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Der 17. Juni 1953 im Überblick | Hintergrund aktuell | bpb.de

Der 17. Juni 1953 im Überblick

Redaktion

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Vor 70 Jahren kam es zum landesweiten Volksaufstand in der DDR. Hier finden Sie kurz und bündig Fragen und Antworten zu den Hintergründen des 17. Juni 1953.

Zwei Demonstranten werfen am 17. Juni 1953 Steine auf sowjetische Panzer auf dem Leipziger Platz in Ost-Berlin. Dieses bekannte Schlüsselbild des Aufstandes von Wolfgang Albrecht wird oft verwendet, um die Proteste zu illustrieren. Es spielt mit dem Machtungleichgewicht der Situation und transportiert ein immer wiederkehrendes Narrativ von den Protesten: das mutige Aufbegehren des Volkes gegen die rohe Staatsgewalt. (© picture-alliance/AP)

Was ist am 17. Juni 1953 passiert?

Die Menschen in der DDR erhoben sich gegen staatliche Willkür und Unterdrückung. Was zunächst als Aufstand der Interner Link: Arbeiterinnen und Arbeiter und mit Unruhen auf dem Land begann, entwickelte sich zu landesweiten, spontanen Massenprotesten gegen die DDR-Regierung. Die Interner Link: Sozialistische Einheitspartei (SED) schlug die Demonstrationen mithilfe des sowjetischen Militärs gewaltvoll nieder. Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 war die erste Massenerhebung im Machtbereich der Sowjetunion.

Wie kam es zum Aufstand?

Die DDR kämpfte seit ihrer Gründung mit innenpolitischen Problemen. Die hohen Reparationszahlungen an die Sowjetunion belasteten ihre wirtschaftliche Entwicklung. Um dem entgegenzuwirken, beschloss die SED auf ihrer zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 den Aufbau des Sozialismus nach sowjetischem Vorbild: Betriebe wurden Interner Link: verstaatlicht, dieInterner Link: Landwirtschaft zu Kollektiven zusammengeschlossen. Parallel wurde die Abschottung der DDR vom Westen Deutschlands vorangetrieben. Die Bevölkerung litt im Vergleich zur Bundesrepublik unter Versorgungsengpässen und Lebensmittelrationierungen, da die Regierung den Wiederaufbau des Militärs und der Schwerindustrie der Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie vorzog. Allein im Jahr 1952 Externer Link: verließen 182.000 Ostdeutsche die DDR, 1953 waren es bis Ende Mai knapp 186.000. Der DDR-Wirtschaft mangelte es an Arbeitskräften. Die SED-Führung reagierte auf diese ökonomische Krise am 28. Mai 1953 mit einem Beschluss zur Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent. Mehr Arbeit für einen gleichbleibenden Lohn – das rief Unmut bei Arbeiterinnen und Arbeitern hervor, der auch nicht durch die Rücknahme der Normerhöhung am 16. Juni 1953 besänftigt wurde.

Wer demonstrierte?

Am Volksaufstand beteiligten sich alle Schichten der DDR-Bevölkerung. Männer und Interner Link: Frauen agierten in unterschiedlichen Rollen und beeinflussten mit ihren Handlungsentscheidungen die Ereignisse. Auch viele Externer Link: Jugendliche schlossen sich den Demonstrationen an.

Wo gingen die Menschen auf die Straße und wie viele waren es?

Der Aufstand fand sowohl in den größeren Städten wie Ost-Berlin oder Leipzig, als auch auf dem Land statt. Bereits ab dem 12. Juni 1953 zeigten Teile der Landbevölkerung öffentlich Unmut über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Am 15. und 16. Juni streikten Arbeiterinnen und Arbeiter auf Großbaustellen in Ost-Berlin. Für den darauffolgenden Tag riefen sie zum Generalstreik auf. Immer mehr Menschen schlossen sich an, um ihre Unzufriedenheit über die herrschenden Zustände zu äußern. Insgesamt beteiligten sich rund eine Millionen Menschen in über 700 Städten und Gemeinden der DDR an den Demonstrationen und Streiks. Die stärksten Streikbewegungen konzentrierten sich auf die Industriezentren Halle, Merseburg und Magdeburg sowie auf den Industriebezirk Leipzig und Ost-Berliner Betriebe. Mobilisiert durch die Geschehnisse am 17. Juni 1953 in den Städten kam es bis zum 21. Juni 1953 zu Arbeitsniederlegungen und Austritten aus den LPG in mindestens 302 Dörfern.

