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10. Mai 1949: Parlamentarischer Rat stimmt für Bonn als provisorische Hauptstadt | Hintergrund aktuell | bpb.de

10. Mai 1949: Parlamentarischer Rat stimmt für Bonn als provisorische Hauptstadt

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Vieles sprach für Frankfurt am Main als neue westdeutsche Hauptstadt. Doch Bonn setzte sich in der Abstimmung im Parlamentarischen Rat mit knapper Mehrheit gegen Frankfurt durch.

Abfahrt! Schilder weisen den Abgeordneten des Parlamentarischen Rats den Weg zur Rheinfähre nach Bonn, September 1949. (© picture-alliance/akg)

Die Entscheidung für Bonn als Regierungssitz eines zukünftigen westdeutschen Staates fiel vor dem Hintergrund des beginnenden Interner Link: Kalten Krieges und der Interner Link: deutschen Teilung. Nach dem Ende des Interner Link: Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 wurden die deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie Polen und der Sowjetunion zugeschlagen und Deutschland von den Alliierten in vier Besatzungszonen unterteilt. Berlin teilten die vier Besatzungsmächten noch einmal separat auf. Die Alliierten konnten sich jedoch nicht auf eine einheitliche Linie in der Besatzungspolitik einigen. Während sich die drei westlichen Zonen bis 1948 schrittweise vereinigten, wurde der Gegensatz zwischen den Westzonen und der Sowjetischen Besatzungszone immer größer. Grund dafür waren die ideologischen Differenzen im heraufziehenden Systemkonflikt zwischen dem liberal-kapitalistischen Westen und dem sozialistischen Osten.

Diese Karte stammt aus den aktuellen Interner Link: Informationen zur politschen Bildung. (© mr-Kartographie, Gotha 2024)

Ende 1947 scheiterten die Gespräche zwischen den Alliierten zur Einigung in der deutschen Frage endgültig. Frankreich, Großbritannien und die USA bereiteten nun die Gründung eines westdeutschen Staates vor. Formal beschlossen wurde die Staatsgründung auf der Interner Link: Londoner Sechs-Mächte-Konferenz im Frühjahr 1948, zu der auch die Interner Link: Benelux-Staaten geladen waren. Die westdeutschen Ministerpräsidenten reagierten mit großer Skepsis auf die Entscheidung der Sechs-Mächte-Konferenz, da sie befürchteten, die deutsche Teilung durch eine Staatsgründung zu zementieren. Auf der Externer Link: Rittersturz-Konferenz in Koblenz beschlossen sie im Juli 1948 zwar die Schaffung eines Parlamentarischen Rats, der ein Grundgesetz „für die einheitliche Verwaltung des Besatzungsgebietes der Westmächte“ ausarbeiten sollte. Sie betonten jedoch sehr stark den provisorischen Charakter des neuen Systems und vermieden es, von einem Staat zu sprechen. Die Westmächte bestanden allerdings weiter auf der Schaffung eines voll funktionsfähigen Staates mit Verfassung und setzen sich damit in den Verhandlungen durch.

Eröffnung des Parlamentarischen Rats

Am 1. September 1948 trat der Interner Link: Parlamentarische Rat im Museum Koenig in Bonn zusammen. Dessen Abgeordnete waren zuvor in westdeutschen Landtagen gewählt worden. Bonn war als Tagungsort ausgewählt worden, weil es weniger zerstört war als viele andere Städte. Auch Proporzgründe spielten eine Rolle: vorige Zusammenkünfte hatten in der amerikanischen und französischen Zone stattgefunden; nun war es an den Briten, den Tagungsort zu stellen.

Im Zuge der Frage, wie das neue Staatsgebilde aufgebaut sein sollte, wurde auch über dessen Symbole debattiert. Die Politik wollte deutlich machen, dass es sich bei dem westdeutschen Staat um ein Provisorium handele, um die Einheit Deutschlands nicht zu gefährden. Schon bei der Einsetzung des Rats sprachen die Ministerpräsidenten daher vom „Grundgesetz“ statt von einer Verfassung und vom „Parlamentarischen Rat“ statt von einer Nationalversammlung.

Da geht's lang! Vier Personen informieren sich über die Adressen der neuen Bundesministerien in Bonn, September 1949. (© Bundesarchiv B 145 Bild-D00071561, Georg Munker)

Auch die Frage der Hauptstadt wurde unter diesen Vorzeichen diskutiert: die Abgeordneten wollten durch ihre Wahl nicht Berlin den Hauptstadttitel streitig machen. Der Begriff der Hauptstadt wurde daher auch zunächst nicht verwendet, stattdessen war vom „Bundessitz“ oder dem „vorläufigen Sitz der Bundesorgane“ die Rede.

