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Nationalratswahl in Österreich 2024 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Nationalratswahl in Österreich 2024

Redaktion

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Am 29. September wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. Das Land wird bisher von einer Koalition aus ÖVP und Grünen unter der Führung von Bundeskanzler Karl Nehammer regiert.

ÖVP- und FPÖ-Plakate zur Nationalratswahl in Österreich am 29.09.2024 (© picture-alliance, Weingartner-Foto / picturedesk.com )

Wer regiert derzeit?

Bei der vorgezogenen Interner Link: Nationalratswahl 2019 wurde die Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit 37,5 Prozent der Stimmen zur stärksten Kraft gewählt. Die Wahl fand unter dem Eindruck der sogenannten Externer Link: „Ibiza-Affäre“ statt: Der damalige Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und Vizekanzler Interner Link: Heinz-Christian Strache sowie der FPÖ-Abgeordnete Johann Gudenus waren 2017 dabei gefilmt worden, wie sie in einem Ferienhaus auf Ibiza mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen sprachen und dabei ihre Bereitschaft zur Korruption signalisierten sowie mögliche Wege der illegalen Parteienfinanzierung thematisierten. Darüber war die Koalition aus Interner Link: ÖVP und Interner Link: FPÖ im Frühjahr 2019 zerbrochen. Die FPÖ musste gegenüber Interner Link: der Nationalratswahl 2017 herbe Einbußen von rund zehn Prozent verkraften, kam bei der Wahl Externer Link: trotz des Skandals aber auf 16,2 Prozent.

Zweitstärkste Kraft wurden 2019 die österreichischen Grünen mit 13,9 Prozent. ÖVP und Grüne bildeten eine Koalition, die am 7. Januar 2020 vereidigt wurde. Als Bundeskanzler wurde der bereits zuvor amtierende ÖVP-Politiker Sebastian Kurz im Amt bestätigt. Die Zusammenarbeit beider Parteien verlief nicht spannungsfrei, die Zufriedenheit mit der Regierung war in den vergangenen fünf Jahren starken Schwankungen unterworfen. Als im Herbst 2021 Vorwürfe laut wurden, Kurz habe sich positive Berichterstattung in österreichischen Medien mit der Vergabe von Werbeanzeigen erkauft, drängten ihn die Grünen zum Rücktritt. Am 6. Dezember 2021 wurde Interner Link: Karl Nehammer (ÖVP) zum neuen Bundeskanzler gewählt.

Wie wird gewählt?

Das Interner Link: Parlament in Österreich hat zwei Kammern. Die 183 Abgeordneten des Nationalrats werden spätestens alle fünf Jahre nach einem Verhältniswahlrecht gewählt. Der Bundesrat – die zweite Kammer des Parlaments – wird nicht direkt gewählt. Seit dem 27. Juni 2023 hat er 60 Mitglieder (zuvor 61). Sie werden von den Landtagen der neun österreichischen Bundesländer entsandt.

Wahlberechtigt für die Nationalratswahl – und sämtliche andere Wahlen in Österreich – ist, wer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet hat. Jede Person wählt eine Parteiliste. Zusätzlich können Vorzugsstimmen für Kandidatinnen oder Kandidaten der gewählten Partei vergeben und damit die Reihenfolge der Listenplätze auf Bundes-, Landes- und Regionalparteilisten beeinflusst werden.

Für die Wahl gilt eine Interner Link: Sperrklausel: Parteien, die bundesweit weniger als vier Prozent der Stimmen erzielen, verfehlen den Einzug in den Nationalrat – es sei denn, mindestens einer ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten erringt in einem der 39 Regionalwahlkreise ein Grundmandat.

Interner Link: Überhangmandate sind theoretisch möglich und würden von den Mandatskontingenten der anderen Parteien abgezogen – in der Praxis sind Überhangmandate bei Nationalratswahlen aber sehr unwahrscheinlich.

Wer tritt zur Wahl an?

Insgesamt zwölf Parteien haben Vorschläge für Bundeswahllisten eingereicht. Unter anderem treten diese Parteien an:

Spitzenkandidat der Interner Link: Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ist Bundeskanzler Karl Nehammer. Die ÖVP-Liste firmiert offiziell – ähnlich wie bereits unter Sebastian Kurz – unter dem personalisierten Titel „Karl Nehammer – Die Volkspartei (ÖVP). Auf europäischer Ebene gehört die ÖVP, genauso wie die CDU und die CSU, der Fraktion der Interner Link: Europäischen Volkspartei (EVP) an. Sie vertritt christdemokratisch-konservative Positionen.

Die Interner Link: Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) wird dem rechtspopulistischen Spektrum zugerechnet. Im aktuellen Externer Link: Verfassungsschutzbericht des österreichischen Innenministeriums, der im Mai 2024 vorgestellt wurde, wurde die Partei in Teilen erstmals im Kapitel Rechtsextremismus erwähnt: Es ging um den Nachwuchsverband „Freiheitliche Jugend“(FJ), der enge Verbindungen mit der Interner Link: Identitären Bewegung Österreichs hat. Spitzenkandidat der FPÖ ist Herbert Kickl.

Für die Interner Link: Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) geht der Parteivorsitzende Andreas Babler als Spitzenkandidat ins Rennen. Die SPÖ war – gemeinsam mit der ÖVP – in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik die bestimmende politische Kraft in Österreich, hat aber in den vergangenen Jahren zunehmend an Einfluss verloren. Zuletzt stellten sie bis 2017 mit Christian Kern den Interner Link: Bundeskanzler.

