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50 Jahre "Roe vs. Wade": Urteil zum US-Abtreibungsrecht | Hintergrund aktuell | bpb.de

50 Jahre "Roe vs. Wade": Urteil zum US-Abtreibungsrecht

Redaktion

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Vor 50 Jahren hat der Oberste Gerichtshof der USA ein weitgehendes Recht auf Abtreibung eingeräumt. Im vergangenen Jahr kippte das Gericht die Entscheidung.

Mit dem Leitsatz "My Body My Choice" (zu deutsch: Mein Körper, meine Entscheidung) setzen sich Abtreibungsbefürworterinnen und -befürworter für mehr Selbstbestimmung von Frauen ein. (© picture alliance / Pacific Press | Esteban Osorio)

Am 22. Januar 1973 entschied der Oberste Gerichtshof der Interner Link: Vereinigten Staaten (Interner Link: Supreme Court) in einem Grundsatzurteil: Frauen hätten gemäß der US-Verfassung prinzipiell das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie Interner Link: eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Bis 1973 waren Schwangerschaftsabbrüche in den meisten US-Bundesstaaten verboten oder nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Besonders strikt war das Abtreibungsverbot in Texas, wo der Fall "Roe vs. Wade" erstmals verhandelt wurde.

Kampf für mehr Selbstbestimmung

Im Vorfeld des als Roe vs. Wade bekanntgewordenen Urteils hatte sich der Streit um die in Abtreibungspraxis in den USA zugespitzt. Längst hatte sich eine breite Bewegung gebildet, die auf das Interner Link: Selbstbestimmungsrecht der Frauen pochte. Ab 1970 legalisierten erste Bundesstaaten wie Hawaii, New York oder Alaska Abtreibungen.

Jane Roes Klage

Der Fall begann, als Jane Roe (fiktiver Name für Norma McCorvey) 1970 den Staatsanwalt der texanischen Stadt Dallas, Henry Wade, verklagte. Die Klage richtete sich de facto gegen den Staat Texas. Jane Roe klagte unter Pseudonym, um ihre Identität zu schützen. Die damals 26-jährige Roe wurde ungewollt schwanger und wünschte die Abtreibung. Sie hatte bereits zwei Kinder und litt unter Drogen- und Alkoholproblemen. Das texanische Gericht erlaubte Abtreibungen jedoch ausschließlich, um das Leben der Schwangeren zu retten. Für Roe war die Abtreibung somit illegal.

Recht auf Privatsphäre der Frauen

Ihre Anwältinnen, Linda Coffee und Sarah Weddington, argumentierten, das weitgehende Abtreibungsverbot in Texas verstoße gegen die US-Verfassung. Zuerst zogen die Klägerinnen vor ein texanisches Bezirksgericht. Dieses entschied, dass das texanische Abtreibungsgesetz zu weit reiche und erklärte es für verfassungswidrig. Damit ebnete das Gericht den Weg für die Klage vor dem Obersten Gerichtshof der USA, vor dem Roe und ihre Anwältinnen im Anschluss klagten.

Sieben der neun Richter des Obersten Gerichtshofs stimmten für das Recht auf Abtreibung, zwei dagegen. Der Gerichtshof erklärte 1973 das texanische Recht für verfassungswidrig. Das Urteil begründete das Gericht mit dem "Recht auf Interner Link: Privatsphäre" der Frauen, das aus der US-Verfassung abzuleiten sei. Das Recht auf Abtreibungen sei aber "nicht absolut", so der Supreme Court damals. Ab einem gewissen Punkt überwiege das Interesse des Staates, ungeborenes Leben zu schützen.

Lebensfähigkeit des Kindes entscheidend für Abtreibungsfrist

Schwangerschaftsabbrüche waren dem Urteil zufolge so lange legal, bis der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre. Die Lebensfähigkeit sei demzufolge zwischen der 24. und 28. Woche nach der Empfängnis erreicht. Erst danach konnten Bundesstaaten gemäß dem Urteil Abtreibungen komplett verbieten. Davor konnten die Bundesstaaten sie nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen untersagen. Das Abtreibungsrecht in den Vereinigten Staaten galt als liberal, wenngleich es zwischen den Bundesstaaten Unterschiede bei der Auslegung von Fristen gab.

