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Wahl in Südafrika 2024 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Wahl in Südafrika 2024

Redaktion

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Südafrika hat ein neues Parlament gewählt. Erstmals seit drei Jahrzehnten verliert die regierende ANC die absolute Mehrheit.

52 Parteien traten bei der nationalen Wahl am 29. Mai 2024 in Südafrika an. Eine Auswahl an Wahlplakaten verschiedener politischer Parteien wurde in Pretoria, der Haupstadt des Landes, aufgehängt. (© picture-alliance/AP, Themba Hadebe)

Südafrika hat am 29. Mai 2024 ein neues Parlament gewählt. Nach der vollständigen Externer Link: Auszählung von rund 16 Millionen gültigen Stimmen kommt die bisherige Regierungspartei African National Congress (ANC) mit rund 40 Prozent der Stimmen auf 159 von 400 Sitzen und verliert damit ihre absolute Mehrheit im Nationalparlament. Insgesamt verliert der ANC 71 Sitze im Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2019. Damit ist der ANC – zum ersten Mal auf nationaler Ebene – gezwungen, eine Koalition einzugehen. Die anderen drei großen Parteien Democratic Alliance (DA), Economic Freedom Fighters (EFF) und Umkhonto we Sizwe (MK) erreichten rund 21,8 Prozent, 14,6 Prozent und 9,5 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 58,6 Prozent und war damit deutlich geringer als zur letzten Wahl 2019 (66,0 Prozent).

Von rund 60 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern hatten sich nach offiziellen Angaben knapp 28 Millionen Wählerinnen und Wähler für die Wahlen des Nationalparlaments sowie der Parlamente der neun Provinzen Südafrikas registrieren lassen. Bei der nationalen Wahl traten 52 Parteien an. Im Wahlkampf spielten unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit und Kriminalität eine Rolle.

Das politische System in der Republik Südafrika

Südafrika ist eine parlamentarische Demokratie mit föderalen Strukturen. Die Regierung wird vom Präsidenten geführt, der viele exekutive Befugnisse hat. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Nationalrat der Provinzen. Die Mitglieder des Nationalrats der Provinzen werden von den Provinzversammlungen entsendet. Der Nationalversammlung gehören 400 Abgeordnete an. Diese werden alle fünf Jahre nach dem Verhältniswahlrecht gewählt.

Es gibt – anders als etwa in Deutschland – keine Interner Link: Sperrklausel, sodass auch kleinste Parteien die Chance auf den Einzug ins Parlament haben. In den vergangenen Jahren ist das südafrikanische Parteiensystem aufgrund einer Vielzahl an Neugründungen vielfältiger geworden. Seit einer Reform 2023 durften erstmals auch unabhängige Kandidaten antreten. Aufgrund hoher Zulassungshürden traten allerdings nur wenige unabhängige Kandidaten an. In Südafrika darf man ab 18 Jahren wählen.

Die Nationalversammlung wählt alle fünf Jahre den Präsidenten, der zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef ist. Die Verabschiedung von Gesetzen ist jedoch Aufgabe des Parlaments.

ANC seit 1994 an der Macht

Nach dem Ende der Interner Link: Apartheid fanden in Interner Link: Südafrika erstmals 1994 freie Wahlen statt. Der African National Congress (ANC), der als Befreiungsbewegung mehr als 80 Jahre den Kampf der schwarzen Bevölkerung gegen die Unterdrückung durch eine weiße Machtelite angeführt hatte, erreichte damals knapp 63 Prozent der Stimmen. Bis heute regiert der ANC das Land ununterbrochen. Bis zur diesjährigen Wahl war der ANC-Vorsitzende Cyril Ramaphosa Staatspräsident Südafrikas. Er strebte seine Wiederwahl an. Der ANC wurde mit 40,18 Prozent erneut stärkste Kraft und bleibt voraussichtlich auch Teil einer Koalitionsregierung.

Bereits 2019 hatte der ANC Stimmen eingebüßt, war jedoch mit fast 58 Prozent der Stimmen auf eine absolute Mehrheit gekommen. Bei Lokalwahlen war der ANC 2021 bereits erstmals unter die 50-Prozent-Marke gerutscht. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Korruptionsvorwürfe gegen ANC-Politiker. Insbesondere viele ältere schwarze Südafrikanerinnen und Südafrikaner bleiben der Partei jedoch aufgrund ihrer tragenden Rolle bei der Überwindung der Apartheid treu.

