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100 Jahre Interpol

Redaktion

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Seit einem Jahrhundert unterstützt Interpol nationale Polizeibehörden im Kampf gegen internationale Kriminalität. Wie funktioniert Interpol und welche Kritik gibt es an der Organisation?

Weltweite Ermittlungen: Interpol koordiniert internationale Fahndungen, wie hier bei der Verhaftung von Mitgliedern eines Drogenkartells in Bogota, Kolumbien, Anfang Juli 2022. (© picture-alliance, NurPhoto | Sebastian Barros)

Die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation (kurz: IKPO oder Interner Link: Interpol) wurde 1923 gegründet, um die Arbeit nationaler Polizeibehörden international zu vernetzen. Interpol hat 195 Mitgliedsstaaten und gehört damit zu den größten zwischenstaatlichen Vereinigungen der Welt. Ihr liegt jedoch kein völkerrechtlicher Vertrag zugrunde: Aus rechtlicher Sicht ist die Organisation ein Verein, eingetragen nach französischem Privatrecht. Die Arbeitsweise des Vereins ist in Statuten geregelt.

Die rund 1.000 Interpol-Mitarbeitenden aus 120 Staaten haben keine Befugnisse zur Strafverfolgung. Diese ist den nationalen Polizeibeamtinnen und -beamten auf Grundlage des jeweiligen nationalen Rechtsrahmens vorbehalten. Deren Zusammenarbeit mit Interpol ist auf strafrechtlich relevante Delikte beschränkt und umfasst etwa den Vollzug internationaler Haftbefehle oder die Pflege gemeinsamer Datenbanken.

Interpols Gründungsgeschichte

Die Geschichte der internationalen Polizeizusammenarbeit reicht zurück bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Mit fortschreitender Industrialisierung agierten Straftäter und Verbrecherorganisationen zunehmend international. Die Kompetenzen der Polizeibehörden endeten jedoch an den jeweiligen Landesgrenzen.

1914 diskutierten Expertinnen und Experten aus mehr als 20 Ländern in Monaco, wie eine mögliche Zusammenarbeit verschiedener Polizeibehörden aussehen könnte. Bei dem Treffen erarbeiteten sie erste Vorschläge für eine grenzüberschreitende Aktensammlung und ein gemeinsames Auslieferungsverfahren. Doch der Interner Link: Beginn des Ersten Weltkriegs verhinderte die geplante Zusammenarbeit.

Erst nach dem Krieg – auf einem Kongress in Wien am 7. September 1923 – beschlossen 20 Staaten die Gründung der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (IKPK). Unter den Gründungsstaaten waren vor allem europäische Staaten wie Deutschland und Frankreich, aber auch die USA, Ägypten und Japan. Zehn Jahre später umfasste die Karteikartensammlung von Interpol bereits über 3.200 gesuchte mutmaßliche Verbrecher.

Im Interner Link: Zweiten Weltkrieg übernahmen die Nationalsozialisten die IKPK und verlegten das Hauptquartier von Wien nach Berlin. Die Zusammenarbeit kam zum Erliegen. Nach Kriegsende einigte man sich 1946 auf einer Generalversammlung in Brüssel darauf, dass der Sitz der IKPK nach Frankreich verlegt und als Akronym "Interpol" genutzt werden sollte. 1956 wurde die Organisation dann noch einmal grundlegend reformiert und in "Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation" (IKPO) umbenannt. Seit 1989 liegt die Zentrale von Interpol im französischen Lyon.

Schnittstelle der nationalen Polizeibehörden

Interpol agiert als Schnittstelle der nationalen Polizeibehörden. Die Organisation selbst hat keine polizeilichen Hoheitsrechte in den jeweiligen Nationalstaaten. Die Mitarbeitenden von Interpol koordinieren die Bemühungen nationaler Sicherheitsbehörden, internationale Kriminalität zu bekämpfen oder mutmaßliche Straftäter festzunehmen.

Wie ist Interpol organisiert?

