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Grenzkontrollen bei der Einreise nach Deutschland | Hintergrund aktuell | bpb.de

Grenzkontrollen bei der Einreise nach Deutschland

Redaktion

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Seit Mitte September 2024 finden an allen deutschen Grenzen zeitlich befristet Einreisekontrollen statt. Wir erklären, wann Grenzkontrollen innerhalb Europas möglich sind und wie sie in Deutschland funktionieren.

Am frühen Morgen des 16.09.2024 steht ein Beamter der Bundespolizei am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke und überwacht den Einreiseverkehr nach Deutschland. (© picture-alliance/dpa, Patrick Pleul)

Was sind Grenzkontrollen und wo finden sie statt?

Seit dem 16. September 2024 finden an allen Grenzen Deutschlands vorübergehend Kontrollen statt. Polizeibeamte überprüfen den grenzüberschreitenden Verkehr und kontrollieren Ausweis und Aufenthaltsdokumente von Einreisenden.

Die Kontrollen finden in der Regel an Verkehrsstraßen wie Bundesautobahnen und Landstraßen statt, aber auch bei grenzüberschreitenden Zugreisen sowie an Flughäfen. Die Orte und Dauer der Kontrollen können dabei wechseln; eine flächendeckende Kontrolle aller deutschen Grenzübergänge findet nicht statt, vielmehr sollen sie regional unterschiedlich intensiv erfolgen.

Prinzipiell wird bei Grenzkontrollen zwischen Binnengrenzen innerhalb der Europäischen Union und den EU-Außengrenzen unterschieden. Während die EU-Außengrenzen durchgehend kontrolliert werden, sind Grenzkontrollen innerhalb der EU nur in Ausnahmefällen anzuwenden. Deutschland hat keine EU-Außengrenze und grenzt sämtlich an Staaten, die Mitglieder des Schengener Abkommens sind. Innerhalb des sogenannten Schengen-Raums soll es grundsätzlich keine generellen Interner Link: Grenzkontrollen geben. Reisende, die aus Ländern, die nicht Mitglied des Interner Link: Schengen-Raums sind und mit dem Flugzeug oder dem Schiff einreisen, wurden auch in der Vergangenheit in der Regel bereits durchgehend kontrolliert.

Was gilt im Schengen-Raum und in der Europäischen Union?

Die Interner Link: Freizügigkeit ist eines der zentralen Prinzipien der Europäischen Union: Ihre Bürgerinnen und Bürger sollen innerhalb der EU überall wohnen und arbeiten und sich auch zwischen den Mitgliedstaaten frei bewegen können. Letzteres – frei reisen ohne Passkontrolle – wird seit fast 30 Jahren im sogenannten Schengen-Raum gewährleistet.

Gemäß Externer Link: Schengener Abkommen soll es zwischen den Teilnahmestaaten eigentlich keine Grenzkontrollen mehr geben. 1995 setzten mit Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien sieben Staaten das Schengener Durchführungsübereinkommen in Kraft. Heute gehören dem Interner Link: Schengen-Raum insgesamt 29 Länder an. Darunter sind 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie die Nicht-EU-Mitglieder Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Das Abkommen sieht unter anderem die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen vor. Im Fall von Bulgarien und Rumänien wurden bislang nur die Kontrollen an den Luft- und Seebinnengrenzen aufgehoben. Das EU-Mitglied Zypern ist ein Beitrittskandidat für den Schengen-Raum, Irland ist dem Schengener Abkommen nicht beigetreten.

Welche Ausnahmen sieht das Schengener Abkommen vor? Wer nutzt sie?

In der Praxis wird das Schengener Abkommen von manchen Staaten seit Jahren nur noch teilweise umgesetzt. Der Externer Link: Schengener Grenzkodex gestattet es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen zeitlich befristete Kontrollen an Binnengrenzen einzuführen. Ab dem Jahr 2015 machten einzelne Schengen-Staaten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Deutschland z. B. begründete in jenem Jahr temporäre Grenzkontrollen zur österreichischen Grenze mit dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen; die Kontrollen wurden seither aufrechterhalten.

Prinzipiell kann jeder Schengen-Staat Grenzkontrollen einseitig anordnen. Jedenfalls dann, wenn die durch das Abkommen eng gefassten Ausnahmesituationen wie eine ernsthafte Bedrohung der Interner Link: inneren Sicherheit vorliegen. Die Binnengrenzkontrollen müssen bei der EU-Kommission angemeldet werden. In Deutschland entscheidet formell das Bundesinnenministerium, ob es Grenzkontrollen anordnet.

Die Bundesrepublik ist nicht das einzige Schengen-Mitglied, das wieder Grenzkontrollen eingeführt hat. Externer Link: Zuletzt hatten acht Staaten Kontrollen bei der EU angemeldet: darunter etwa Italien, Frankreich, Tschechien, Schweden sowie Österreich. Während der Corona-Pandemie hatte 2020 der Großteil der Schengen-Mitglieder die Reisefreiheit zur Eindämmung der Seuche zeitweise eingeschränkt.

