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Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Redaktion

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Seit dem 27. Juni 2024 gelten in Deutschland neue Einbürgerungsregeln. Von nun an ist Mehrstaatigkeit grundsätzlich erlaubt, auch Einbürgerungen sind früher möglich als bisher.

Menschen zeigen bei einem Fototermin zur Unterstützung des neuen Staatsangehörigkeitsrecht die beiden Pässe, den deutschen und den kroatischen sowie den aserbaidschanischen und den deutschen. Wer sich einbürgern lassen will, darf seine bisherige Staatsbürgerschaft seit dem 27. Juni 2024 behalten. (© picture-alliance/dpa, Jens Kalaene)

Seit Ende Juni 2024 gilt das „Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“ (StARModG). Der Entwurf stammt aus dem SPD-geführten Bundesinnenministerium und wurde im August 2023 vom Bundeskabinett beschlossen. Im Januar 2024 wurde der Entwurf mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und einigen fraktionslosen Abgeordneten im Bundestag verabschiedet.

Wie war das Staatsangehörigkeitsrecht bis Juni 2024 geregelt?

Das bis dato geltende Staatsangehörigkeitsgesetz hat seine Wurzeln im Jahr 1913. Im „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ (RuStAG) wurde der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Interner Link: Abstammung bzw. Vererbung (Ius sanguinis) geregelt. In den Paragrafen 8 bis 16 wurden auch die Möglichkeiten und Voraussetzungen für die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern festgeschrieben. Die Einbürgerung war demnach grundsätzlich möglich, wenn etwa der eigene Lebensunterhalt bestritten werden konnte und die Vergabe der Staatsbürgerschaft das Deutsche Reich nicht gefährden würde.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde mit den Interner Link: Nürnberger Gesetzen das Rasseprinzip in das Staatsangehörigkeitsrecht eingeführt. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg galt dann wieder das RuStAG. In der DDR wurde dieses Gesetz 1967 durch das Externer Link: "Gesetz über die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik" (Staatsbürgerschaftsgesetz) ersetzt. Mit der deutschen Wiedervereinigung galt das RuStAG für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik.

Im Jahr 1999 nahm die damals regierende rot-grüne Bundesregierung wesentliche Änderungen vor: Fortan galt das Geburtsortprinzip (Ius solis) neben dem Abstimmungsprinzip. Kinder, die nach dem 31. Dezember 1999 in Deutschland zur Welt gekommen waren und die einen Elternteil hatten, welcher seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland ansässig war und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hatte, erhielten mit Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft. Wenn sie auch die Staatsbürgerschaft des ausländischen Elternteils erhielten, mussten sie sich zwischen dem 18. und 23. Geburtstag für eine Staatsbürgerschaft entscheiden (Interner Link: Optionspflicht). Ausgenommen von dieser Pflicht waren Kinder von EU-Bürgerinnen und Bürgern. Für Erwachsene war die Interner Link: doppelte Staatsbürgerschaft in der Regel nicht vorgesehen.

Ende 2014 wurde die Ergänzung eingeführt, wonach sich in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern unter bestimmten Voraussetzungen – mindestens acht Jahre wohnhaft in Deutschland, sechs Jahre Schulbesuch oder ein deutscher Schul- oder Berufsausbildungsabschluss – nicht mehr für eine einzige Staatsangehörigkeit entscheiden mussten.

Was besagt das neue „Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“?

Mit der nun in Kraft getretenen Gesetzesreform ändert sich das Staatsbürgerschaftsrecht in einigen wesentlichen Punkten.

  • Der Erwerb der Mehrstaatigkeit wird als Regelfall ermöglicht. Menschen, die sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, soll es ermöglicht werden, ihre vorherige Staatsbürgerschaft zu behalten.

  • Umgekehrt entfallen auch die Beibehaltungsverfahren: Wer mit deutscher Staatsangehörigkeit nun auch eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt, muss die deutsche nicht mehr aufgeben oder um diese in Ausnahmefällen zu behalten, ein Antrag auf Beibehaltung stellen.

  • Die Einbürgerung wird beschleunigt. Statt wie bisher acht Jahre, können rechtmäßig in Deutschland ansässige Ausländerinnen und Ausländer nun nach fünf Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Bei „besonders guter Integration“ ist eine Verkürzung dieser Frist auf drei Jahre möglich, etwa wenn man beruflich oder schulisch herausragende Leistungen erbringt, sich ehrenamtlich engagiert oder Deutschkenntnisse auf C1-Niveau vorweist.

  • In Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern erhalten automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren rechtmäßig im Land lebt und einen unbefristeten Aufenthaltstitel hat. Zuvor lag diese Frist bei acht Jahren.

  • Kinder von ausländischen Eltern müssen sich nicht mehr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Die Optionspflicht gilt nicht mehr. Die doppelte Staatsangehörigkeit beziehungsweise die Mehrstaatigkeit als Normalfall gilt auch für sie.