Wichtigstes Gremium von Interpol ist die jährlich tagende Generalversammlung. Ihr obliegt neben der Wahl von Funktionären insbesondere das Treffen von strategischen und organisatorischen Grundsatz- und Budgetentscheidungen. Sie besteht aus Vertreterinnen und Vertretern aller 195 Mitgliedstaaten, meistens aus Sicherheitsbehörden oder Ministerien.

Der Generalsekretär ist für das operative Tagesgeschäft von Interpol verantwortlich. Er wird für einen Zeitraum von fünf Jahren von der Generalversammlung ernannt und kann einmal wiederernannt werden. Vorgeschlagen wird der Generalsekretär vom Exekutivkomitee. Seit 2015 ist der Deutsche Jürgen Stock, ehemaliger Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA), Generalsekretär von Interpol.

Der Präsident, der alle vier Jahre von der Generalversammlung gewählt wird, hat den Vorsitz bei Sitzungen der Generalversammlung und sitzt dem Exekutivkomitee vor. Das Amt wird ehrenamtlich ausgeführt.

Das 13-köpfige Exekutivkomitee aus dem Präsidenten, drei Vizepräsidenten und neun Delegierten der Generalversammlung überwacht die Entscheidungen der Generalversammlung und die Geschäftsführung des Generalsekretärs. Das Exekutivkomitee tagt dreimal im Jahr. Seine Delegierten stammen aus einzelnen Mitgliedstaaten und werden für drei Jahre von der Generalversammlung gewählt.

In jedem Land gibt es ein nationales Zentralbüro, das die Zusammenarbeit koordiniert: In Deutschland ist dieses beim Interner Link: Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelt. Es steuert beispielsweise die Fahndungsaufrufe von Interpol. Diese sogenannten Ausschreibungen ("Notices") stellen hierzulande jedoch keine Rechtsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen dar. Das BKA muss deshalb jede Fahndung und Verhaftung vor deren Vollzug auf ihre Vereinbarkeit mit deutschem Recht prüfen.

Was bedeuten die verschiedenfarbigen "Notices"?

Die weltweiten Fahndungen nach Personen und Gegenständen werden mit sogenannten Notices gesteuert. Die Ausschreibungen werden in sieben Farben unterteilt:

Rot: Gesuchte Personen – Ermittlung des Aufenthaltsorts und vorläufige Festnahme (2022: 11.282 rote Ausschreibungen)

Gelb: Unterstützung bei der Suche nach vermissten Personen oder Identifizierung von Personen, die sich nicht ausweisen können (2022: 2.916 gelbe Ausschreibungen)

Blau: Sammeln von zusätzlichen Informationen zur Identität, zum Standort oder zu Aktivitäten einer Person im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Untersuchung (2022: 4.073 blaue Ausschreibungen)

Schwarz: Suche nach Informationen über nicht identifizierte Leichen (2022: 167 schwarze Ausschreibungen)

Grün: Warnung vor potentieller krimineller Aktivität einer Person, wenn diese als mögliche Bedrohung für die öffentliche Sicherheit gesehen wird (2022: 607 grüne Ausschreibungen)

Orange: Warnung vor einem Ereignis, einer Person, einem Gegenstand oder einem Prozess mit ernsthafter und unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (2022: 43 orange Ausschreibungen)

Lila: Suche oder Bereitstellung von Informationen über die Vorgehensweise, Gegenstände, Geräte und Verschleierungsmethoden von Kriminellen (2022: 101 lila Ausschreibungen)

Zusätzlich gibt es noch Sonderausschreibungen von Interpol und dem UN-Sicherheitsrat, die über Personen oder Organisationen unterrichten, gegen die der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verhängt hat (2022: 6 Sonderausschreibungen).

Interpol unterstützt die Polizeibehörden der Mitgliedsländer auch mit kriminalistischen Analysen und Lagebildern. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Organisation 19 Datenbanken angelegt. Dafür stellen die Mitgliedsstaaten freiwillig Informationen zu Verfügung. Gespeichert sind unter anderem Millionen DNA-Profile oder Fingerabdrücke früherer Straftäterinnen, Straftäter oder Verdächtiger. Auch gibt es Archive über gestohlene Reisedokumente und Führerscheine, vermisste Kunstgegenstände und anderes Diebesgut sowie Schusswaffen. Hinzu kommen weitere Datensammlungen, etwa eine Bilddatenbank für den Bereich Kinderpornografie.

