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Aufhebung des §219a | Hintergrund aktuell | bpb.de

Aufhebung des §219a

Anna Schulze

/ 4 Minuten zu lesen

Der Bundestag hat das Werbeverbot für Abtreibungen aufgehoben. Nach jahrelangen Debatten stimmte eine Mehrheit für die Streichung des §219a StGB. CDU/CSU sowie AfD lehnten die Entscheidung ab.

Am 24. Juni 2022 beschloss der Bundestag, das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB) zu streichen. (© picture-alliance, Fotostand / Reuhl)

Hinweis

Der Podcast Interner Link: "Streit um §219a" behandelt die Debatte um das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche bis zu dessen Reform in 2019. Dieser Artikel greift die Debatte auf und zeichnet sie bis zur Aufhebung des §219a am 24. Juni 2022 nach.

Bundestagsbeschluss

Am 24. Juni 2022 hat der Bundestag die ersatzlose Streichung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB) beschlossen. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und DIE LINKE Externer Link: votierten für die Abschaffung – CDU/CSU und AfD dagegen. Außerdem stimmte der Bundestag einer Reihe von damit verbundenen Gesetzesänderungen zu.

Bislang machten sich Ärztinnen und Ärzte strafbar, wenn sie öffentlich Informationen über den Ablauf und die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bereitstellten. Mit der Aufhebung des §219a ist es ihnen künftig erlaubt, etwa auf Websites sachlich über die Möglichkeit und Methode von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren. Ergänzend soll mit einer Änderung des Heilmittelwerbegesetztes (HWG) unsachliche oder anpreisende Werbung verboten werden. Im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) wird im §13a ergänzt, dass Krankenhäuser sowie Ärztinnen und Ärzte "sachlich und berufsbezogen über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs" informieren dürfen.

Eine neue Regelung im Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch sieht die Aufhebung aller Urteile und Einstellung laufender Verfahren von Ärztinnen und Ärzten vor, die nach dem 3. Oktober 1990 aufgrund des Paragrafens 219a strafgerichtlich verurteilt worden sind.

Im Vorfeld wurden mehrere Oppositionsanträge zurückgewiesen. Darunter ein Externer Link: Antrag der CDU/CSU-Fraktion, in dem die Antragssteller sich unter anderem auf den "Schutz des ungeborenen Kindes" zur Beibehaltung des §219a berufen hatten und ein Externer Link: Antrag der AfD-Fraktion, der unter anderem eine verfassungsrechtliche Prüfung des Paragrafen aufgrund des "Schutzanspruch des ungeborenen Lebens" gefordert hatte.

Die Debatte um den §219a wurde lange und kontrovers geführt. "My Body, My Choice" ist ein feministischer Slogan, der weltweit im Kontext von Selbstbestimmung und Abtreibungsrechten verwendet wird. (© picture-alliance, ZB | Peter Endig)

Die vorausgehende Debatte

Bis zur ersatzlosen Streichung wurde der §219a stets von Interner Link: kontroversen Diskussionen begleitet. Zuletzt wurde das sogenannte Werbeverbot im Frühjahr 2019 nach monatelangen Debatten vom Bundestag reformiert. Mit der Reform von 2019 war es fortan Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen erlaubt, öffentlich anzugeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Weitere Informationen, etwa über die medizinische Methode, blieben weiterhin verboten. Zudem verpflichtete die Gesetzesreform die Bundesärztekammer zur Veröffentlichung einer Liste mit Ärztinnen und Ärzten, die Abbrüche durchführen, unter Angabe der jeweiligen Methode.

Externer Link: 370 Abgeordnete stimmten für die Reform, 277 dagegen – vier enthielten sich. Dabei wurden die Differenzen zwischen der reformbejahenden damaligen Großen Koalition, die den Gesetzentwurf vorlegten, und der Opposition deutlich: CDU/CSU stimmte nahezu geschlossen für die Externer Link: "Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch". Die SPD sprach sich langfristig für die Aufhebung des Strafrechtsparagrafen aus, sah in der Reform aber Kompromiss und Fortschritt. FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmten gegen die Reform und forderten die Streichung des sogenannten Werbeverbots. Die AfD lehnte jegliche Reform ab.