Präsident Ramaphosa und seine Partei versuchten mit der Geschichte der Partei, aber auch mit einer restriktiven Migrationspolitik sowie dem Versprechen einer besseren Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung zu punkten. Externer Link: Die Partei betonte in ihrem Wahlprogramm, es habe in den letzten fünf Jahren insbesondere als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie Fortschritte im Gesundheitswesen und Erfolge in der Armutsbekämpfung gegeben. Der ANC hatte im Wahlkampf versprochen, in den kommenden Jahren Millionen Arbeitsplätze zu schaffen.

Oppositionelle Democratic Alliance warb mit Wirtschaftsreform

Die Democratic Alliance (DA) ist die größte Oppositionspartei und bildete bei dieser Wahl mit mehreren kleinen Parteien eine Allianz. Die Externer Link: DA warb in ihrem Parteiprogramm für einen Machtwechsel, um die schwache Wirtschaft wieder anzukurbeln und die hohe Arbeitslosigkeit sowie die Korruption wirksam zu bekämpfen. Die Partei war bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2019 auf rund 20,8 Prozent der Stimmen gekommen. Bei der Wahl 2024 kam DA auf 21,81 Prozent.

Die DA setzte auf einen wirtschaftsliberalen Kurs, der unter anderem eine Schuldenbremse für staatliche Ausgaben vorsah, keine neuen oder erhöhten Steuern versprach, mehr Staatsunternehmen privatisieren wollte und aus ihrer Sicht zu „restriktive“ Arbeitnehmerrechte reformieren sollte. Sie versprach, landesweit zwei Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Zudem wollte sie das Problem immer wiederkehrender Stromausfälle beenden, die Gesundheitsversorgung verbessern und die Gewaltkriminalität halbieren.

Die DA gilt vielen schwarzen Südafrikanerinnen und Südafrikanern bis heute als Klientelpartei der weißen Bevölkerung. Auf Kritik stieß ein Werbespot der Partei, in dem eine brennende südafrikanische Flagge zu sehen ist. Diese sollte die Gefahr für das Land symbolisieren, wenn der regierende ANC als Teil einer Koalition an der Macht bliebe. Für die DA trat John Steenhuisen, ein weißer Spitzenkandidat, an.

Linksradikale Partei EFF sorgte für Schlagzeilen

Die Economic Freedom Fighters (EFF) hat sich 2013 von der ANC abgespalten und definiert sich selbst als „radikal sozialistisch“. Sie wollte Externer Link: laut ihrem Wahlprogramm das Vermögen und auch den Landbesitz in der südafrikanischen Gesellschaft umverteilen. EFF warb außerdem damit, die Sozialhilfe erhöhen und beispielsweise Banken und Bergbauunternehmen verstaatlichen zu wollen. Ihr Spitzenkandidat war der ehemalige Vorsitzende der ANC-Jugendorganisation, Julius Malema. Für Schlagzeilen sorgten im vergangenen Jahr etwa dessen Solidaritätsbekundungen für Russlands Präsident Wladimir Putin sowie der Aufruf, die Buren, eine weiße Minderheit in Südafrika, zu töten. Die Partei kam bei der Wahl 2019 auf knapp 11 Prozent der Stimmen. EFF erreichte 2024 9,52 Prozent der Stimmen.

Parteineugründung mit Ex-Präsident Zuma als Vorsitz

Die 2023 gegründete Partei Umkhonto we Sizwe („Speer der Nation“, MK) geht mit ihrer Namenswahl auf den ehemaligen militärischen Arm des African National Congress zurück, der gegen die Apartheid kämpfte. Externer Link: MK setzte beim Wahlkampf auf staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, Enteignungen und Verstaatlichungen. Eine zentrale Forderung war es, rund fünf Millionen neue Jobs zu schaffen. Die Partei erlang bei der Wahl 14,58 Prozent. MK und EFF gelten als mögliche Koalitionspartner des ANC.

Parteivorsitzender der MK ist das frühere Parteimitglied des ANC und der ehemalige Präsident des Landes, Jacob Zuma. Dieser war von 2009 bis 2018 Präsident, bis er nach Aufforderung durch seine Partei zurücktrat.

Zuma gilt als umstrittener Politiker. Während seiner Amtszeit prägten Korruption und Misswirtschaft die Politik Südafrikas. Gegen Zuma wurde wegen Korruption ermittelt. Wegen Missachtung der Justiz wurde 2021 eine 15-monatige Haftstrafe gegen ihn verhängt, von der er nur wenige Wochen verbüßte. Auf Zumas Verhaftung folgten Unruhen im Land mit mehr als 350 Toten. Der Rest der Strafe wurde nach einem präsidialen Straferlass für Gefangene „mit geringem Risiko“ zur Bewährung ausgesetzt. Am 20. Mai 2024 untersagte das Oberste Gericht Zuma aufgrund der damaligen Verurteilung eine Kandidatur für die bevorstehende Wahl. Anhänger Zumas hatten für den Fall, dass der Ex-Präsident nicht kandidieren dürfte, Gewalt angedroht.

