte. Bei fünf oder mehr Kindern liegt der Arbeitnehmeranteil nur noch bei 0,7 Prozent (mit Arbeitgeberanteil dann bei insgesamt 2,4 Prozent).

Externer Link: Die Staffelung der Beiträge nach Zahl der Kinder ist eine Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 2022. Das Gesetz zur Pflegeversicherung sah bis dahin bereits Zuschläge für Kinderlose vor, machte aber keinen Unterschied bei der Beitragshöhe für Eltern. Die Verfassungsrichter sahen dadurch das „aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitet[e] Gebo[t] der Belastungsgleichheit“ verletzt und betonten die Notwendigkeit, die Anzahl der von Eltern zu betreuenden Kinder bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Dem kam die Bundesregierung 2023 mit dem Externer Link: „Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege“ nach.

In den vergangenen Jahren ist der Beitragssatz zur Pflegeversicherung stetig angestiegen. Lag er 1996 noch bei einem Prozent, waren es 20 Jahre später bereits 2,35 Prozent. Seit Sommer 2023 liegt der Beitragssatz bei 3,4 Prozent.

Warum wird aktuell über eine Reform der Pflegeversicherung diskutiert?

Die gesetzliche Pflegeversicherung kämpft derzeit, trotz der Beitragserhöhung vom Sommer 2023, mit finanziellen Problemen: Die Kosten für die Pflege stiegen in den letzten Jahren zum Teil deutlich stärker als die Einnahmen aus den Beiträgen der Versicherten. 2021 und 2022 gab die Pflegeversicherung jeweils 1,35 und 2,25 Milliarden Euro mehr aus, als sie eingenommen hat. Mit der Beitragserhöhung 2023 konnte die Pflegeversicherung wieder einen Überschuss von 1,78 Milliarden Euro erzielen. Für 2024 und 2025 werden jedoch wieder Defizite in Milliardenhöhe erwartet. Das droht die bestehenden Rücklagen der Pflegeversicherung aufzuzehren (2023: 6,9 Mrd. Euro).

Zwar widersprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Berichten, wonach die Pflegeversicherung schon im kommenden Jahr zahlungsunfähig werden könnte. Dennoch will das Gesundheitsministerium ein Finanzierungskonzept für die Pflegeversicherung erarbeiten. Auch Beitragserhöhungen sind nicht ausgeschlossen.

Die Ursachen für die aktuellen Probleme sind vielfältig, insbesondere auf der Ausgabenseite: Bedingt durch die Inflation der vergangenen Jahre wurden auch im Pflegebereich von den Tarifpartnern Lohnerhöhungen vereinbart. Auch der Pflegemindestlohn ist in den vergangenen Jahren deutlich erhöht worden – und soll 2025 erneut steigen. Zudem steigt seit Jahren auch die Zahl der Leistungsberechtigten und -empfänger/-innen. Einerseits aufgrund des demografischen Wandels, andererseits auch dadurch, dass 2017 der Begriff der „Pflegbedürftigkeit“ neu gefasst wurde: Seitdem haben zum Beispiel auch Demenzerkrankte umfassenden Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung. Zudem wurden zuletzt der Eigenanteil, den Pflegebedürftige z. B. für die Pflege in Heimen aufbringen müssen, verringert und das Pflegegeld für die häusliche Pflege erhöht. Durch diese Reform, durch mehr Pflegebedürftige sowie durch höhere Kosten für Personal und Dienstleistungen steigen die Ausgaben der Pflegeversicherung.

Wie wird die Pflege in anderen Ländern abgesichert?

Während die Langzeitpflege in Deutschland über eine eigenständige Sozialversicherung geregelt wird, gibt es in anderen europäischen Ländern unterschiedliche Ansätze. Häufig werden Pflegeleistungen aus allgemeinen Beiträgen zur Sozialversicherung oder auch durch Steuern finanziert.

In vielen Ländern der EU gibt es kein gesondertes System der Pflegefinanzierung, vor allem dann, wenn es um die Langzeitpflege geht. Diese wird dann in der Regel durch andere Sozialsysteme abgedeckt. Externer Link: Detaillierte Übersichten über die sozialen Sicherungssysteme in den europäischen Staaten bietet die Datenbank „Missoc“ der Europäischen Union.

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