Was ist die Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden?
In Deutschland unterhalten der Bund sowie die 16 Bundesländer eigene
Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand der Bundesrepublik oder eines Landes oder Bestrebungen gegen die Verfassungsorgane (z.B. Bundestag, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht)
geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht
gewaltsame Gefährdungsversuche von auswärtigen Belangen der Bundesrepublik Deutschland. Gemeint ist zum Beispiel die Unterstützung einer militanten Organisation, die die Beziehung der Bundesrepublik zu einem anderen Staat gefährdet.
Aktivitäten gegen das friedliche Zusammenleben der Völker
Die Verfassungsschutzbehörden können dann tätig werden, wenn sich solche Vorgänge im Inland – also im Geltungsbereich des Grundgesetzes – ereignen. Außerdem überprüfen sie auch beispielsweise Menschen, die im Auftrag des Staates mit sicherheitsrelevanten Informationen in Kontakt kommen.
Was ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung?
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist kein Gesetz. Gemeint sind damit die wichtigsten Werte und Prinzipien der Demokratie. Paragraph 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes listet auf, was in der Bundesrepublik unter anderem zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört:
Die im Grundgesetz aufgeführten Menschenrechte
Das Recht des Volkes, die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu bestimmen
Das Recht, eine parlamentarische Opposition zur bestehenden Regierung zu bilden
Die Unabhängigkeit der Gerichte
Ausschluss von Gewalt- und Willkürherrschaft
Die Ablösbarkeit der Regierung
Was bedeutet „Beobachtung durch den Verfassungsschutz“?
Die Verfassungsschutzbehörden dürfen Einzelpersonen oder Gruppen beobachten. Dazu müssen „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, dass ihre Handlungen die freiheitlich demokratische Grundordnung Interner Link: oder ein anderes Schutzgut verletzen können. Hierzu müssen objektive Fakten vorliegen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass Menschen keine radikalen Meinungen haben dürfen. Das Grundgesetz verpflichte Menschen zur Gesetzestreue, nicht aber zur Werteloyalität. So sei es legitim, die Demokratie für die falsche Staatsform zu halten, schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz: „Radikale Ansichten kritischer Bürgerinnen und Bürger geben dem Verfassungsschutz keinen Anlass, aktiv zu werden. Sie fallen unter die Meinungsfreiheit.“ Aktiv wird der Verfassungsschutz, wenn das Verhalten das staatliche Gefüge gefährdet. Wenn also eine radikale Meinung zu einer extremistischen Bestrebung wurde.
In diesem Fall dürfen die Verfassungsschutzbehörden Informationen sammeln. Hierzu nutzen sie öffentlich zugängliche Quellen und unter besonderen Voraussetzungen nachrichtendienstliche Methoden.
Zu den öffentlich zugänglichen Quellen gehören:
Auswertung von Zeitungsberichten und Social-Media-Beiträgen
Auswertung von Parteiprogrammen und Satzungen
Besuch von Veranstaltungen und offene Befragung von Besuchern
Zu den nachrichtendienstlichen Methoden gehören:
Verdeckte Beobachtung von Personen (Observation)
Arbeit mit Vertrauenspersonen (V-Leuten)
Überwachung der Kommunikation (z.B. Telefonüberwachung)
Verdeckte Beobachtung der Internetnutzung
Die Beobachtung gliedert sich in drei Phasen: „Prüffall“, „Verdachtsfall“ und „erwiesen extremistische Bestrebung“. Die Verfassungsschutzbehörden in den Ländern weichen zum Teil von diesem Schema ab, verwenden andere Begriffe oder sind auf Basis von Landesgesetzen anderen Detailregelungen unterworfen. Wie lange die Phasen jeweils dauern dürfen, ist in den Gesetzen nicht einheitlich geregelt.
Was ist ein Prüffall?
In einer Vorprüfung untersuchen die Verfassungsschutzbehörden, ob ausreichend Anhaltspunkte vorliegen, damit eine Einzelperson oder eine Organisation tiefer beobachtet werden darf. In der Phase des Prüffalls dürfen die Behörden nur öffentlich zugängliche Quellen für ihre Beurteilung verwenden.