Das Neue Österreich und Interner Link: Liberales Forum (NEOS) ist eine im Jahr 2012 gegründete liberale Partei. Im Europaparlament gehört sie, genauso wie die FDP und die Freien Wähler, der Fraktion Renew Europe an. Spitzenkandidatin ist Beate Meinl-Reisinger.

Ebenfalls relativ neu im politischen Spektrum ist die Bierpartei (BIER), die 2015 von dem Punk-Musiker Dominik Wlazny (Künstlername: „Marco Pogo“) gegründet wurde. Anfangs hatte die Partei bisweilen einen satirischen Charakter, mittlerweile vertritt sie eine deutlich erkennbare linksliberale Programmatik. Der 37-jährige Wlazny tritt als Spitzenkandidat an.

Die Grünen waren in Österreich in den vergangenen fünf Jahren Juniorpartner in der Koalition von Bundeskanzler Karl Nehammer. Ihr Spitzenkandidat ist Werner Kogler.

Chancen auf den Einzug in den Nationalrat hat auch die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Sie vertritt linke Positionen und strebt einen demokratischen und ökologischen Sozialismus an. Die Liste der KPÖ wird angeführt von Tobias Schweiger.

Was sind die Themen im Wahlkampf?

In der Debatte dominieren innenpolitische Themen, insbesondere Migration und innere Sicherheit. Für Gesprächsstoff sorgte unter anderem der Anschlag auf das Münchner NS-Dokumentationszentrum und das israelische Generalkonsulat Anfang September, der von einem 18-jährigen Österreicher mit bosnischen Wurzeln verübt wurde. Er hatte sich in den drei Jahren zuvor zusehends radikalisiert.

Das Thema Migration spielt auch in der Bedeutungswahrnehmung der Wählerinnen und Wähler eine wichtige Rolle. In einer Umfrage, die Ende Mai – kurz vor der Europawahl – durchgeführt wurde, nannten 57 Prozent „Asyl/Migration“ als besonders wichtiges Thema. Auf mehr Zuspruch stieß nur das Thema „soziale Sicherheit“.

Ein weiteres wichtiges Thema sind die sich abzeichnenden Veränderungen in der politischen Landschaft Österreichs: Erstmals könnte die FPÖ stärkste Kraft im Nationalrat werden. Ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl ist äußerst umstritten. Er gilt – selbst im Rahmen der FPÖ-Ideologie – als radikal. Außerdem wird ihm eine deutliche Nähe zur Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin nachgesagt.

Ähnlich wie in Deutschland steckt auch die österreichische Wirtschaft derzeit in der Krise. Die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts sind minimal, hinzu kommt eine relativ hohe Staatsverschuldung von fast 78 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt.

Zuletzt haben die schweren Überschwemmungen und der dadurch ausgelöste Ausnahmezustand in Teilen Österreichs den Wahlkampf kurzzeitig unterbrochen. Fernsehduelle und Wahlkampfveranstaltungen wurden abgesagt. Inwieweit das Hochwasser weitere Auswirkungen auf die Wahl haben wird, ist ungewiss.

Wer könnte nach der Wahl regieren?

Österreich steht vor einer grundlegenden Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse. Die derzeit regierende ÖVP muss mit erheblichen Stimmenverlusten rechnen und kommt in aktuellen Umfragen auf nur noch 24 bis 26 Prozent der Stimmen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik könnte die rechtspopulistische FPÖ zur stärksten politischen Kraft in Österreich werden: Sie kann den Demoskopen zufolge mit einem erheblich Zugewinn rechnen und kommt derzeit auf Werte um die 28 Prozent. Während die SPÖ mit 20 Prozent ihr Ergebnis von 2019 in etwa halten könnte, würden die Grünen gut die Hälfte ihrer Wählerschaft verlieren und kämen auf nur noch sieben bis neun Prozent. Viertstärkste Kraft wäre nunmehr die Partei NEOS, die in den Umfragen auf neun bis zehn Prozent der Stimmen kommt. Ebenfalls im neuen Nationalrat vertreten sein dürfte die Bierpartei, deren Umfragewerte zwischen vier und sechs Prozent liegen. Chancen auf den Einzug ins Parlament hat auch die KPÖ, die derzeit drei Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen kann .

Statt fünf könnten künftig also bis zu sieben Parteien im Nationalrat vertreten sein. ÖVP und SPÖ müssten jeweils mit einem der schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit rechnen. Im liberalen und linken Spektrum könnten zwei noch relativ junge Parteien, die erst in den 2010er-Jahren gegründet wurden, an Einfluss gewinnen.

Eine große Koalition aus ÖVP und SPÖ würde nach den derzeitigen Umfragewerten die erforderliche Mehrheit von 92 Sitzen im Nationalrat knapp verfehlen. Erstmals seit der provisorischen Staatsregierung unter Staatskanzler Karl Renner im Jahr 1945 könnte daher eine Dreierkoalition notwendig werden, um eine Regierungsmehrheit zu erzielen. In Frage käme theoretisch ein Bündnis aus ÖVP, SPÖ und Grünen oder NEOS. Die SPÖ hätte keine realistische Perspektive auf das Kanzleramt. Die FPÖ wiederum könnte nur dann eine Regierung führen, wenn sich die ÖVP als Juniorpartner anböte – was angesichts der eigenen Machtperspektiven der Konservativen wenig wahrscheinlich scheint.

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