Welche Grenzkontrollen gab es bislang in Deutschland? Wie wurden sie erweitert?

Neben der österreichischen Grenze, an der seit 2015 durchgehend Kontrollen durchgeführt werden, wurden im Oktober 2023 zeitlich befristet Kontrollen an den Grenzen zu der Schweiz, Polen und Tschechien eingeführt. Diese wurden seither mehrfach verlängert. Das Bundesinnenministerium begründete diese Maßnahme mit dem Kampf gegen Schleuserkriminalität und der Begrenzung „irregulärer Migration“. Phasenweise wurde in den vergangenen Monaten mitunter auch die Grenze zu Frankreich kontrolliert, zuletzt wegen der Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris. Während der Fußball-EM 2024 in Deutschland gab es an den Grenzen zu allen deutschen Nachbarstaaten temporäre Kontrollen.

Anfang September 2024 ordnete das Bundesinnenministerium an, neben der Landgrenze zu Frankreich künftig auch die Grenzen zu den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark und Belgien zu kontrollieren. Seit dem 16. September 2024 sind demnach an allen deutschen Landgrenzen vorübergehende Grenzkontrollen möglich – die bei der Europäischen Kommission gemeldeten Maßnahmen sind den Angaben zufolge auf ein halbes Jahr befristet. Eine anschließende Verlängerung ist möglich.

Zudem wurden in der Bundesrepublik im Rahmen der Gefahrenabwehr in Grenznähe innerhalb eines Radius von 30 Kilometern im Landesinneren stichprobenartig Personen- und Fahrzeugkontrollen durchgeführt. Diese weitgehend verdachts- und anlassunabhängigen Personenkontrollen werden auch als Schleierfahndung bezeichnet. Sie können von der Bundespolizei und den Polizeien der Länder durchgeführt werden.

Wer führt Grenzkontrollen in Deutschland durch?

Für den Grenzschutz und damit auch mögliche Grenzkontrollen ist in Deutschland in der Regel die Interner Link: Bundespolizei verantwortlich. Grenzkontrollen und grenzpolizeiliche Überwachung können zu Lande, zu Wasser und aus der Luft erfolgen – sie umfassen auch Flughäfen mit internationalen Verbindungen sowie Häfen und Bahnhöfe in Grenznähe. Allerdings können die Bundesländer im Einvernehmen mit dem Bund den Grenzschutz auch mit eigenen Kräften wahrnehmen. In den Seehäfen der beiden Hansestädte Bremen und Hamburg nimmt die jeweilige Wasserschutzpolizei grenzpolizeiliche Aufgaben wahr. Bayern hat 2018 als einziges Bundesland seine (zuvor bereits zwischen 1946 und 1998 bestehende) eigene bayerische Grenzpolizei eingeführt. Allerdings beschränken sich ihre Befugnisse – insbesondere Ein- und Ausreisekontrollen – auf fast alle Flughäfen im Freistaat (außer Flughafen München, an dem ausschließlich die Bundespolizei zuständig ist) sowie Schleierfahndungsmaßnahmen im Grenzgebiet.

Polizeigewerkschaften befürworten grundsätzlich die Ausweitung der Interner Link: Grenzkontrollen. Sie erhoffen sich Erfolge in der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und irregulärer Migration. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen: Für dauerhafte stationäre Grenzkontrollen Externer Link: fehle es der Bundespolizei an Personal, Ausstattung und Infrastruktur.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der EU?

Externer Link: Im Mai 2024 wurde der Schengen-Kodex reformiert. Mitgliedstaaten können auf seiner Grundlage beim Vorliegen „einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ vorübergehend ohne Zustimmung der EU Kontrollen an ihren Grenzen anordnen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission sowie die anderen Länder müssen spätestens vier Wochen vor der Einführung der Kontrollen über das Vorhaben informiert werden – falls die Gründe für die Kontrollen nicht ein schnelleres Handeln notwendig machen.

Kontrollen der Binnengrenzen sind im Falle einer „ernsthaften Bedrohung“ zunächst nur für die Dauer von sechs Monaten erlaubt. Besteht die Bedrohung fort, kann dieser Zeitraum um jeweils sechs Monate bis zu einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren verlängert werden. Liegt aus Sicht des Mitgliedstaats sogar eine „schwerwiegende, außergewöhnliche Situation“ vor, darf auch darüber hinaus ein weiteres halbes Jahr lang kontrolliert werden. Hat sich die Situation in diesem Zeitraum immer noch nicht verbessert, ist ein letzte Verlängerung um sechs Monate möglich. Insgesamt können die Grenzkontrollen so bis zu drei Jahre am Stück aufrechterhalten werden.