  • Die Einbürgerung von ehemaligen Interner Link: Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern wird erleichtert: Sie müssen künftig keinen Einbürgerungstest mehr machen; die mündliche Verständigung auf deutscher Sprache reicht aus. Das gilt für alle über verschiedene Anwerbeabkommen bis 1974 in die BRD und bis 1990 in die DDR eingereisten Arbeitskräfte.

  • Die 2019 beschlossene Formulierung „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ als Einbürgerungsvoraussetzung wird gestrichen. Stattdessen gibt es konkrete Ausschlussgründe für die Einbürgerung. Dazu zählt das Leben in einer Mehrehe, die Missachtung der Gleichheit von Mann und Frau sowie antisemitische, rassistische oder anderweitig menschenverachtende Handlungen. Sicherheitsabfragen werden künftig digitalisiert, beschleunigt und um zusätzliche Sicherheitsbehörden erweitert.

Wen betrifft das Gesetz?

Laut Zensus lebten zum Stichtag am 15. Mai 2022 in Deutschland 10,9 Millionen Ausländerinnen und Ausländer. Manche von ihnen sind schon Jahrzehnte in der Bundesrepublik, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt zu haben. Das betrifft vor allem die sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter. Andere sind durch Fluchtbewegungen des vergangenen Jahrzehnts nach Deutschland gekommen. Auch in diesen Bevölkerungsgruppen gibt es viele Menschen, die sich für einen dauerhaften Verbleib in Deutschland entschieden haben und sich für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft interessieren.

Zwei Prozent der in Deutschland geborenen Menschen besitzen laut Zensus 2022 keine deutsche Staatsbürgerschaft (etwa 1,3 Millionen Menschen). Für sie wird es künftig einfacher werden, sich einbürgern zu lassen. Hinzu kommen 2,5 Millionen Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und im Besitz einer doppelten Staatsbürgerschaft sind. Sie müssen sich künftig nicht mehr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden.

Warum wurde das Gesetz reformiert?

Die Bundesregierung möchte mit der Gesetzesreform "den Erfordernissen eines Einwanderungslandes Rechnung" tragen. Auf Dauer rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer soll eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht werden, bisher waren diese Menschen von den Rechten und Pflichten einer deutschen Bürgerin bzw. eines deutschen Bürgers ausgenommen, etwa das Interner Link: aktive und passive Wahlrecht. Der Anteil derer, die mindestens zehn Jahre in Deutschland leben und sich einbürgern lassen, lag mit 3,1 Prozent im Jahr 2022 auf niedrigem Niveau. Im europäischen Vergleich lag die Einbürgerungsquote mit 1,1 Prozent unterhalb der Einbürgerungsrate in der EU (2 Prozent). Vor vier Jahren gab es 109.880 Einbürgerungen, im Jahr 2023 waren es 200.095.

Dass keine Mehrstaatligkeit ermöglicht wurde, sei von vielen Ausländerinnen und Ausländern als Einbürgerungshindernis wahrgenommen, heißt es in der Begründung des Gesetzes. Dabei entspräche der bisher geltende "Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit" ohnehin nicht mehr der Praxis, da Einbürgerungen mit Mehrstaatigkeit mittlerweile die Regel darstellten – insbesondere „durch Interner Link: Abstammung bei Kindern in bi-nationalen Partnerschaften (2022: rund 88 500 Fälle) sowie beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Interner Link: Ius-soli (2022: rund 35 700 Fälle).“ Außerdem gibt es weitere Ausnahmefälle, beispielsweise Wiedergutmachungseinbürgerungen: Hier können Personen, denen zwischen 1933 und 1945 ihre deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen aberkannt wurde oder direkte Nachfahren dieser Personen sind, ihre frühere Staatsangehörigkeit zurückbekommen unter Genehmigung der Mehrstaatigkeit.

Welche Kritik gibt es an dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht?

Neben kritischen Stimmen aus der Opposition an der geplanten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts wurden auch Bedenken während der öffentlichen Expertinnen- und Expertenanhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat im Dezember 2023 geäußert. So hieß es, dass Einbürgerung am Ende einer erfolgreichen Integration stehen solle. Um diese sicherzustellen, benötige man die bisherigen acht Jahre Aufenthaltszeit in Deutschland. Auch wurden Zweifel geäußert, ob die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu einer schnelleren Einbürgerung führen würde. Die erwartbar hohe Zahl an Anträgen führe zu einer Verlangsamung der Bearbeitung. Der Beibehalt von Staatsbürgerschaften aus autoritär regierten Ländern stehe auch im Kontrast zur „Interner Link: Zeitenwende“ und führe womöglich zu Loyalitätsproblemen in sicherheitspolitischen Fragen.

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