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Mexikos neue Präsidentin: Das sind ihre Ziele

Redaktion

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Erstmals in der Geschichte Mexikos führt eine Frau die Geschicke des Landes. Claudia Sheinbaum steht vor enormen Herausforderungen.

Mexikos neue Präsidentin Claudia Sheinbaum während einer Zeremonie am Tag ihrer Amtsübernahme auf dem Zocalo-Platz in Mexiko-Stadt, Mexiko, am 1. Oktober 2024. (© picture-alliance, NurPhoto | Jose Luis Torales)

Seit dem 1. Oktober ist Claudia Sheinbaum Interner Link: Mexikos neue Präsidentin. Erstmals in der Geschichte des mittelamerikanischen Landes steht damit eine Frau an der Spitze des Staates. Die 62-jährige Politikerin der linken Partei „Movimiento de Regeneración Nacional“ (Morena, deutsch: Bewegung Nationaler Erneuerung) hatte sich bei der Präsidentschaftswahl am 2. Juni mit knapp 60 Prozent der Stimmen durchgesetzt.

Deutlicher Wahlsieg

Auch bei einem anderen Ausgang hätte das Land wahrscheinlich eine Präsidentin bekommen: Die aussichtsreichste Gegenkandidatin, Xóchitl Gálvez, erhielt gut 28 Prozent der Stimmen. Sie wurde von den drei größten Oppositionsparteien unterstützt: der konservativen „Partido Acción Nacional“ (PAN, deutsch: Partei der Nationalen Aktion), der „Partido de la Revolución Democrática“ (PRD, deutsch: Partei der demokratischen Revolution) sowie der „Partido Revolucionario Institucional“ (PRI, deutsch: Partei der institutionalisierten Revolution).

Letztere war 1929 – bis 1946 unter dem Namen „Partido Nacional Revolucionario“ (deutsch: Nationale Revolutionäre Partei) – als Zusammenschluss verschiedener regionaler Mitte-Links-Parteien gegründet worden. Die PRI wird auch als „Einheitspartei“ bezeichnet; sie regierte über 70 Jahre und stellte bis in die 1980er Jahre hinein sämtliche Gouverneure, bis 2000 alle Präsidenten und besetzte die meisten Posten in staatlichen Institutionen. Zahlreiche Korruptionsskandale seit den 1990er Jahren haben die PRI jedoch bis heute massiv geschwächt.

Die konservative-katholische PAN, 1939 geründet, war zuletzt die relevanteste Oppositionspartei Mexikos. Zwischen 2000 und 2012 stellte sie die Präsidenten des Landes. Die PRD ist im politischen Spektrum Mitte-Links angesiedelt und wurde 1989 gegründet. Sie erreichte zunächst eine breite Wählerschaft auf kommunaler Ebene sowie Gouverneursmandate, hat in den letzten Jahren jedoch an Bedeutung verloren.

Jorge Álvarez Máynez von der Mitte-Links-Partei „Movimiento Ciudadano“ (deutsch: Bürgerbewegung) hatte sich diesem Oppositionsblock nicht angeschlossen. Er errang gut zehn Prozent der Stimmen.

Der 2. Juni 2024 war der größte Wahltag in der Geschichte der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas. Neben dem Präsidentenamt wählten die rund 130 Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner zudem die Regierungen von neun Bundesstaaten sowie das Parlament. Insgesamt wurden mehr als 20.000 Ämter neu besetzt, darunter alle Sitze in der Abgeordnetenkammer und im Senat sowie regionale und kommunale Ämter.

Für die Wahlen der Parlamente bildete Sheinbaums Partei Morena ein Regierungsbündnis „Sigamos Haciendo Historia“ (deutsch: Schreiben wir weiter Geschichte) mit der „Partido del Trabajo” (PT, deutsch: Arbeitspartei) und der „Partido Verde Ecologista de México” (PVEM, deutsch: Grüne Ökologische Partei Mexikos), welches im Abgeordnetenhaus eine Zweidrittelmehrheit und im Senat eine absolute Mehrheit errang. Auch in drei Vierteln der 32 Bundesstaaten verfügt das Bündnis über eine Mehrheit. Dadurch könnte die neue Regierung ohne Unterstützung der Opposition auch Verfassungsänderungen umsetzen.

