Hinweis
Der Artikel behandelt die aktuelle Lage im Sudan im Mai 2023 (Stand: 24.05.2023). Jüngste Entwicklungen sind u.U. nicht mehr berücksichtigt, diese können z.B. in der Sicherheitspolitischen Presseschau unter
/ 4 Minuten zu lesen
Im Sudan tobt ein Machtkampf zwischen Regierungstruppen und paramilitärischen Milizen. Hoffnungen auf eine Demokratisierung nach dem Sturz von Omar al-Baschir im Jahr 2019 haben sich vorerst zerschlagen.
Der Artikel behandelt die aktuelle Lage im Sudan im Mai 2023 (Stand: 24.05.2023). Jüngste Entwicklungen sind u.U. nicht mehr berücksichtigt, diese können z.B. in der Sicherheitspolitischen Presseschau unter
Im
Externer Link: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sind seit Beginn des Konflikts mehr als 700 Menschen ums Leben gekommen und über 5.000 verletzt worden. Es wird jedoch von einer hohen Dunkelziffer an militärischen und zivilen Opfern ausgegangen, Letztere etwa aufgrund mangelnder oder nicht mehr vorhandener Gesundheitsversorgung. Externer Link: Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (
Hintergrund der militärischen Auseinandersetzung ist ein Machtkampf zwischen dem Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee und de-Facto Präsident
Im April 2019 wurde der Langzeitmachthaber des über 46-Millionen Einwohner zählenden Landes Omar al-Baschir – nach enormen Massenprotesten gegen das Militärregime – durch einen Militärputsch abgesetzt. Über Wochen hinweg hatten ab Dezember 2018 viele Tausend Menschen zunächst gegen den rasanten Anstieg der Brotpreise, später dann für eine Absetzung des Diktators demonstriert. Unter dem Autokraten waren massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, verschiedene Bevölkerungsgruppen wie die Fur, Masalit, Zaghawa und Rizeigat wurden unterdrückt. Bewaffnete Truppen übernahmen nach 2019 die Macht. Nach dem Sturz al-Baschirs galt zunächst RSF-Chef Daglo – einer der Architekten des Putsches – als mächtigster Mann im Sudan, doch auch das reguläre Militär gewann rasch wieder an Einfluss. Nach schwierigen Verhandlungen einigten sich Militärvertreter mit der zivilen Opposition auf die Bildung einer Übergangsregierung unter Premierminister Abdalla Hamdok.
Die Hoffnungen auf eine Demokratisierung des Landes waren zunächst groß. Tatsächlich konnten die Zivilgesellschaft und auch demokratische Kräfte ab 2019 Erfolge erzielen: So wurden
Eigentlich sollte die Macht innerhalb von 39 Monaten vollständig an eine zivile Regierung übergehen. Doch nach wochenlang andauernden Unruhen putschte die Armee im Oktober 2021 erneut erfolgreich gegen die Regierung, Hamdok wurde abgesetzt. Nach Druck aus dem In- und Ausland wurde er Ende November zwar wieder ins Amt eingesetzt, erklärte dann aber Anfang Januar 2022 angesichts der anhaltenden politischen Krise seinen Rücktritt. Militärs übernahmen nun endgültig wieder die Kontrolle über das Land. Proteste der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft gegen die Machtübernahme blieben letztlich erfolglos.
2020 begann im Sudan ein Prozess gegen al-Baschir sowie 27 weitere Personen. Er hatte 1989 eine demokratisch gewählte Regierung in einem Militärputsch gestürzt. Bei einer Verurteilung könnte die Todesstrafe verhängt werden. Auch beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag lag zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren ein Haftbefehl gegen al-Baschir aufgrund von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor – vor allem seine Rolle in dem 2003 ausgebrochenen
Unter al-Baschir wurden Minderheiten in dem Land massiv unterdrückt. Besondere Aufmerksamkeit erlangte der 2003 in der westsudanesischen Region Darfur ausgebrochene Krieg zwischen den Rebellengruppen "Justice and Equality Movement" (JEM) und "Sudan Liberation Movement/Army" (SLM/A) auf der einen sowie Regierungstruppen und den Dschandschawid-Milizen auf der anderen Seite. Während des Konflikts gingen Regierungsarmee und Milizen äußerst brutal gegen die örtliche Bevölkerung vor. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden rund 300.000 Menschen getötet und 2,5 Millionen Menschen vertrieben. Die zur Sicherung eines Waffenstillstands eingesetzte Friedensmission AMIS durch die Afrikanische Union (AU) im Jahr 2005 war nur von mäßigem Erfolg geprägt, 2007 dann wurde Externer Link: vom UN-Sicherheitsrat die UNAMID-Mission beschlossen, die die Lage beruhigen konnte. Als Nachfolge dieser Mission wurde ab Januar 2021 Externer Link: eine zivile Folgemission (UNITAMS) für den gesamten Sudan beschlossen.
Der Sudan befand sich unter al-Baschir zudem in einem Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung des Sudan in Khartum und der südsudanesischen Volksbefreiungsbewegung, der Millionen Opfer forderte. 2005 wurde schließlich ein Friedensvertrag abgeschlossen, der 2011 – nach 22 Jahren Bürgerkrieg – in der
Im Schatten der Unabhängigkeit Südsudans brachen 2011 in den Regionen Südkordofan und Blauer Nil (direkt an der sudanesischen Grenzregion zum Südsudan) abermals Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen aus – auch der Bürgerkrieg in Darfur hielt zunächst an. Schließlich unterzeichneten 2020 die sudanesische Übergangsregierung sowie mehrere Rebellengruppen ein Friedensabkommen für die drei Regionen Darfur, Südkordofan und Blauer Nil.
Sudan leidet seit längerem unter einer extremen Inflation und Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern. Die Menschen sind von massiver Armut betroffen, es fehlt an hinreichender gesundheitlicher Versorgung und sie sind langen Dürreperioden und einer zunehmenden Desertifikation infolge des Klimawandels ausgeliefert. Seit Jahren werden Sudanesinnen und Sudanesen mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert: Gewalt, Folter und andere Misshandlungen werden gegenüber der Zivilbevölkerung ausgeübt, insbesondere auch geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen.
Um die damals noch bestehende geringe Chance auf einen demokratischen Sudan nicht zu gefährden, erließen internationale Finanzinstitutionen, darunter auch Geldgeber wie Deutschland, dem Sudan im Jahr 2021 Schulden in Milliardenhöhe.
Viele Menschen mussten wegen der jüngsten Gefechte ihre Heimat verlassen. Externer Link: Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) sind mehr als 700.000 Menschen innerhalb des Landes geflohen, mehr als 150.000 in die unmittelbaren Nachbarländer. Aufgrund früherer Konflikte gab es im Sudan bereits vor den jüngsten Kämpfen Externer Link: 3,7 Millionen Binnenvertriebene. Zudem leben im Sudan mit Externer Link: rund 1,14 Millionen Asylsuchenden und Flüchtlingen ohnehin schon eine der größten Flüchtlingsbevölkerungen auf dem afrikanischen Kontinent.
Bei den jüngsten kriegerischen Handlungen wurden zahlreiche sudanesische Kliniken zerstört. Tausende Menschen leiden Hunger, es fehlt Zugang zu Wasser und Elektrizität. Ärzte ohne Grenzen und andere internationale Organisationen fordern deshalb eine stärkere internationale Unterstützung.
„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!