Bei der Parlamentswahl 2022 erreicht die Fidesz-Partei von Victor Orbán mit 53 Prozent der Stimmen die deutliche Mehrheit. Das Oppositionsbündnis "Vereint für Ungarn" kam auf 35 Prozent der Stimmen. Damit kommt Fidesz auf 135 der 199 Parlamentssitze und erreicht somit erneut auf eine Zweidrittelmehrheit. Das Sechs-Parteien Bündnis kommt auf 56 Mandate. Die Wahlbeteiligung lag bei fast 70 Prozent.
Seit 2010 regiert die Fidesz-Partei (Ungarischer Bürgerbund) unter Ministerpräsident Viktor Orbán. Bei der diesjährigen Wahl stand der rechtskonservativen Partei das Sechs-Parteien-Bündnis „Vereint für Ungarn“ unter dem konservativen Oppositionskandidat Péter Márki-Zay gegenüber. In dem Bündnis haben sich Oppositionsparteien von links bis Rechtsaußen zusammengeschlossen, um gegen die zunehmend autoritär regierende Fidesz anzutreten. Dazu gehören die sozialdemokratische Magyar Szocialista Párt (MSZP), die sozialliberale Demokratikus Koalíció (DK), die grüne LMP – Magyarország Zöld Pártja, die ebenfalls grüne Párbeszéd, die liberale Momentum und die rechtsextreme Jobbik-Partei, die sich zuletzt gemäßigter präsentierte und bei der Parlamentswahl 2018 zweitstärkste Kraft wurde.
Parallel zur Parlamentswahl wurde ein Referendum über das „Kinderschutzgesetz“ abgehalten. Das Externer Link: international kritisierte Gesetz wurde im Sommer 2021 erlassen und untersagt unter anderem Aufklärung über LGBTQ+ an Schulen. Das Referendum erreichte nicht das Quorum gültiger Stimmen.
Wahlkreise und Wahlrecht auf Orbáns Interessen zugeschnitten
2010 erlangte Fidesz in einem Wahlbündnis mit der christdemokratischen Volkspartei Kereszténydemokrata Néppárt (KDNP) eine Zweidrittelmehrheit. Damit konnte die gewählte Regierung unter Orbán, der bereits von 1998 bis 2002 Regierungschef war, Verfassungsänderungen unabhängig von anderen Parteien durchsetzen.
Mit einer weitreichenden Reform des Wahlgesetzes im Jahr 2011 wurde unter anderem die Zahl der Sitze im Parlament nahezu halbiert (von 386 auf 199) und der zweite Wahlgang abgeschafft. Zudem wurden die Wahlkreise neu zugeschnitten und das Wahlrecht für im Ausland lebende ungarische Staatsbürger/-innen gestärkt, die zuletzt mehrheitlich Fidesz wählten.
Das neue Wahlgesetz wurde erstmals bei der Parlamentswahl 2014 angewendet. Das Wahlbündnis aus Fidesz und KDNP erreichte erneut eine Zweidrittelmehrheit. Die Wahlen wurden von Wahlbeobachter/-innen zwar als frei aber nicht fair bewertet. Die
Breites Oppositionsbündnis "Vereint für Ungarn"
Spitzenkandidat des Oppositionsbündnisses "Vereint für Ungarn" ist der parteilose Péter Márki-Zay. Márki-Zay ist Bürgermeister von Hódmezővásárhely, einer ehemaligen Fidesz-Hochburg. Der Spitzenkandidat ist bekennender Katholik und hat sieben Kinder. Mit ihm hofft die Opposition größere Teile der konservativen ungarischen Landbevölkerung zu gewinnen, die bislang das Rückgrat der Fidesz bilden. In einer Vorwahl hatte Márki-Zay mehrere Kandidaten/-innen der anderen Oppositionsparteien besiegt und wurde dabei auch von der rechtsextremen
Neben der Sechs-Parteien-Liste "Vereint für Ungarn" und der Fidesz/KDNP-Liste treten noch zwei weitere Parteien an: Die "Partei des zweischwänzigen Hundes" (MKKP), eine Satirepartei, und die rechtsextreme "Ungarische Morgenröte" (MH).
Wahlkampfthemen: Korruption, schwache Wirtschaft und der Krieg in der Ukraine
Orbán versuchte im Wahlkampf mit Steuersenkungen und zusätzlichen Sozialleistungen bei der unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid19-Pandemie leidenden Bevölkerung zu punkten. Die Opposition versuchte derweil die massive Korruption zu einem der großen Wahlkampfthemen zu machen. Transparency International listete Ungarn 2021 als zweitkorruptesten EU-Mitgliedstaat.
Auch die hohe Inflation, die durch den Ukrainekrieg nochmal verstärkt wurde und von der vor allem ärmere Ungarn betroffen sind, war Wahlkampfthema. Orbán versuchte deren Folgen mit einer staatlichen Preisbremse für bestimmte Lebensmittel abzumildern. Musste sich Orban nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für seine Nähe zu Putin rechtfertigen, hat sich die öffentliche Diskussion im Laufe des Wahlkampfs zu seinen Gunsten verändert. Er kommunizierte seine langjährige Politikerfahrung als Garant für den Frieden in Ungarn. Seinem Gegner warf er dessen politische Unerfahrenheit vor. Mittlerweile trägt Ungarn die EU-Sanktionen gegen Russland mit, bleibt aber unter anderem energiepolitisch eng mit Russland verbunden. Externer Link: Das Land bezieht knapp 75 Prozent seiner Energie aus Russland. Orbán hatte sich auch zunächst gegen NATO-Truppen in Ungarn ausgesprochen, diesen aber mit der Einschränkung zugestimmt, keine Waffen über Ungarn in die Ukraine zu transportieren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte Orbán daraufhin wegen zurückhaltender Unterstützung.
Im Wahlkampf waren fast alle ungarischen Medien auf Fidesz-Kurs. Die öffentlich-rechtlichen Radio- und TV-Sender sowie die einzige Nachrichtenagentur MTI wurden in der staatlichen Medienholding MTVA zentralisiert. Die regionale Presse und große Nachrichtenportale sind seit Sommer 2017 vollständig im Besitz Orbán-naher Unternehmer. Wichtige unabhängige Medien wie die überregionalen Zeitungen Népszabadság oder Magyar Nemzet sind mittlerweile eingestellt.
Schwächung demokratischer Institutionen
In den vergangenen zwölf Jahren wurden
Orbán selbst sprach 2014 von Ungarn als einem "illiberalen Staat". Die ungarische Nation sei keine Ansammlung von Individuen, sondern eine Gemeinschaft, die organisiert, gestärkt und aufgebaut werden müsse. Minderheiten werden zunehmend diskriminiert, die Zivilgesellschaft eingeschränkt.
Das EU-Parlament kritisiert die Aushöhlung von Rechtsstaat, Medienfreiheit und Demokratie in Ungarn. Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Journalisten können immer weniger frei arbeiten. Für die diesjährige Wahl plante die OSZE eine umfangreiche Beobachtung und schickte 200 Wahlbeobachter/-innen nach Ungarn.