Was forderten die Menschen?

Zunächst wandten sich die Protestierenden gegen die Zwangsmaßnahmen in der Landwirtschaft und die Erhöhung der Arbeitsnormen der Parteiführung. Doch bald brach sich auch grundsätzliche Kritik an der Politik der Machthaber Bahn: Die Menschen forderten den Rücktritt der Regierung, freie und geheime Wahlen sowie die Einheit Deutschlands.

Wie verlief der Aufstand am 17. Juni 1953?

Bereits am frühen Morgen des 17. Junis formten sich Demonstrationszüge. Die Demonstrierenden erstürmten in einer Reihe von Städten Interner Link: Haftanstalten, Polizeidienststellen sowie Räume der Staatssicherheit (Ministerium für Staatssicherheit, Mfs), der Stadtverwaltungen und der SED. Sie verwüsteten die Einrichtungen, verprügelten Staatsbedienstete. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Gebäude und Fahrzeuge wurden im Protest angezündet. Es fielen Schüsse. Die mangelhaft ausgerüsteten Polizei- und Sicherheitskräfte hatten die Lage bald nicht mehr unter Kontrolle. Im Laufe des Tages griffen sowjetische Truppen ein. In Interner Link: Ost-Berlin etwa rollten gegen 11.30 Uhr sowjetische Panzer Richtung Stadtzentrum.

Wie verbreiteten sich die Informationen über die Geschehnisse?

Die DDR-Medien ignorierten in ihrer Berichterstattung die sich formierenden Proteste. Informationen bekam die Bevölkerung vor allem über die amerikanische Rundfunkanstalt „Rundfunk im amerikanischen Sektor“, kurz Interner Link: RIAS. Der Sender, der auch in weiten Teilen der DDR zu empfangen war, berichtete bereits vor dem 17. Juni von geplanten Streiks und Demonstrationen. Am Tag des Volksaufstands widmete sich der RIAS vollständig den Geschehnissen in der DDR und wurde damit zum Katalysator des Aufstandes. Die anderen Nachrichtenagenturen des Westens hielten sich zunächst mit ihrer Berichterstattung zurück, denn sie zweifelten am Wahrheitsgehalt der Geschehnisse. Die RIAS-Berichterstattung war eine Gratwanderung, denn eine Einflussnahme des Westens auf die Geschehnisse im sowjetischen Machtbereich war riskant.

Wie wurde der Aufstand beendet?

Die sowjetische Besatzungsmacht verhängte am Nachmittag des 17. Juni über 167 der 217 Land- und Stadtkreise den Ausnahmezustand. Damit herrschte Kriegsrecht und die Sowjetunion übernahm die oberste Befehlsgewalt. Demonstrationen und Versammlungen wurden verboten. Mit Hilfe der Volkspolizei schlug das sowjetische Militär die Erhebung gewaltsam nieder. Zwischen 21 und 5 Uhr herrschte landesweit Ausgangssperre. Die Westmächte griffen nicht ein.

Wie lange hielt der Ausnahmezustand an?

Am 25. und 29. Juni 1953 hob die sowjetische Besatzungsmacht den Ausnahmezustand für viele Regionen in der DDR auf. In einigen Städten blieb der Ausnahmezustand weiterhin bestehen, beispielsweise galt er für die Stadt Leipzig bis zum 11. Juli 1953.

Wie viele Tote gab es am 17. Juni 1953?

