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Vor 30 Jahren: Deutschland beginnt mit der Zerstörung schwerer Waffen (KSE-Vertrag) | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 30 Jahren: Deutschland beginnt mit der Zerstörung schwerer Waffen (KSE-Vertrag)

Redaktion

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Mit dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) wurde 1992 die Grundlage für die Vernichtung von mehr als 100.000 schweren Waffensystemen in Europa geschaffen. So sollte in Europa ein Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau geschaffen werden, Überraschungsangriffe unmöglich gemacht werden.

Demilitarisierte NVA-Kampfflugzeuge des Typs MiG 21 warten auf der Dresdner Elbe-Flugzeugwerke GmbH auf ihre Verschrottung. Insgesamt 140 Jagdflugzeuge, welche die Bundesrepublik gegenwärtig über die im KSE-Vertrag festgelegte Obergrenze besitzt, wurden ab dem 22.09.1992 in Dresden vollständig zerlegt. (© picture-alliance, ZB | Thomas Lehmann)

Am 3. August 1992 begann Deutschland mit der kontrollierten Zerstörung zahlreicher Waffensysteme. Damit setzte Deutschland als erster Unterzeichnerstaat den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) um.

Am 19. November 1990 hatten 16 Interner Link: NATO-Mitglieder sowie sechs dem Interner Link: Warschauer Pakt angehörende Länder den KSE-Vertrag unterzeichnet, darunter die Sowjetunion, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Deutschland. Der Deutsche Bundestag ratifizierte den KSE-Vertrag am 7. November 1991. Das Abkommen sah vor, die immensen Waffenarsenale auf beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorgangs innerhalb eines vertraglich vereinbarten Zeitraums von 40 Monaten deutlich zu reduzieren.

Was versteht man unter Schweren Waffen?

Schwere Waffensysteme bilden auch heute noch den Kern moderner Streitkräfte. Dazu zählen Kampfpanzer, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und U-Boote. Sie sind einerseits von Klein- und Leichtwaffen und andererseits von atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen zu unterscheiden. Insgesamt werden als schwere Waffen alle militärischen Rüstungsgegenstände bezeichnet, die einer der folgenden vier Kategorien zugeordnet werden können:

  • Gepanzerte Fahrzeuge (Mannschaftstransportwagen, leichte Panzer, Kampfpanzer)

  • Artillerie (Mehrfachraketenwerfer, selbst fahrende Geschütze, gezogene Geschütze) mit einem Kaliber von mehr als 100mm;

  • Kampfflugzeuge (Kampfhubschrauber, Starrflügel Jagdflugzeuge)

  • Großkampfschiffe (U-Boote, Überwasserkampfschiffe von mehr als Korvettengröße)

Überraschungsangriffe sollten erschwert werden

Der Vertrag entstand vor dem Interner Link: Hintergrund der politischen Entspannung zwischen den USA und der Interner Link: Sowjetunion während der Endphase des Kalten Krieges. Ab Mitte der 1980er-Jahre leitete der damalige KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow einen Interner Link: Politikwechsel in der UdSSR ein. Gorbatschows Interesse am Ende des Rüstungswettlaufs, war nicht zuletzt der desolaten Haushaltslage der Sowjetunion geschuldet. Den NATO-Mitgliedern hingegen ging es vor allem um den Abbau der militärischen Übermacht des Ostblocks.

Mit der vertraglich vereinbarten Abrüstung sollte in Europa mehr Stabilität und Sicherheit geschaffen werden, sowie die Fähigkeit eines Überraschungsangriffs verhindert werden. Die Vertragsstaaten sollten insgesamt über nicht mehr als 40.000 Kampfpanzer, 60.000 gepanzerte Kampffahrzeuge, 40.000 Artilleriewaffen, 13.600 Kampfflugzeuge und 4.000 Angriffshubschrauber verfügen. Das Abkommen legte darüber hinaus niedrigere Obergrenzen für einzelne Regionen vor, einschließlich der sogenannten "Flankenobergrenzen", die insbesondere die russischen Waffenbestände im Norden und Süden des Vertragsgebiets beschränkten.

Über 100.000 schwere Waffensysteme vernichtet

Eine Ergänzung des Vertrags von 1992, die sogenannte KSE-1a-Vereinbarung, schuf Obergrenzen für die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten. Die Zerstörung der Waffensysteme auf beiden Seiten sollte von einem intensiven Informationsaustausch sowie gegenseitigen Inspektionen begleitet werden. Zudem sollte die Umsetzung mittels Überprüfungskonferenzen überwacht werden. Eine erste Konferenz fand 1996 in Wien statt.

