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Vor 25 Jahren: Referenden zum Karfreitagsabkommen | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 25 Jahren: Referenden zum Karfreitagsabkommen

Redaktion

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Am 22. Mai 1998 stimmten die Wählerinnen und Wähler in Nordirland und der Republik Irland jeweils mit großer Mehrheit für die Annahme des im Monat zuvor unterzeichneten Abkommens von Belfast, das den drei Jahrzehnte währenden Bürgerkrieg in Nordirland beenden sollte. Zwei maßgeblich beteiligte Politiker wurden für das Erreichen des Abkommens mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Frieden selbst indes blieb fragil. Und nach dem Brexit ist eine Wiedervereinigung Irlands nicht auszuschließen.

Ein "Ja"-Anhänger schreit seine Zustimmung zum Ergebnis des Referendums. Sowohl in Nordirland als auch in der Republik Irland stimmten die Wählerinnen und Wähler am 22. Mai 1998 mit großer Mehrheit für das Friedensabkommen. (© picture-alliance/AP, Max Nash)

Ursprünge des Konflikts und Beginn der "Troubles"

Mit dem 1998 unterzeichneten Karfreitagsabkommen (engl. "Good Friday Agreement") zwischen Irland, dem Vereinigten Königreich und acht nordirischen Parteien wurde der über drei Jahrzehnte dauernde Bürgerkrieg in Nordirland (engl. "Troubles") beendet. Seit 1968 hatte es immer wieder Ausschreitungen bei Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Unionisten und katholischen Republikanern sowie staatlichen Sicherheitskräften in Nordirland gegeben. Sie eskalierten 1969 in einer drei Tage währenden Straßenschlacht zwischen Unionisten und Republikarnern. Diese Interner Link: "Battle of the Bogside" setzte eine jahrzehntelange Gewaltspirale in Gang. Einer der Hauptstreitpunkte im Konflikt war die territoriale Zugehörigkeit Nordirlands: während die Unionisten am Verbleib im Vereinigten Königreich festhielten, kämpften die Republikaner für eine Vereinigung mit der Republik Irland. Beide Seiten bildeten paramilitärische Verbände. Besonders bekannt wurde die Interner Link: "Irish Republican Army" (IRA) als Hauptgruppe der republikanischen Seite.

Die Ursprünge des Konflikts in Nordirland reichen bis in das frühe 17. Jahrhundert zurück, als im nordöstlichen Teil der traditionell katholisch geprägten irischen Insel systematisch protestantische Engländer und Schotten angesiedelt wurden. Einheimische wurden zu diesem Zweck wo nötig enteignet. 1921/22 wurde die Insel politisch geteilt – in den katholischen "Free State" Irland im Süden sowie das bis heute zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland im Nordosten, wo die protestantische Mehrheit die politischen Institutionen kontrollierte. Der "Free State" Irland verblieb zunächst mit einigen Autonomierechten ausgestattet im britischen Empire. Externer Link: 1949 erklärte er sich als Republik Irland für unabhängig, schied aus dem Interner Link: Commonwealth aus und löste sich damit endgültig von der britischen Krone.

Die verbliebene katholische Minderheit in Nordirland wurde lange politisch wie wirtschaftlich systematisch diskriminiert. In Derry/Londonderry etwa wurde durch gezieltes Zuschneiden der Wahlkreise sichergestellt, dass trotz einer katholischen Bevölkerungsmehrheit eine protestantische Mehrheit im Stadtparlament vertreten war. Von hier nahmen 1969 mit dem "Battle of the Bogside" schließlich auch die "Troubles" ihren Ausgang. Drei Jahre später stand Derry abermals im Zentrum des Konflikts: Im Januar 1972 wurden hier am Interner Link: "Bloody Sunday" 13 Demonstrierende von Soldaten erschossen. Am Interner Link: "Bloody Friday" in Belfast im Juli desselben Jahres starben bei Vergeltungsaktionen der "Irish Republican Army" (IRA) neun Menschen, 130 wurden verletzt.

Externer Link: 1972 war mit 480 Todesopfern das blutigste Jahr der "Troubles", Externer Link: bei denen es bis 1998 insgesamt über 15.000 Bomben- und knapp 2.200 Brandanschläge sowie fast 21.000 bewaffnete Überfälle gab. Externer Link: Etwa 3.500 Menschen kamen bis 1998 ums Leben.

Die zwei Verträge des Karfreitagsabkommens

Schon vor dem Karfreitagsabkommen hatte es Bemühungen gegeben, den Konflikt in Nordirland zu befrieden. Diese brachten aber lange nicht den gewünschten Erfolg. Nach einem Waffenstillstand Mitte der 1990er Jahre begannen 1996 die Verhandlungen über ein Abkommen zur Zukunft Nordirlands unter amerikanischer Vermittlung. Externer Link: Das schließlich vereinbarte Karfreitagsabkommen sah unter anderem die Entwaffnung der Paramilitärs sowie die Verringerung der britischen Truppenstärke in Nordirland vor. Es besteht aus zwei Verträgen. Der erste Vertrag wurde zwischen Irland, dem Vereinigten Königreich und acht nordirischen Parteien geschlossen. Er regelte die inneren und äußeren Beziehungen Nordirlands. Die Vertragsparteien einigten sich in dem Dokument auf die Schaffung eines nordirischen Parlaments und legten fest, dass eine nordirische Regierung von unionistischer und republikanischer Seite unterstützt werden und aus beiden Lagern bestehen muss. Diese Regelung sollte bedeutsam werden, da sie einer Seite die Möglichkeit gab, die Regierungsbildung zu blockieren. Im Hinblick auf die Beziehungen zur Republik Irland wurden Vereinbarungen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beschlossen sowie die Schaffung eines Nord-Süd-Ministerrats. Weitere Regelungen waren auf die Stärkung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen der Republik Irland und dem Vereinigten Königreich gerichtet.

