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Russlands Krieg gegen die Ukraine | Hintergrund aktuell | bpb.de

Russlands Krieg gegen die Ukraine

Belinda Nüssel

/ 5 Minuten zu lesen

Am 24. Februar 2022 begann Russland seinen großflächigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch ein Jahr danach bleibt der Ausgang des Konflikts ungewiss.

Ukrainische Soldaten gehen durch Kriegstrümmer in Butscha, einem Vorort der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw. In Butscha wurden während der russischen Besetzung der Stadt laut ukrainischen Angaben mehr als 400 Zivilisten getötet. (© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Carol Guzy)

Am 24. Februar 2022 begannen russische Truppen mit dem Interner Link: völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. Auch über ein Jahr nach der Invasion ist kein Ende des Konflikts in Sicht. Russland hält etwa 18 Prozent des ukrainischen Territoriums im Süden und Osten des Landes besetzt. Vor allem der Osten der Ukraine bleibt hart umkämpft. Zuletzt hatten sich Hinweise darauf gemehrt, dass Russland anlässlich des Jahrestages seiner Invasion am 24. Februar 2023 eine neue Großoffensive gegen die Ukraine starten könnte. Am 13. Februar Externer Link: stellte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fest, dass Russlands neue Offensive bereits begonnen habe.

Keine Verhandlungslösung absehbar

Seit Beginn der russischen Invasion scheiterten jegliche Versuche, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Auch internationale Vermittlungsbemühungen, wie etwa durch die Türkei, brachten keinen Erfolg. Russland hält weiter an seinen Maximalzielen des System- und Elitenwechsels sowie einer Entmilitarisierung der Ukraine fest. Für die Ukraine hingegen kommt eine Interner Link: Aufgabe der staatlichen Souveränität und der Interner Link: von Russland besetzten Gebiete nicht infrage.

Bei Waffenstillstandsverhandlungen direkt nach Kriegsbeginn in Istanbul hatte die Ukraine Ende März 2022 umfassende Kompromissvorschläge gemacht und politische Neutralität gegen die Gewährung von Sicherheitsgarantien angeboten. Eine Einigung darüber mit Russland wurde jedoch nicht erzielt. Nach der erfolgreichen Abwehr russischer Truppen in Teilen des Landes, der Aufdeckung russischer Kriegsverbrechen und vor dem Hintergrund der Schlacht um die Hafenstadt Mariupol kamen die Verhandlungen zum Stillstand. Am 17. Mai 2022 brach erst die Ukraine, dann Russland die Verhandlungen ab. Weitergeführt wurden Gespräche seither über humanitäre Fragen, Gefangenenaustausche, Getreideexporte und das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Mit der Annexion der ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk sowie Saporishshja und der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verkündeten Teilmobilisierung im September 2022 rückte eine Wiederaufnahme der Verhandlungen noch weiter in die Ferne.

Die russische Aggression gegen die Ukraine – nicht erst ein Jahr

Russland begründet seine Invasion auch mit verletzten Sicherheitsinteressen. Dahinter verbergen sich imperialistische Ansprüche, die die Ukraine als Teil der russischen Einflusssphäre oder sogar Teil Russlands selbst betrachten. So spiegelt der Angriffskrieg einen weiteren Versuch Russlands wider, seine Hegemonie im postsowjetischen Raum zumindest zu halten. Mit der Invasion im Februar 2022 ist der geopolitische Konflikt mit dem Westen um die europäische Sicherheitsordnung in eine neue Phase eingetreten.

Neu ist der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine jedoch nicht. Der Interner Link: 24. Februar 2022 markiert zwar den Beginn der militärischen Invasion auf dem gesamten Gebiet der Ukraine – nicht aber den Interner Link: Beginn der Aggression Russlands gegen die Souveränität und territoriale Integrität seines Nachbarlands. 2014 annektierte Russland vor dem Hintergrund des Interner Link: „Euromaidan“ die ukrainische Interner Link: Halbinsel Krim im Schwarzen Meer und entfesselte einen Krieg im Osten der Ukraine. Durch den durch Russland gestützten Interner Link: Krieg im Donbas starben allein bis Februar 2022 mehr als 14.000 Menschen. Aus ukrainischer Sicht begann die russische Aggression somit nicht erst mit der Invasion, sondern bereits acht Jahre zuvor. Gleichzeitig setzte der Angriff gegen die gesamte Ukraine sowie die Anerkennung der selbst erklärten Interner Link: „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk am 21. Februar 2022 bis dahin existente Interner Link: Formate zur Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine wie das sogenannte Normandie-Format aus.

Humanitäre Lage, Flucht und Vertreibung

Laut dem Büro des Interner Link: Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) wurden im Krieg bis zum 21. Februar 2023 mehr als 8.000 Zivilistinnen und Zivilisten getötet und über 13.000 Menschen verletzt. Diese Daten schließen allerdings nur die bestätigten Opferzahlen ein. Externer Link: OHCHR geht davon aus, dass die wirkliche Anzahl an Verletzten und Toten in der ukrainischen Zivilbevölkerung wesentlich höher liegt.