Der Paragraf 219a war 1933 von den Nationalsozialisten in das damalige Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen worden. Als Hintergrund gelten die propagierte Interner Link: "Rassen"- und Bevölkerungspolitik und eine Kriminalisierung jüdischer Ärzte. Seinen Interner Link: Ursprung hat der Paragraf allerdings bereits in der Weimarer Republik. Bis zur Reform 2019 wurde der §219a nahezu unverändert in das Strafgesetzbuch übernommen. Feministische Bewegungen setzten sich bereits seit den Siebzigerjahren für die Abschaffung des Abtreibungsverbots (§218) und des Werbeverbots ein. Interner Link: Ihnen gegenüber steht die Interner Link: sogenannte Lebensrechtsbewegung (auch "Lebensschutz"-Bewegung), die sich gegen Schwangerschaftsabbrüche einsetzt und in der Vergangenheit unter anderem Anzeigen gegen Ärztinnen und Ärzte wegen Verstößen gegen den §219a stellte.

Strafrechtliche Verfolgung von Ärztinnen und Ärzten

Angestoßen wurde die Reform unter anderem durch die Strafverfolgung der Ärztin Kristina Hänel. Auf ihrer Website informierte Hänel über Methoden zum Schwangerschaftsabbruch. 2017 wurde die Ärztin erstmals verurteilt und ging in Berufung. Der Fall ging 2021 bis vor das Bundesverfassungsgericht und wurde stets mit großem öffentlichem Interesse begleitet.

Offizielle Zahlen darüber, wie viele Ärztinnen und Ärzte aufgrund des §219a insgesamt verurteilt wurden gibt es nicht, da diese statistisch nicht erfasst werden. Aus der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts geht jedoch hervor, dass zwischen 2010 und 2015 insgesamt 69 Verstöße gegen §219a erfasst wurden.

Die Interner Link: Gynäkologinnen Nora Szász und Natascha Nicklaus, deren Fall im Podcast "Streit um §219a" begleitet wurde, sind 2017 angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft forderte für die Einstellung des Verfahrens die Ärztinnen auf, die veröffentlichten Informationen von der Website zu entfernen. Dem kamen sie nicht nach. Mit der Reform von 2019 wurde das Verfahren gegen die Ärztinnen eingestellt. Die Ärztinnen setzten sich weiterhin für das Informationsrecht zum Schwangerschaftsabbruch ein.

Reaktionen zur Aufhebung

Für viele Befürwortende der Gesetzesänderung reicht die Streichung des §219a nicht aus. So sieht Gynäkologin Nicklaus in der Aufhebung des §219a ein Zwischenziel. "Ich halte die Abschaffung des Werbungsverbots für eine sehr wichtige Entscheidung. Aber das große Ziel ist, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden – dort steht der Paragraf 218 ja im Rahmen der Tötungsdelikte", so Nicklaus Externer Link: in einem Interview.

Konservative Stimmen sowie Abtreibungsgegnerinnen und -gegner lehnen eine solche Aufhebung ab. Vertreter und Vertreterinnen der Katholischen Kirche etwa bedauerten die Entscheidung für die Streichung des §219a und sprachen sich für seinen Erhalt sowie eine verbesserte Informationslage aus. "Diese Lösung hätte aus Sicht der Kirche sowohl den Interessen der Frauen als auch dem verfassungsrechtlich geforderten Schutz des ungeborenen Lebens gedient", so Externer Link: Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz.

Auch in anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden und Irland wurden zuletzt Abtreibungsrechte liberalisiert. Hingegen kippte in den USA im Juni 2022 der Supreme Court nach fast 50 Jahren das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche, bevor ein Fötus lebensfähig ist, also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche.

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Anna Schulze ist Volontärin in der Online-Redaktion der bpb. Sie studierte Soziologie und Geschichtswissenschaft in Bielefeld, Potsdam und Athen. Zudem arbeitete sie u. a. für verschiedene Online-Magazine und Zeitungen.