Südafrikanische Haltung zum Nahostkonflikt

Die aktuelle südafrikanische Regierung und bisherige Regierungspartei ANC unterhält traditionell freundschaftliche Beziehungen zu den palästinensischen Gebieten und kritisiert das militärische Vorgehen Israels in Gaza nach dem brutalen Interner Link: Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel. Der ANC zieht Parallelen zwischen der Apartheid-Politik in der südafrikanischen Geschichte und der israelischen Palästina-Politik. Im Dezember 2023 klagte Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, Israel habe gegen die internationale Völkerrechtskonvention verstoßen. Im März 2024 reichte Südafrika einen Eilantrag vor dem Interner Link: Internationalen Gerichtshof ein mit der Forderung, dass Israel mehr humanitäre Hilfe im Gazastreifen zulassen müsse. Nach einem weiteren südafrikanischen Eilantrag entschied der Internationale Gerichtshof am 24. Mai 2024, dass die israelische Armee sich sofort aus der im Süden des Gazastreifens gelegenen Stadt Rafah zurückziehen müsse.

Die DA nimmt als größte Oppositionspartei nach eigenen Angaben eine eher neutrale Haltung in dem Konflikt ein, hat den Überfall der Hamas verurteilt und fordert eine Zwei-Staaten-Lösung.

Die EFF erklärt sich solidarisch mit der palästinensischen Hamas und nennt ihren Überfall auf Israel gerechtfertigt.

MK nimmt eine ähnliche Haltung wie der ANC ein und unterstützt die Seite der Palästinenserinnen und Palästinenser.

Wahlkampfthemen

Armut und Arbeitslosigkeit

Das zentrale Wahlkampfthema in Südafrika war die Bekämpfung der Armut und Arbeitslosigkeit. Das Land ist reich an Rohstoffen – dennoch lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes laut Angaben der Weltbank unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die Vermögen und Einkommen sind sehr ungleich verteilt und auch 30 Jahre nach Ende der Apartheid bestehen weiterhin starke soziale Unterschiede zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung. 2022 war Südafrika Externer Link: laut Weltbank das Land mit der höchsten sozialen Ungleichheit weltweit. Rund jede dritte Südafrikanerin bzw. jeder dritte Südafrikaner war 2023 arbeitslos; besonders die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen ist hoch. Das Wirtschaftswachstum in Südafrika stagniert seit mehr als zehn Jahren. Ebenso der Kampf gegen die Korruption: Im Externer Link: Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International belegte Südafrika 2023 Platz 83 von 180 Ländern, mit im Vergleich zu 2012 leicht schlechteren Werten.

Infrastruktur

Die Infrastruktur des Landes wie auch die Gesundheitsversorgung in Südafrika gelten als schlecht. Auch die regelmäßigen Stromabschaltungen wurden vor der Wahl diskutiert. Immer wieder stellt der staatliche Energieversorger planmäßig den Strom ab, um das modernisierungsbedürftige Stromnetz zu entlasten („Load Shedding“). Diese Ausfälle schränken Privathaushalte aber auch die landwirtschaftliche Produktion und kritische Infrastruktur wie die Wasserversorgung ein.

Kriminalität

Kriminalität war ein weiteres Wahlkampfthema. Armut und die Verbreitung illegaler Waffen sind wesentliche Ursache dafür, dass Südafrika eine der höchsten Kriminalitäts- und Mordraten der Welt hat. In den Städten stellt Bandenkriminalität ein besonderes Problem dar.

Migration

Auch über die Interner Link: Migrationspolitik Südafrikas wurde im Wahlkampf gestritten. Südafrika gilt als wichtigstes Migrationsziel auf dem afrikanischen Kontinent. Auf Externer Link: Grundlage des Zensus 2022 schätzt die südafrikanische Statistikbehörde, dass offiziell rund 2,4 Millionen Migrantinnen und Migranten im Land leben – mit steigender Tendenz. Fremdenfeindliche Einstellungen aber auch Gewalt gegenüber Eingewanderten sind in Südafrika weit verbreitet. Laut einem Externer Link: Bericht von Human Rights Watch wird auch im laufenden Wahlkampf fremdenfeindliche Rhetorik verwendet. Einige Parteien treten mit dem Versprechen an, die Zuwanderung nach Südafrika stärker zu beschränken.

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