Nach Externer Link: Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) waren im Januar 2023 mehr als 5,3 Millionen Menschen, die meisten von ihnen Mädchen und Frauen, innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Außerdem haben Externer Link: laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bis Februar 2023 mehr als acht Millionen Menschen Interner Link: die Ukraine verlassen und Schutz in europäischen Staaten gesucht. Wie viele von ihnen inzwischen zurückgekehrt sind, ist unklar. Polen (rund 1,5 Mio. Menschen) und Deutschland (1 Mio.) haben innerhalb der Europäischen Union bisher die meisten Interner Link: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen.

Die humanitäre Lage innerhalb der Ukraine bleibt angespannt, besonders in der Ost- und Südukraine sind die humanitären Bedingungen äußerst schwierig. Denn mit dem weiteren Verlauf des Krieges und dem Ausbleiben größerer militärischer Erfolge richten sich die russischen Angriffe zunehmend gegen die Zivilbevölkerung. Luftangriffe gegen zivile Infrastruktur führen zu regelmäßigen Ausfällen bei der Strom-, Wasser- und Heizversorgung und bedrohen die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Allein in der ersten Hälfte des Oktober 2022 waren Externer Link: nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj etwa 30 Prozent der Elektrizitätswerke des Landes durch russische Angriffe zerstört worden. Ende Januar 2023 Externer Link: sprach das Ukrainische Rote Kreuz von mehr als 2.000 ganz oder teilweise zerstörten medizinische Einrichtungen wie Krankenhäusern. Angriffe gegen zivile Infrastruktur sind ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und stellen Kriegsverbrechen dar.

Kriegsverbrechen und Strafverfolgung

Die ukrainische Regierung wirft Russland mehr als 70.000 Kriegsverbrechen seit Beginn der Invasion durch russische Streitkräfte vor, darunter Folter und Tötungen, Interner Link: sexualisierte Gewalt sowie Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Dazu zählt auch die Verschleppung von Menschen aus besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland und in russisch-besetzte Gebiete. Einem Externer Link: Bericht der Yale-Universität zufolge sollen mindestens 6.000 ukrainische Kinder durch russische Kräfte in Einrichtungen auf der Krim oder nach Russland gebracht worden sein.

Derzeit wird international weiter diskutiert, wie Russland für den fortgesetzten Bruch des Völkerrechts zur Verantwortung gezogen werden kann. Seit Anfang März 2022 ermittelt der Interner Link: Internationale Strafgerichtshof (IStGH) offiziell zu Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem gesamten Territorium der Ukraine seit Ende 2013. Die Externer Link: Ermittlungen richten sich dabei nicht gegen eine konkrete Konfliktpartei und wurden durch eine Erklärung der Ukraine möglich, die Gerichtsbarkeit des IStGH über das eigene Staatsgebiet zu diesem Zweck anzuerkennen.

Wegen des Verbrechens der Aggression selbst, den Angriffskrieg, kann das Gericht Russland nicht belangen. Denn wie die Ukraine ist auch die Russische Föderation kein Mitglied des Interner Link: Römischen Statuts, der rechtlichen Grundlage des IStGH, und fällt nicht unter dessen Gerichtsbarkeit. Ein offizielles Verfahren wäre nur dann möglich, wenn der UN-Sicherheitsrat den Fall an den Strafgerichtshof übertragen würde. Als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats verfügt Russland jedoch über ein Vetorecht, um dies zu verhindern. Aktuell wird vor diesem Hintergrund diskutiert, ein Interner Link: internationales Sondertribunal zum russischen Angriffskrieg einzurichten.

Ausgang des Krieges bleibt ungewiss

Der Krieg in der Ukraine fordert nicht nur die internationale und europäische Sicherheitsordnung heraus. Auch wirtschaftlich und gesellschaftlich bleibt er in Europa, beispielsweise durch Interner Link: Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln und die hohe Zahl von Kriegsflüchtlingen, unmittelbar sichtbar. Die gegen Russland verhängten Interner Link: umfangreichen Sanktionen des Westens könnten den russischen Krieg durch materielle und auf längere Sicht auch finanzielle Engpässe erschweren, konnten ihn bislang allerdings nicht stoppen. Ob sich der weitere Kriegsverlauf entscheidend verändert, wird derzeit vor allem mit Blick auf die Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine debattiert. Bislang hatte sich diese auf Luftverteidigung, Artillerie und Waffen sowjetischer Bauart konzentriert. Zuletzt wurde die Externer Link: Lieferung von westlichen Kampf- und Schützenpanzern zugesagt. Eine baldige militärische oder politische Entscheidung des Krieges bleibt dennoch ungewiss.

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Belinda Nüssel ist Volontärin in der Online-Redaktion der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie hat zuvor Osteuropastudien mit dem Schwerpunkt Politische Soziologie an der Freien Universität Berlin studiert und war als Forschungsassistentin in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien an der Stiftung Wissenschaft und Politik tätig.