Finanzierung und Kritik an Interpol

Interpol wird durch die Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten und freiwillige Zahlungen von Behörden, Organisationen, Stiftungen und privaten Einrichtungen finanziert. Seit 2011 stieg der Zufluss von solchen Drittmitteln an: Von den 155 Millionen Euro, die Interpol im Jahr 2022 als Einnahmen verbuchte, stammten 69 Millionen Euro und damit weit weniger als die Hälfte aus Externer Link: Beitragszahlungen der Mitglieder. Nach Angaben von Interpol stammen auch der Großteil der freiwilligen Zahlungen von staatlichen Organisationen.

Kritik gab es in den vergangenen Jahren vor allem an der Zusammenarbeit von Interpol mit privaten Firmen und Organisationen. Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler warfen Interpol unter anderem fehlende Unabhängigkeit und Interessenkonflikte durch die Zusammenarbeit mit dem Interner Link: in der Kritik stehenden Weltfußballverband Fifa vor. Interpol erhielt von der Fifa Geld zur Bekämpfung von Wettbetrug. 2015 beendete Interpol die Zusammenarbeit, nachdem im Zuge einer Korruptionsaffäre international nach Fifa-Funktionären gefahndet wurde.

Kritik gab es auch an der Besetzung von Interpol-Führungsämtern. 1968 bis 1972 war der ehemalige SS-Untersturmführer und damalige BKA-Präsident Paul Dickopf Präsident der Organisation. Für Aufsehen sorgte 2018 der Fall des damaligen Interpol-Präsidenten Meng Hongwei, der in seinem Heimatland China unerwartet verhaftet und 2019 wegen Korruptionsvorwürfen zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Gegen die Wahl des amtierenden Präsidenten Ahmed Nasser Al-Raisi 2021 gab es internationale Kritik: Ihm wird vorgeworfen, als Polizeigeneral in den Vereinigten Arabischen Emiraten für Folter und Menschenrechtsverstöße verantwortlich zu sein.

Kritikerinnen und Kritiker bemängeln außerdem einen zu großen Einfluss Interner Link: autoritärer Staaten auf Interpol. Länder würden rote Ausschreibungen missbräuchlich benutzen, um politische Gegnerinnen und Gegner zu verfolgen. Eine "Red Notice" ist ein Ersuchen eines Mitgliedstaats, den Aufenthaltsort von Personen zu ermitteln und sie vorläufig festzunehmen. Grundlage ist ein nationaler Haftbefehl, der an alle Polizeibehörden weltweit geht.

Für Schlagzeilen sorgte etwa der Fall des inzwischen verstorbenen deutschen Buchautors Doğan Akhanlı. Der Erdoğan-kritische Schriftsteller mit türkischen Wurzeln war 2017 in Spanien auf Grund einer "Red Notice" der Türkei festgenommen worden. Auch die deutsche Bundesregierung warf der türkischen Regierung damals eine politische Instrumentalisierung Interpols vor. Die spanische Regierung lieferte Akhanlı nicht an die Türkei aus.

Erfolge von Interpol

Mit Interpols internationalen Fahndungsnotierungen wurden unter anderem zahlreiche Sexual- und Gewaltstraftäterinnen und -straftäter gefasst. Besonderer Aufmerksamkeit gilt nach wie vor der "klassischen" Interner Link: organisierten transnationalen Kriminalität. Im März und April 2023 lief in Lateinamerika beispielweise die nach Interpol-Angaben größte koordinierte Operation gegen illegale Schusswaffen. Dabei sollen über 14.000 Verdächtige festgenommen sowie mehr als 8.000 illegale Waffen und Drogen im Wert von 5,7 Milliarden US-Dollar beschlagnahmt worden sein. Zuletzt hat auch die Bekämpfung von Terrorismus und Interner Link: Cyberkriminalität an Bedeutung gewonnen.

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