Die sogenannten Ostverträge bezeichnen die 1972 geschlossenen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Sowjetunion – der
Moskauer Vertrag
Der Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland sowie der UdSSR gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Deutschen Einheit im Jahr 1990. Die in Artikel 3 des Moskauer Vertrags festgelegte "Unverletzlichkeit" der Grenzen betraf sowohl die Oder-Neiße-Linie zwischen der
Warschauer Vertrag
Ein weiterer zentraler Bestandteil der Ostverträge ist der Warschauer Vertrag. Die BRD und Polen verhandelten über die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze sowie die Ausreise deutschstämmiger Einwohnerinnen und Einwohner Polens im Rahmen der Familienzusammenführung. In Artikel 1 des Abkommens erklärten beide Staaten, "dass sie gegeneinander keinerlei Gebietsansprüche haben und solche auch in Zukunft nicht erheben werden". Zudem verpflichten sich die Vertragsparteien erneut zur friedlichen Lösung von zwischenstaatlichen Konflikten. Betont wird auch das beiderseitige Interesse an einer künftigen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen oder kulturellen Bereich. Am 7. Dezember 1970 unterzeichneten Bundeskanzler Willy Brandt und der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz sowie die Außenminister der beiden Länder den Warschauer Vertrag.
Debatten um Ostpolitik
Nach der Bundestagswahl im Jahr 1969 bildete sich erstmals eine Koalition von SPD und FDP auf Bundesebene unter Bundeskanzler Willy Brandt. Im Anschluss hatte sich die Regierung um Verträge mit der Sowjetunion und Polen bemüht. Ausschlaggebend für diese neue Haltung war auch die weltpolitisch angespannte Lage unter dem Eindruck des Wettrüstens zwischen den USA und der Sowjetunion. Seit Ende der 1960er-Jahre konnte die UdSSR theoretisch auf einen atomaren Angriff mit einem Gegenangriff reagieren. Die sowjetische Seite hingegen war an einem Vertrag mit der Bundesrepublik interessiert, um den Status quo in Europa zu sichern, innenpolitischen Druck zu verringern und weil sie sich wirtschaftliche Vorteile zum Beispiel durch westdeutsche Unterstützung bei der Erschließung von Öl- und Gasfeldern erhoffte.
Für Brandt waren die Verhandlungen äußerst schwierig. In der Bundesrepublik gab auch Widerstand gegen seine neue Ostpolitik. Mehrere Millionen Deutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer früheren osteuropäischen Heimat, die zu dem Zeitpunkt teils noch als deutsches Staatsgebiet galt und 1945 dann als Konsequenz des Potsdamer Abkommens der polnischen Verwaltung unterstellt wurde,
Auch die Verhandlungen mit der polnischen Regierung selbst waren schwierig. Die polnische Bevölkerung hatte während des Zweiten Weltkriegs unter einer grausamen deutschen Besatzungspolitik gelitten. In keinem anderen Land mit Ausnahme der Sowjetunion fielen Wehrmacht und SS-Verbänden so viele Menschen zu Opfer. Von den gut 35 Millionen Bürgerinnen und Bürgern Polens starben während der deutschen Besatzung knapp sechs Millionen. Viele Polinnen und Polen waren daher gegen diese Aussöhnungspolitik mit der BRD.
Zur Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses sollte schließlich auch eine Geste Brandts beitragen: Unmittelbar vor der Vertragsunterzeichnung am 7. Dezember 1970 legte der Kanzler am Mahnmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto einen Kranz ab und kniete überraschend nieder. Diese Geste wurde für viele Menschen ein Symbol seiner Ostpolitik.
Auf einen Blick: Ostverträge der Bundesrepublik
12. August 1970: Moskauer Vertrag mit der Sowjetunion
7. Dezember 1970: Warschauer Vertrag mit Polen
3. September 1971: Viermächteabkommen über Berlin
17. Dezember 1971: Transitabkommen mit der DDR
21. Dezember 1972: Grundlagenvertrag mit der DDR
11. Dezember 1973: Prager Vertrag mit der Tschechoslowakei
Konstruktives Misstrauensvotum gegen Brandt
Am 24. April 1972 mündete die weiterhin bestehende Kritik schließlich in einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt, das jedoch scheiterte. In der Folge einigten sich der oppositionelle CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel und Willy Brandt auf einen Kompromiss: Das Kernstück der Ostverträge solle die Verpflichtung zum Gewaltverzicht sein. Die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands hingegen sollte einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben. Am 17. Mai 1972 nahm der Bundestag schließlich beide Verträge an.
Ratifizierung der Ostverträge
Ende 1972 folgte mit dem sogenannten
Grundlagenvertrag mit DDR
Der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik" wurde ausgehandelt, um die Beziehungen zwischen der BRD und DDR zu normalisieren. Artikel 1 hatte zum Ziel, "normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung" zu entwickeln. Zwar sollten die Prinzipien der "souveränen Gleichheit aller Staaten, der Achtung der Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und territorialen Integrität, dem Selbstbestimmungsrecht, der Wahrung der Menschenrechte" (Artikel 2) gelten – eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR ging damit allerdings nicht einher. Die Vertragspartner einigten sich wie im Moskauer und Warschauer Vertrag darauf, Konflikte zukünftig friedlich zu lösen. Auch sollten laut Vertrag zwar keine Botschaften, dafür aber "Ständige Vertretungen" in den beiden Staaten eingerichtet werden. Am 21. Dezember 1972 wurde der Vertrag unterschrieben.
Brandt setzte seine Entspannungspolitik bis zu seinem Rücktritt 1974 fort. Beide deutsche Staaten näherten sich ebenso wie die beiden Machtblöcke in Ost und West zumindest phasenweise an. Rückblickend gelten die Ostverträge als ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Ost-West-Entspannung und der Aussöhnung zwischen Deutschland und Polen sowie der Sowjetunion. Obwohl Moskauer Vertrag, Warschauer Vertrag und das Grundlagenabkommen Gewaltverzicht und die Unverletzlichkeit der Grenzen als Eckpunkte enthielten, folgte die völkerrechtlich verbindliche Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze erst 1990 mit dem deutsch-polnischen Vertrag.