Kontrollen an den Binnengrenzen sollen nur für den Fall wiedereingeführt werden, wenn kein anderes Mittel zur Abwehr der als Grund angeführten Gefahr erfolgversprechend ist. Der Schengen-Kodex formuliert Kontrollen der Binnengrenzen dabei als „letztes Mittel“: Mitgliedstaaten müssen die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bewerten und begründen. Grenzkontrollen sind aber auch möglich, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, die das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt gefährden. Hier muss jedoch der Europäische Rat – das Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder – zustimmen.

Wie begründet Deutschland die Grenzkontrollen?

Das Bundesinnenministerium begründet die vorübergehende Anordnung von Grenzkontrollen damit, dass die Maßnahme erforderlich sei, um die „irreguläre Migration weiter zu begrenzen“ und den „Schutz der inneren Sicherheit“ zu gewährleisten. Im Bereich der irregulären Migration sei „die Gesamtbelastung Deutschlands zu berücksichtigen, insbesondere die begrenzten Kapazitäten der Kommunen bei der Unterbringung sowie im Bildungs- und Integrationsbereich durch die Aufnahme von 1,2 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und die Asylmigration aus den vergangenen Jahren“. In diesem Sinne argumentiert auch der Externer Link: Deutschen Städte- und Gemeindebund, der es angesichts ausgeschöpfter Kapazitäten und Kommunen an der Belastungsgrenze für sinnvoll hält, „die deutschen Grenzen so lange zu kontrollieren, bis die europäische Asylreform in Kraft ist“. Die Maßnahmen dienten laut Bundesinnenministerium darüber hinaus auch dem „Schutz vor islamistischem Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität“. Auch Österreich, Italien und Frankreich begründeten Grenzkontrollen zuletzt ebenfalls mit „irregulärer Migration“.

Was wird beim Thema „Zurückweisungen“ aktuell diskutiert?

Parallel zu Grenzkontrollen wird in Politik und Öffentlichkeit intensiv diskutiert, ob Flüchtlinge bereits an der Grenze zurückgewiesen werden sollen. Im Kern geht es vor allem um die Frage, ob Schutzsuchenden die Einreise verweigert werden kann, wenn sie über einen anderen EU-Staat in die Europäische Union eingereist sind. Nach den sogenannten Dublin-Regeln wäre dann zunächst nicht Deutschland für das Asylverfahren zuständig.

Politiker von CDU, CSU und FDP halten solche weitergehenden Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze für rechtlich zulässig, auch Teile der SPD zeigen sich dafür offen. Kritik und Zweifel an der Rechtmäßigkeit kommen vor allem von den Grünen. Der Externer Link: Deutsche Landkreistag unterstützt die Grenzkontrollen und spricht sich ebenfalls dafür aus, dass „Schutzsuchende, für deren Asylverfahren andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zuständig sind, […] schon an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können [sollten]“. Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik erkennt ggf. in Artikel 72 des Interner Link: Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Möglichkeit für EU-Mitgliedstaaten, Europarecht außer Acht zu lassen: sofern nämlich eine Ausnahmesituation vorliegt bzw. das Bestehen des Staates gefährdet ist. Der Externer Link: Europarechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz hält von den Dublin-Regeln abweichende Zurückweisungen nur in einer „Notlage“ für möglich, deren Begründung dann allerdings auch vor dem Europäischen Gerichtshof bestehen können muss. Auch das Externer Link: Deutsche Institut für Menschenrechte konstatiert, europarechtlich seien nach der sogenannten Dublin-III-Verordnung „Zurückweisungen an der Grenze von Menschen, die Asyl suchen, nicht ohne Weiteres zulässig“. Vielmehr sei „zunächst zu prüfen, welcher Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist“.

Zurückweisungen werden mitunter bereits heute vollzogen, wenn eine Person mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. 2023 gab es laut Bundesregierung 35.618 Zurückweisungen an deutschen Grenzen. Aktuell erfolgt die Prüfung, ob ein anderes EU-Land für eine Asylverfahren zuständig ist, während der Prüfung eines Asylantrags in Deutschland durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Für die Prüfung greift das BAMF unter anderem auf die Datenbank Interner Link: EURODAC zurück, in der die EU Fingerabdrücke von Asylsuchenden speichert, oder fragt direkt bei anderen Mitgliedstaaten nach. 2023 stellte das BAMF rund 74.622 Ersuche an andere EU-Staaten, Asylverfahren zu übernehmen. Überstellungen waren bei 5.053 Personen erfolgreich.

Stimmt der für das Asylverfahren zuständige Staat der Überstellung zu, muss diese innerhalb von sechs Monaten auch tatsächlich erfolgen. In bestimmten Fällen – wenn die Person in Haft oder flüchtig ist – verlängert sich die Frist auf zwölf bis höchstens 18 Monate. Wird die Person nicht innerhalb der Frist überstellt, geht die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf den Staat über, der das Dublin-Verfahren angestrengt hat.

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