Widerstand gegen Abtreibungsrecht

Das Urteil stieß in Teilen der Gesellschaft auf großes Unverständnis. Insbesondere konservative und religiöse Gruppen machten in der Folge gegen eine aus ihrer Sicht zu liberale Abtreibungspraxis mobil – etwa mit Großdemonstrationen oder Klagen. Immer wieder kam es auch zu gewaltsamen Übergriffen. 1992 bestätigte der Supreme Court die prinzipielle Erlaubnis zum Schwangerschaftsabbruch, legte aber fest, dass Föten bereits ab der 23./ 24. Schwangerschaftswoche als außerhalb des Mutterleibes lebensfähig anzusehen seien. Laut dem Gallup-Institut befürworteten von 1989 bis 2022 konstant rund 60 Prozent der US-Bürgerinnen und Bürger das Urteil zu Roe vs. Wade – und damit das grundsätzliche Recht auf Abtreibung.

Deutlicher Anstieg der Abtreibungen nach Urteil

In den Jahren nach "Roe v. Wade" stieg die Zahl der Abtreibungen zunächst deutlich an. Insgesamt wurde es für viele amerikanische Frauen in Folge des Urteils deutlich leichter, abzutreiben. Nach Angabe des Guttmacher-Instituts gab es im Jahr 1981 in den USA mit 1,58 Millionen mehr als doppelt so viele Schwangerschaftsabbrüche als noch im Jahr 1973 mit 745.000. Das Center for Disease Control and Prevention (CDC), eine Behörde des US-Gesundheitsministeriums, maß zwar eine geringere Zahl, stellte zwischen 1973 und 1981 aber auch nahezu eine Verdopplung von 587.000 auf 1,3 Millionen Abtreibungen fest. Danach stieg die Zahl der Eingriffe nur noch geringfügig, bevor sie dem Guttmacher-Institut zufolge 1990 mit 1,61 Millionen (CDC: 1,43 Millionen) einen Höhepunkt erreichte. In den folgenden mehr als zweieinhalb Jahrzehnten sank sie auf einen historischen Tiefpunkt von 862.000 (CDC: 609.000) im Jahr 2017. 2020 wurden laut Guttmacher-Institut in den Vereinigten Staaten gut 930.000 Abtreibungen (CDC :616.000) durchgeführt.

Unterschiedliche Auslegung des Urteils durch Bundesstaaten

In der Praxis wurden Abtreibungen in manchen Regionen, insbesondere in republikanisch regierten US-Bundesstaaten, mitunter durch bürokratische Hürden erschwert. Diese zielten etwa auf die Anbieter von Abtreibungen, indem ihnen strenge Auflagen für Räumlichkeiten auferlegt wurden. Frauen mussten Pflichten erfüllen wie ein Beratungsgespräch mit anschließender Wartefrist oder ein notwendiges Einverständnis der Eltern bei Minderjährigen. Auch die Fristen, bis zu denen ein Schwangerschaftsabbruch legal blieb, verkürzten manche konservativen Staaten. In der Folge gab es einen deutlichen Rückgang der Anbieter von Abtreibungen.

Weitere InformationenAbtreibungsrecht in Deutschland

Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Grundsätzlich ist eine Abtreibung hierzulande nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) für alle Beteiligten strafbar. Eine Straflosigkeit liegt dann vor, wenn Betroffene den Vorgaben der sogenannten Beratungsregelung Folge leisten. Die betroffene Frau muss sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen. Die Abtreibung muss außerdem innerhalb von zwölf Wochen nach Empfängnis vorgenommen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bleibt der Schwangerschaftsabbruch für alle Beteiligten straffrei. Ausnahmeregelungen von dem § 218 (StGB) gibt es zudem bei medizinischen Notfällen oder kriminologischen Befunden wie einem Sexualdelikt.