Durch Quellen lassen sich Interner Link: mindestens 55 Todesopfer nachweisen:

  • „34 Demonstranten, Passanten und Zuschauer wurden am 17. Juni und den Tagen danach (bis zum 23. Juni) von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten erschossen bzw. starben an den Folgen der ihnen zugefügten Schussverletzungen

  • fünf Männer wurden von Instanzen der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zum Tode verurteilt und hingerichtet

  • zwei Todesurteile wurden von DDR-Gerichten verhängt und vollstreckt

  • vier Personen starben in Folge menschenunwürdiger Haftbedingungen

  • vier in Zusammenhang mit dem Juni-Aufstand Festgenommene begingen in der (Untersuchungs-)Haft Selbstmord, wobei zumindest in zwei Fällen Fremdeinwirkung nicht auszuschließen ist

  • ein Demonstrant verstarb beim Sturm auf ein Volkspolizei-Revier an Herzversagen

  • fünf Angehörige der DDR-Sicherheitsorgane wurden getötet: zwei Volkspolizisten und ein MfS-Mitarbeiter bei der Verteidigung eines Gefängnisses von Unbekannten erschossen, ein Mitarbeiter des Betriebsschutzes von einer wütenden Menge erschlagen und ein weiterer Volkspolizist versehentlich von sowjetischen Soldaten erschossen.

Von 25 weiteren, vermeintlichen und ungeklärten Todesfällen ist bei sieben Personen belegt, dass sie nicht im Zusammenhang mit dem Volksaufstand ums Leben kamen. Wegen angeblicher Befehlsverweigerung sollen in Berlin und Biederitz bei Magdeburg angeblich 41 sowjetische Soldaten erschossen worden sein. Dazu konnten bisher keine gesicherten Hinweise gefunden werden. Dem aktuellen Forschungsstand zufolge handelt es sich um eine Legende des Kalten Krieges.“

Was waren die Folgen des Aufstands?

In Folge des Aufstands kam es zur größten Festnahmewelle in der 40-jährigen DDR-Geschichte. In weniger als drei Wochen wurden etwa 10.000 Menschen festgenommen. Neben den DDR-Gerichten führten sowjetische Militärtribunale die Prozesse. Bis 1955 wurden 1.800 Protestierende zu Freiheitsstrafen in Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern verurteilt. Es wurden außerdem zwei Todesurteile durch die DDR-Gerichte und fünf von Instanzen der sowjetischen Besatzungstruppen verhängt. Viele Menschen sahen sich in der Folge wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Beteiligung an den Protesten zahlreichen Repressalien ausgesetzt und ihre beruflichen und privaten Lebenswege wurden nachhaltig zerstört. Kritiker in den eigenen Reihen wurden von der SED-Führung aus Führungspositionen und der Partei ausgeschlossen. Von Juli 1953 bis März 1954 betraf das über 23.000 SED-Mitglieder. Außerdem zog der Aufstand langfristig eine Interner Link: Neuordnung der militärischen Machtstrukturen nach sich.

Wie ist man mit dem Jahrestag in der DDR und der Bundesrepublik umgegangen?

In der Bundesrepublik und in der DDR nutzte man verschiedene IInterner Link: nterpretationen der Geschehnisse des 17. Juni 1953 für ideologische Zwecke: Die Bundesrepublik rechtfertigte mit dem Volkaufstand ihren eingeschlagenen Kurs. Mit der Westbindung wollte man der kommunistischen Bedrohung entgegenwirken. In den Aufständen sah man den Willen zur Wiedervereinigung. Der Deutsche Bundestag erklärte den 17. Juni bereits am 3. Juli 1953 zum Tag der deutschen Einheit, einem gesetzlichen Feiertag. Mit Propaganda, Medienberichten und der Legende vom "Tag X" wurde von der SED und ihren Gefolgsorganisationen hingegen ein ganz anderes Bild gezeichnet, die Aufstände wurden als "faschistischer Putsch" und "Konterrevolution" diffamiert. Das tatsächliche Ausmaß des Aufstandes wurde vertuscht.

Gab es noch andere Aufstände im sowjetischen Machtbereich?

Der Volksaufstand in der DDR war die erste, nicht aber die einzige Massenerhebung im Einflussgebiet der Sowjetunion. Es folgten Interner Link: Proteste in Polen und Ungarn 1956, der Interner Link: Dezember-Aufstand in Polen 1970, die Streikbewegungen 1980/81 in Polen und 1989 der Interner Link: Generalstreik in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik.

Seit wann ist der 17. Juni kein Feiertag mehr?

Mit dem Einigungsvertrag von 1990 erklärte man den 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit zum Nationalfeiertag. Der 17. Juni wurde als gesetzlicher Feiertag gestrichen, blieb aber nationaler Gedenktag.

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