Das politische System Mexikos

Mexiko ist eine föderale Präsidialrepublik mit 32 Bundesstaaten. Das mexikanische Parlament (Kongress) besteht aus Senat und Abgeordnetenkammer. Der Senat hat 128 Mitglieder, die für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt werden. Von den 500 Mitgliedern der Abgeordnetenkammer mit einer Amtszeit von drei Jahren werden 300 in Wahlkreisen direkt gewählt; die restlichen 200 Abgeordneten werden in fünf Großwahlbezirken nach Verhältniswahl über Parteilisten ermittelt. Der Präsidentin oder dem Präsidenten kommt eine außerordentlich große Machtfülle zu. Das Staats- und Regierungsoberhaupt wird direkt vom Volk gewählt, darf jedoch nur eine Legislaturperiode im Amt bleiben. Diese dauert sechs Jahre. Der Wahlkampf wurde mit einer starken Präsenz der Kandidaten in TV und Radio sowie den sozialen Medien geführt.

„Kontinuität mit eigener Handschrift“

Sheinbaum war die Wunschkandidatin ihres Vorgängers und Parteikollegen Andrés Manuel López Obrador, in Mexiko oft kurz AMLO genannt. Beide sind langjährige politische Weggefährten. Obrador, damals Bürgermeister von Mexiko-Stadt, machte die damalige Bezirksbürgermeisterin im Jahr 2000 zur Umweltministerin seines Hauptstadtkabinetts. Nach Obradors Wahl zum Staatschef 2018 wurde Sheinbaum Bürgermeisterin der Hauptstadt. Da Mexiko-Stadt unter massiven ökologischen Problemen leidet, etwa bei der Luftqualität, der Müllentsorgung oder der Wasserversorgung, blieb die Umweltpolitik eines ihrer Kernthemen.

Politische Beobachter erwarten, dass Sheinbaum auch als Präsidentin der Umweltpolitik in dem unter den Folgen des Klimawandels leidenden Land einen deutlich höheren Stellenwert einräumen wird als ihr Vorgänger. In einigen Politikfeldern hat sie allerdings versprochen, die Politik Obradors in den kommenden sechs Jahren fortzusetzen – so etwa in der Sozialpolitik. Sheinbaum beschreibt ihren künftigen Kurs als „Kontinuität mit eigener Handschrift“.

Ausbau des Sozialstaats

Obradors Sozialpolitik gilt vielen Beobachtern als erfolgreich. Selbst Kritiker räumen ein, dass diese Interner Link: Mexiko sozial gerechter gemacht hat. Der mittlerweile 70-jährige Obrador legte Wert darauf, sich als einfacher Mann des Volkes zu gerieren, verzichtete etwa auf die Benutzung des Regierungsfliegers. Er führte eine Grundrente ein und erhöhte den Mindestlohn deutlich. Sheinbaum will nun den mexikanischen Sozialstaat nach eigener Aussage weiter ausbauen.

Auch weil Obrador die Armut bekämpfte und sich benachteiligten Regionen etwa im Süden Mexikos annahm, erfreut er sich bis heute großer Beliebtheit – davon profitierte im Wahlkampf auch seine Wunschnachfolgerin Sheinbaum. Kritisiert wird jedoch, dass die hohen Sozialausgaben zu stark durch Schulden finanziert wurden. Die neue Präsidentin werde es schwer haben, deren Finanzierung weiterhin sicherzustellen. Gleichzeitig ist Mexikos Staatsschuldenquote weit geringer als in den meisten Industriestaaten – darunter die der USA, Japans oder Deutschlands.

Umstrittene Verfassungsreformen unter Obrador

Obrador hinterlässt dennoch aus Sicht politischer Beobachter eine zumindest nicht unproblematische Regierungsbilanz: So ist etwa die Macht der Drogenkartelle in dem von Kriminalität gebeuteltem Land weiterhin ungebrochen. Sheinbaum will, wie auch ihr Vorgänger, bei deren Bekämpfung stark auf das Militär setzen.

Auf Kritik stießen mehrere noch unter Obrador durchgesetzte Verfassungsreformen, so etwa der geplante Umbau des Justizsystems. Einer im September 2024 auch mit Unterstützung Sheinbaums auf den Weg gebrachten Reform zufolge, sollen die rund 7.000 Bundesrichter künftig direkt vom Volk gewählt werden. Die Regierung sah diese Reform als wichtigen Schritt gegen die Korruption – Kritiker sehen hierin eine Gefährdung der Gewaltenteilung. Darüber hinaus hat Obrador trotz Protesten die Nationalgarde unter die Kontrolle der Armee gestellt sowie eine Vielzahl an Einrichtungen für Transparenz und Kontrolle der Regierung aufgelöst.