Der zweite Vertrag wurde zwischen dem Vereinigten Königreich und der Republik Irland geschlossen. In ihm erkannte die Republik Irland die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich an. Zugleich jedoch wurde in dem Dokument ausdrücklich die Möglichkeit eines späteren Referendums über eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland festgeschrieben. Zudem wurde den Bürgerinnen und Bürgern Nordirlands qua Geburt das freie Entscheidungsrecht darüber garantiert, ob sie die britische oder irische, oder auch beide Staatsbürgerschaften annehmen wollen.

Auszählung der Stimmzettel nach dem Referendum zum Karfreitagsabkommen in der King's Hall in Belfast. (© picture-alliance/dpa, PA Batchelor)

Friedensnobelpreis 1998 für John Hume und David Trimble

International wurde der Aussöhnungsprozess aufmerksam verfolgt: Die beiden nordirischen Politiker John Hume von der republikanischen Social Democratic and Labour Party (SDLP) und David Trimble von der Ulster Unionist Party (UUP) wurden für ihre maßgebliche Beteiligung am Zustandekommen des Karfreitagsabkommens 1998 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Die Referenden

Nach der Unterzeichnung des Abkommens durch acht nordirische Parteien, das Vereinigte Königreich und die Republik Irland am 10. April 1998 wurde es am 22. Mai der Bevölkerung in Nordirland und in der Republik Irland in zwei getrennten Referenden zur Ratifizierung vorgelegt. Die Ergebnisse waren deutlich: In Nordirland stimmten 71,1 Prozent für die Annahme, in der Republik Irland 94,4 Prozent.

Der fragile Frieden nach dem Brexit

Fragil ist der Frieden in Nordirland auch nach dem Karfreitagsabkommen geblieben. Interner Link: Die IRA erklärte erst 2005 ihren gewaltsamen Kampf für beendet. Nach dem Interner Link: Brexit, gegen den die nordirischen Wählerinnen und Wähler mehrheitlich gestimmt hatten, droht der Konflikt immer wieder neu aufzubrechen. Dazu entscheidend beigetragen hat der lange schwelende Streit zwischen der EU und Großbritannien um die Umsetzung des im Brexit-Vertrag vereinbarten "Nordirland-Protokolls". Dieses Protokoll war vereinbart worden, um eine harte Grenze mit Personen- und Zollkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. Man entschied daher, dass Nordirland weiter im EU-Binnenmarkt verbleiben soll. Dadurch, dass aber der Rest des Vereinigten Königreichs aus dem Binnenmarkt ausschied, verlief die Außengrenze des EU-Binnenmarkts nun zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Dies machte es deutlich schwerer, Waren zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel zu handeln und sorgte daher für Protest bei Unionisten.

Wie geht es weiter?

Seit Februar 2022 hat Nordirland keine arbeitsfähige Regierung, weil die pro-britische Democratic Unionist Party (DUP) aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll eine Beteiligung verweigert. Diese Partizipation ist aber gemäß dem Karfreitagsabkommen ebenso unverzichtbar, wie die Beteiligung der katholischen Nationalisten. Zwar haben die EU und das Vereinigte Königreich Anfang März 2023 mit dem sogenannten "Windsor-Rahmenabkommen" aus ihrer Sicht eine Lösung der Probleme mit dem Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags präsentiert. An der Weigerung der DUP, wieder in eine nordirische Regierung einzutreten, hat dies bisher aber nichts geändert. Die grundsätzliche Spaltung der nordirischen Gesellschaft besteht auch 25 Jahre nach Erreichen des Karfreitagsabkommens fort.

1973 hatten die nordirischen Wählerinnen und Wähler bei weitestgehendem Boykott durch die katholische Bevölkerung noch für den Verbleib im Vereinigten Königreich votiert. Doch nach dem Brexit und nachdem die katholische Bevölkerung in Nordirland 2021 erstmals die protestantische übertraf, stünde eine neuerliche Volksabstimmung über eine irische Wiedervereinigung eventuell unter anderen Vorzeichen. Eine Loslösung Nordirlands vom Vereinigten Königreich und sein Zusammengehen mit der Republik Irland (und damit die Rückkehr Nordirlands in die EU) ist nicht auszuschließen. Politikwissenschaftler wie Duncan Morrow von der Ulster University in Belfast halten dies in den nächsten 10 bis 15 Jahren für eine reale Möglichkeit. Und auch der ehemalige irische Regierungschef Bertie Ahern, der seinerzeit das Karfreitagsabkommen mit ausgehandelt hatte, glaubt daran, dass es früher oder später dazu kommen wird. Andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Patrick Diamond und Barry Colfer halten hingegen eine Vereinigung mit Irland angesichts hoher Hürden – wie etwa die Einbindung der protestantischen Bevölkerung Nordirlands – weiterhin für unwahrscheinlich. Die politische Situation in Nordirland bleibt dynamisch – auch weil sich ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr mit einem der beiden Lager identifiziert, wovon auch der Erfolg der lagerübergreifenden Alliance Party bei den letzten Wahlen zeugt.

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