Der Vertrag hat entscheidend zur europaweiten Zerstörung von über 100.000 schweren Waffensystemen beigetragen. Allein bis Mitte der 1990er-Jahre wurden bis zu 60.000 Waffensysteme in den Vertragsstaaten zerstört – darunter Kampfpanzer, Artilleriesysteme und Kampfflugzeuge. Der KSE-Vertrag trug maßgeblich zur Beendigung der Hochrüstungsphase in Europa und zur militärischen Entspannung nach Ende des Kalten Krieges bei.

KSE-Vertrag nicht mehr zeitgemäß

Doch bereits früh gab es auch Probleme bei der Umsetzung des Vertrags. Während des Interner Link: Tschetschenienkriegs im Nordkaukasus ab 1994, hielt sich Russland nicht an die vertraglich vereinbarte regionale Begrenzung von Waffensystemen.

Als die NATO 1997 drei ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts – Polen, Tschechien und Ungarn – die gewünschte Mitgliedschaft in dem westlichen Verteidigungsbündnis anbot, wurde immer offensichtlicher, dass der KSE-Vertrag in seiner 1990 vereinbarten Form veraltet war. Um der veränderten sicherheitspolitischen Lage in Europa gerecht zu werden, unterzeichneten die KSE-Vertragsstaaten anlässlich des Interner Link: OSZE-Gipfels in Istanbul 1999 ein Anpassungsübereinkommen (A-KSE). Fortan ordnete der Vertrag den einzelnen Staaten Obergrenzen bei Truppenstärken und Militärgerät zu.

Zwar wurde der Vertrag 2004 von Interner Link: Russland ratifiziert, er trat jedoch nie in Kraft. Denn die NATO-Staaten lehnten dessen Ratifizierung ab. Sie machten ihre Zustimmung vom Abzug russischer Truppen aus der Republik Moldau und Georgien abhängig, der nicht erfolgte.

Russland setzt 2007 die Umsetzung des KSE-Vertrags aus

2007 setzte Moskau schließlich einseitig die Umsetzung des KSE-Vertrags aus. Ab 2011 ließen wiederum die NATO-Staaten als Reaktion auf das Verhalten Moskaus die Implementierung gegenüber Russland ruhen. Auch Moldau und Georgien sowie die Ukraine folgten dem Beispiel der NATO.

Russland zog sich 2015 endgültig aus den Gemeinsamen Beratungsgruppen zurück. Zwischen allen anderen Vertragsstaaten findet jedoch bis heute ein kontinuierlicher Informationsaustausch über den Bestand der vertraglich begrenzten Waffensysteme statt.

Während viele europäische NATO-Staaten bei ihren Verteidigungshaushalten in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutliche Einsparungen vornahmen, steigerte Russland seine Ausgaben in diesem Zeitraum massiv.

Aktuelle Armeestärken

Mit mehr als 200.000 Soldatinnen und Soldaten hat Frankreich von den europäischen NATO-Staaten die größte Armee. Auf Platz zwei folgt Deutschland mit rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten. Italien zählte mit zuletzt 174.000 Soldatinnen und Soldaten rund 18.000 mehr als Großbritannien. Deutschland, Italien und Frankreich reduzierten ihre Truppenstärken im Vergleich zu 1990 jedoch um fast zwei Drittel. Zum Vergleich: Russlands Armee zählte im Februar 2022 etwa 850.000 Soldatinnen und Soldaten.

Nachdem Interner Link: Russland 2014 die Krim annektierte und pro-russische Separatisten in der Ostukraine jahrelang massive Kämpfe gegen die ukrainische Armee führten, stieg insbesondere in osteuropäischen Staaten das Sicherheitsbedürfnis gegenüber Russland noch einmal deutlich. Die Bedeutung konventioneller Waffen, wie Panzern, Kampfjets, Geschützen und Infanterie, für die Landesverteidigung, ist aufgrund des am 24. Februar 2022 begonnen russischen Interner Link: Angriffskriegs in der Ukraine in weiten Teilen Europas deutlich gewachsen. Viele europäische NATO-Staaten haben ihre Verteidigungshaushalte massiv aufgestockt. So sollen EU-weit 200 Milliarden Euro zusätzlich in die Militärausgaben fließen. Allein Deutschland investiert angesichts der russischen Bedrohung Interner Link: 100 Milliarden Euro zusätzlich in die Landesverteidigung.

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