Zuletzt fiel Mexiko im Demokratie- und Rechtsstaats-Index von „Freedom House“ weiter zurück. Die internationale Nichtregierungsorganisation veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht, in dem über die Freiheitsrechte in den Ländern der Welt berichtet wird. Sie gruppiert Mexiko nur als „teilweise frei“ ein.

Im Bericht von „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Mexiko auf Platz 121 von 180: „Die Verstrickung von Politik und organisiertem Verbrechen macht es lebensgefährlich, über sensible Themen wie Korruption oder Drogen- und Menschenhandel zu berichten“, heißt es in dem Bericht.

Stärkere Förderung der Erneuerbaren Energien

Neue Akzente will Sheinbaum nach eigener Aussage auch im Energiebereich setzen. Die Umweltingenieurin und Physikerin will erneuerbare Energien deutlich ausbauen. Sheinbaum hat im Wahlkampf allerdings auch versprochen, den nationalen Erdölkonzern Pemex zu stärken.

Zu einem von ihr versprochenem Programm zur Infrastrukturentwicklung gehören zudem der Ausbau von Eisenbahnverbindungen, des Straßennetzes sowie neuer Flughäfen. Sheinbaum will darüber hinaus Häfen und andere Bereiche der Infrastruktur modernisieren. Nach ihrer Vereidigung kündigte sie zudem die Entwicklung eines heimischen Elektro-Kleinwagens an.

Gegen Diskriminierung von Frauen

Sheinbaum will gegen die in Mexiko weit verbreitete Diskriminierung von Frauen vorgehen. In ihrer Antrittsrede im Kongress betonte sie, die „Zeit für die Frauen“ sei gekommen. Konkret plant sie unter anderem eine staatliche Mindestrente für alle Frauen, da diese in Mexiko besonders von Armut betroffen sind. Die Erwartungen an Sheinbaum sind hoch. Als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt schuf sie dort ein eigenes Ministerium für Frauen und sorgte für Straßenbeleuchtung in gefährlichen Vierteln.

Mexiko steht vor enormen Herausforderungen

Die Herausforderungen vor denen Mexiko steht, sind enorm: Das wohl größte Problem des Landes ist die Innere Sicherheit. Drogen- und Bandenkriminalität sind in weiten Teilen des mittelamerikanischen Landes allgegenwärtig, die Mordrate ist mit jährlich über 30.000 eine der höchsten der Welt. Mehr als 100.000 Menschen gelten als vermisst.

Zwar ist der Großteil der Ermordeten männlich – doch Femizide sind allgegenwärtig. 830 Tötungsdelikte wurden im vergangenen Jahr als solche eingestuft. Die Dunkelziffer an Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden, dürfte noch höher sein.

Kriminalität, Klimawandel und Migrationspolitik bleiben große Probleme

Menschen, die Korruption und Kriminalität kritisieren, leben in Mexiko besonders gefährlich. Während des Wahlkampfes wurden rund 30 Politiker ermordet, Tötungen und Entführungen sind an der Tagesordnung. Die Gewalt richtet sich oft auch gegen Mandatsträger oder Bewerber um ein politisches Amt.

Eine Herausforderung für die mexikanische Regierung ist neben der Inneren Sicherheit und Armutsbekämpfung sowie den Auswirkungen des Klimawandels auch die Migrationspolitik. Hunderttausende zentralamerikanische Flüchtlinge durchqueren das Land jedes Jahr in Richtung USA. Hier und im Bereich der Drogenkriminalität gab es ebenso wie in der Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren immer wieder Konflikte mit den Vereinigten Staaten. Der ehemalige US-Präsident und republikanische Präsidentschaftskandidat für die Wahl am 5. November, Donald Trump, drohte erst jüngst, er werde im Falle seines Wahlsiegs die Zölle auf mexikanische Autos auf mindestens 200 Prozent erhöhen.

Politische Beobachter halten unter Sheinbaum eine Intensivierung der Beziehungen zwischen Mexiko und der internationalen Staatengemeinschaft, den USA und der EU für möglich. Mexiko hatte bei internationalen Konflikten wie dem Ukraine- und dem Gazakrieg oder auch der Verurteilung des autokratischen Regimes in Venezuela zumeist eine neutrale Position eingenommen. Viele hoffen zudem, dass das Land künftig als Vermittler zwischen den Industriestaaten und dem Globalen Süden fungieren könnte.

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