Bonn und Frankfurt als Favoriten

Als Regierungssitz standen zunächst viele Orte zur Debatte, beispielsweise Bamberg, Kassel und Stuttgart. Bald jedoch kristallisierten sich zwei Hauptbewerber heraus: Bonn und Frankfurt am Main.

Für Frankfurt sprach die zentrale Lage im neuen westdeutschen Staat, aber auch historische Gründe: Hier wurden ab dem Spätmittelalter die deutschen Kaiser gekrönt. Interner Link: 1848 tagte in der Frankfurter Paulskirche die Nationalversammlung, das erste demokratisch gewählte deutsche Parlament. Frankfurt war zudem als Zentrum der Finanzindustrie auch wirtschaftlich bedeutend. Doch das erwies sich am Ende als Nachteil: Kritikerinnen und Kritiker befürchteten, dass Frankfurt aufgrund seiner Bedeutung zur ständigen Hauptstadt werden könnte.

Bau des Plenarsaals des Bonner Bundestags, 1949. (© Bundesarchiv B 145 Bild-P099042, Hanns Hubmann)

Ein wichtiger Fürsprecher für Bonn war der Vorsitzende des Parlamentarischen Rats, der frühere Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der bei der ersten Bundestagswahl 1949 auch für das Direktmandat im Wahlkreis Bonn kandidierte. Er sah den Vorteil, dass Bonn als Stadt im Rheinland seit jeher enger mit Deutschlands westlichen Nachbarn verbunden war. Für viele Befürworter symbolisierte die bis dahin eher unbedeutende Stadt den provisorischen Charakter, den der westdeutsche Staat haben sollte. Bonn versuchte zudem, Fakten zu schaffen: Schon im Februar 1949 begannen am Sitz des Parlamentarischen Rats die Bauarbeiten für das spätere Bundeshaus, das als Parlamentsgebäude dienen sollte.

Bonn wird provisorischer Regierungssitz

Am 10. Mai 1949 stimmte der Parlamentarische Rat über den „vorläufigen Sitz der Bundesorgane“ ab. In geheimer Abstimmung siegte Bonn mit 33 zu 29 Stimmen knapp gegen Frankfurt.

Das letzte Wort in der Hauptstadtfrage hatte allerdings der Bundestag. Auf der ersten Sitzung des westdeutschen Parlamentes am 7. September 1949 machte sich die SPD erneut für Frankfurt als vorläufigen Regierungssitz stark. Denn Frankfurt galt als Arbeiterstadt und SPD-Hochburg – Bonn hingegen als beschaulich-bürgerliche Stadt.

Drei Wochen später, am 30. September, wurde ein Sonderausschuss einberufen, um die Hauptstadtfrage zu klären. Am 3. November 1949 stimmte der Bundestag schließlich ab – und votierte abermals mit einem knappen Ergebnis (200 zu 176 Stimmen) für Bonn.

Eingerichtet im Provisorium?

Architektonisch blieb Bonn als Hauptstadt über viele Jahre ein Provisorium. Große Bauaktivitäten, so die Befürchtung, könnten den Status Bonns als Hauptstadt unumkehrbar festschreiben. Nach der Errichtung einiger Zweckbauten wurde daher 1956 sogar ein Baustopp für den Bund verhängt. Erst nachdem der Mauerbau in Berlin eine baldige Einheit unwahrscheinlich erscheinen ließ, wurde wieder gebaut. 1969 wurde beispielsweise ein Hochhaus für die Abgeordnetenbüros fertiggestellt – der „Lange Eugen“. Doch noch in den 1970er Jahren war man darauf bedacht, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf neue Bauvorhaben zu lenken. Der 1973 begonnene Neubau des Bundeskanzleramts wurde in „wenig transparenter, ja fast verschämter Weise“ (Andreas Wirsching) errichtet – trotz der Anerkennung Bonns als „Bundeshauptstadt“ durch Kanzler Willy Brandt im selben Jahr.