Am 24. Juni 2022 hat der Bundestag die ersatzlose Interner Link: Streichung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) beschlossen.

Supreme Court kippt Roe vs. Wade 2022

Am 24. Juni 2022 hat der mittlerweile konservativ dominierte Supreme Court mit fünf zu vier Stimmen das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. Nach Ansicht der Richterinnen und Richter gewähre die US-Verfassung "kein Recht auf Abtreibung". Es sei an der Zeit, "die Frage der Abtreibung an die gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes zurückzugeben", so die Juristen. Seit dem Außerkraftsetzen von "Roe vs. Wade" liegt die Entscheidung, wie sie das Abtreibungsrecht regeln, bei den Bundesstaaten. Während die Republikaner das Urteil begrüßten, zeigten sich die Demokratische Partei entsetzt. Auch international fand das Urteil große Beachtung und stieß auf Kritik zahlreicher westlicher Staats- und Regierungschefinnen und -chefs.

Anlass des Urteils war eine Überprüfung eines Gesetzesentwurfs aus Mississippi, der unter anderem eine Frist für Schwangerschaftsabbrüche bis zur 15. Schwangerschaftswoche vorgesehen hatte (Fall: Dobbs vs. Jackson Women’s Health Organization).

Weitere InformationenDer Supreme Court und seine Besetzung

Der Oberste Gerichtshof der USA besteht aus neun Richterinnen und Richtern, die auf Vorschlag des Präsidenten vom US-Senat auf Lebenszeit berufen werden. Der Supreme Court ist die oberste juristische Kontrollinstanz der USA. Bei den meisten Fällen, die am Supreme Court verhandelt werden, geht es um die Auslegung von Gesetzen oder die Absicht des Kongresses bei der Verabschiedung eines Gesetzes. Wesentlich ist zudem festzustellen, ob ein Gesetz der Regierung verfassungskonform ist.

Derzeit gelten sechs der neun Richterinnen und Richter als konservativ, drei als liberal. Der damalige Präsident Interner Link: Donald Trump hatte während seiner Amtszeit von 2016 bis 2020 zwei Richter und eine Richterin neu ernannt. Diese drei stimmten im Jahr 2022 dafür, Roe vs. Wade außer Kraft zu setzen. Expertinnen und Experten warnen vor einer zunehmenden Politisierung des Supreme Courts, indem die Besetzung der Posten als Instrument politischer Interessen genutzt werde.

Viele Bundesstaaten verbieten Abtreibungen

In der Folge verschärften viele konservative Bundesstaaten ihre Abtreibungsgesetze. 13 Bundesstaaten, vor allem im Süden der USA, haben Abtreibungen weitestgehend verboten (Stand: 06.01.2023). Selbst in den ersten Wochen nach Empfängnis sind dort Schwangerschaftsabbrüche nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt – in Texas etwa dann, wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht. Mehrere weitere Bundesstaaten wie Georgia haben die Abtreibungsfristen deutlich verkürzt oder lassen wie Wisconsin eine Abtreibung ausschließlich bei einer Gefahr für das physische Wohl der Schwangeren zu. In mehreren anderen Bundesstaaten streiten Gerichte über die Zulässigkeit geplanter Verschärfungen. Das Guttmacher-Institut geht davon aus, dass 26 der 50 US-Bundesstaaten sicher oder wahrscheinlich Abtreibungen verbieten werden. 16 der demokratisch regierten US-Bundesstaaten haben ein liberales Recht auf Abtreibung gesetzlich verankert.

Aus den Verboten resultieren für Frauen teils sehr weite Anreisen zu entsprechenden Einrichtungen. Teilweise mussten Frauen schon vor den Verboten mehr als 400 Kilometer zum nächsten Anbieter zurücklegen.

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