Die Öffentlichkeit wird hierüber nicht informiert. Zwar sind die Verfassungsschutzbehörden laut Artikel 16 des Bundesverfassungsschutzgesetzes verpflichtet, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu informieren. Die Bezeichnung als „Prüffall“ übe jedoch eine negative Wirkung auf die so bezeichnete Organisation aus und gefährde damit bei einer politischen Partei die Chancengleichheit bei Wahlen, stellte das Verwaltungsgericht Köln in einem Externer Link: Urteil von Februar 2019 fest. Da es für den „Prüffall“ keine gesetzliche Regelung gebe, dürfe diese interne Einstufung nicht veröffentlicht werden.
Was ist ein Verdachtsfall?
Wenn sich über einen längeren Zeitraum die Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen erhärten, kann eine Gruppierung als „Verdachtsfall“ eingestuft werden und wird damit zu einem „Beobachtungsobjekt“. Nun dürfen die Behörden auch nachrichtendienstliche Methoden zur Gewinnung von Informationen anwenden. Verdachtsfälle werden im Bund und in den meisten Ländern explizit in den
Was bedeutet „gesichert extremistisch“?
Wenn eine Gruppierung als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird, gibt es für die jeweilige Verfassungsschutzbehörde keinen Zweifel mehr daran, dass die Organisation sich aktiv für die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzt – oder etwa gegen den Bestand des Bundes oder das friedliche Zusammenleben der Völker.
Was bedeutet es für eine Organisation, wenn sie als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird?
Es gibt keine zwingenden Konsequenzen, die daraus folgen. Die Verfassungsschutzbehörden sammeln Informationen, sie sind jedoch keine Strafverfolgungsbehörden. Ihre Informationen leiten sie an die Bundesregierung und die Landesregierungen sowie an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter und erstatten gegenüber den Parlamenten und der Öffentlichkeit Bericht.
Für das Verbot einer politischen Partei oder eines Vereins sind die juristischen Hürden hoch. Politische Parteien darf in Deutschland nur das Bundesverfassungsgericht verbieten. Beantragen dürfen das nur Bundestag, Bundesrat sowie die Bundesregierung. Vereine auf Bundesebene darf das Bundesinnenministerium verbieten, für Vereine auf Landesebene sind die jeweiligen Landesministerien zuständig. Geregelt ist dies im Externer Link: Vereinsgesetz.
Unmittelbarere Konsequenzen kann die Einstufung hingegen für Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten sowie Richterinnen und Richter haben. Sie haben die Pflicht, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen. Ob die Mitgliedschaft eines Beamten oder einer Beamtin in einer als „gesichert extremistisch“ eingestuften Organisation damit zu vereinbaren ist, ist zweifelhaft. Untersucht werden kann dies in einem Disziplinarverfahren. Als mögliche Konsequenzen gibt es Verweise, Geldbußen, eine Kürzung der Dienstbezüge, eine Zurückstufung oder das Ende des Beamtenverhältnisses.
Können sich Parteien gegen die Beobachtung oder die Einstufung wehren?
Die Verfassungsschutzbehörden agieren auf gesetzlicher Grundlage. Wenn das aus Sicht einer Partei oder Organisation nicht der Fall ist, kann sie dagegen juristisch vorgehen. Dann entscheidet ein Gericht, ob beispielsweise die Anhaltspunkte ausreichend sind, um die Partei oder Organisation als „Verdachtsfall“ einzustufen.
Was sind die Verfassungsschutzberichte?
Verfassungsschutzbehörden sind verpflichtet, die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit zu informieren. So sollen Politik und Gesellschaft auf mögliche Gefahren aufmerksam gemacht werden. Laut Artikel 16 des Bundesverfassungsschutzgesetzes muss das Bundesamt einmal im Jahr einen „zusammenfassenden Bericht“ vorlegen. Darin werden vor allem aktuelle Entwicklungen zusammengefasst. Der Externer Link: Verfassungsschutzbericht 2022 enthält unter anderem Informationen über Links- und Rechtsextremismus, islamistischen Terrorismus sowie über Reichsbürger, Cyberangriffe und Spionage. Außerdem müssen Angaben über die Höhe der Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt sowie über die Anzahl der Mitarbeitenden enthalten sein.