Abgrenzung von Weimar und dem Nationalsozialismus

Die Interner Link: Architektur der Bonner Republik grenzte sich durch ihre Sachlichkeit bewusst von den in Stein gehauenen Machtansprüchen der NS-Bauten ab. Auch die Stadt selbst wurde zu einem Symbol für einen anderen Weg. Durch ihre geringe Größe und die Tatsache, dass es anders als Paris oder London nicht auf eine jahrhundertelange Hauptstadttradition zurückblicken konnte, wurde Bonn nie das alleinige Zentrum der Bundesrepublik. Die kleine Großstadt am Rhein galt als ein Symbol des Föderalismus und trug dazu bei, im Ausland Vertrauen für die deutsche Demokratie und deren Ablegen von Großmachtambitionen zu schaffen.

Da sich der Bund ab 1956 einen Baustopp verordnet hatte, um Bonn weiterhin provisorische Hauptstadt bleiben zu lassen, ließ er das neue Gebäudeensemble im Bonner Tulpenfeld ab 1964 von einer großen Versicherungsgesellschaft bauen und bezog die Büroräume zur Miete. Im Hintergrund das Abgeordnetenhochhaus "Langer Eugen". (© picture-alliance, Johannes Gewiess)

Der westdeutsche Staat versuchte, sich von der Interner Link: Weimarer Republik als seiner gescheiterten demokratischen Vorgängerin abzugrenzen. Der in den 1950er Jahren geprägte Ausspruch „Bonn ist nicht Weimar“ illustriert dieses Bedürfnis. Zur Abgrenzung wurde die als überlegen geltende Verfassung, aber auch der antitotalitäre Konsens einer sich schnell etablierenden Demokratie sowie die soziale und wirtschaftliche Stabilität der Bundesrepublik herangeführt. Bonn als bis dahin recht unbedeutende Stadt am Rhein erschien hier als Gegenentwurf zum preußischen Berlin, das mit der deutschen Geschichte vom Kaiserreich bis zur NS-Diktatur verbunden war. Die Rhetorik des Neuanfangs hatte jedoch auch ihre Schattenseiten, überdeckte sie doch die personellen Kontinuitäten zum Nationalsozialismus in Politik und Justiz.

Bonn als Stadt der kurzen Wege

Durch seine Beschaulichkeit war Bonn eine Stadt der kurzen Wege. Politik und Medien saßen nah beieinander. Dies erleichterte den informellen Austausch. Besprechungen fanden in einer überschaubaren Zahl von Lokalen statt; man wusste, wer in welchen Kneipen und Restaurants zu finden war. Für Journalisten war es so ein Leichtes, Politiker für ein kurzes Gespräch abzufangen – ebenso für Regierungsvertreter, ein Stimmungsbild zu aktuellen Vorhaben einzuholen. Vertrauensbildend konnten die Zusammenkünfte auch lagerübergreifend sein. In den 1990er Jahren kam regelmäßig eine Gruppe junger Abgeordneter aus CDU und Grünen in einem italienischen Restaurant zusammen. Dieser als „Pizza-Connection“ bekannte Gesprächskreis bereitete nach Ansicht von Zeitgenossen den Weg für eine spätere Zusammenarbeit der Parteien.

1991: Berlin wird neue Hauptstadt

Nach der deutschen Wiedervereinigung stellte sich die Hauptstadtfrage erneut. 1991 stimmte der Bundestag nach einer langen und emotionalen Debatte erneut ab. Auch dieses Mal gab es ein knappes Ergebnis, das nun allerdings zu Ungunsten von Bonn ausfiel: Am 20. Juni 1991 votierte der Bundestag mit 338 zu 320 Stimmen für Berlin als neue gesamtdeutsche Hauptstadt. Das Berlin/Bonn-Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses wurde 1994 verabschiedet. Parlament und Regierung zogen 1999 nach Berlin, der Bundesrat folgt im Jahr 2000.

Um Bonn für den Wegfall des Hauptstadtstatus zu entschädigen, wurde im Berlin/Bonn-Gesetz festgelegt, dass ein Teil der Bundesverwaltung in Bonn verbleiben sollte. Gestärkt wurde die Stadt zudem durch finanzielle Zuwendungen. Aktuell haben noch sechs Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn. Die Ansiedlung eines Standorts der Vereinten Nationen sowie der Zentralen der privatisierten Post und Telekom sicherten die „Bundesstadt“ wirtschaftlich ab. Der befürchtete wirtschaftliche Niedergang ist ausgeblieben: heute zählt Bonn mehr Einwohnerinnen und Einwohner als zur Zeit der Wiedervereinigung.

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