Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien 2022 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien 2022

Redaktion

/ 4 Minuten zu lesen

Am 3. April fanden in Serbien vorgezogene Neuwahlen für die Nationalversammlung statt. Am gleichen Tag wählte das Land auch einen neuen Präsidenten. Aleksandar Vučić und seine Partei SNS haben die Wahlen laut der vorläufigen Ergebnisse gewonnen.

Abendansicht des Parlamentsgebäudes in der serbischen Hauptstadt Belgrad. (© picture-alliance, Zoonar)

Etwa 6,5 Millionen Wahlberechtigte waren am 3. April in Serbien zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen aufgerufen. Nach den vorläufigen Endergebnissen hat der derzeitige serbische Präsident Aleksandar Vučić, der seit 2017 im Amt ist und zuvor Ministerpräsident des Landes war, die Präsidentschaftswahl gewonnen. Der Amtsinhaber kam auf 59 Prozent der Stimmen. Sein wichtigster Herausforderer war der von mehreren Oppositionsparteien unterstützte ehemalige serbische Generalstabschef Zdravko Ponoš, der knapp 18 Prozent erzielte.

Präsident Vučić ist Mitglied der rechts-konservativen Serbischen Fortschrittspartei (Srpska napredna stranka, SNS). Ana Brnabić, seit 2019 SNS-Mitglied, ist die amtierende Regierungschefin Serbiens. Bei den Parlamentswahlen erhielt die Partei SNS laut den vorläufigen Ergebnissen rund 43 Prozent und verlor damit ihre absolute Mehrheit im Parlament. Die Sozialistische Partei Serbiens erzielte 11,5 Prozent. Die oppositionelle Koalition „Vereinigtes Serbien“ kam auf 13,5 Prozent der Stimmen, das ebenfalls oppositionelle Bündnis „Moramo“ („Wir müssen“) auf etwa 4,5 Prozent. Auch zwei rechtsextreme Parteien sowie Parteien ethnischer Minderheiten zogen ins Parlament ein.

Warum kam es zu Neuwahlen?

Ein umfassender Boykott der Opposition überschattete die letzte Parlamentswahl im Jahr 2020. Das Zerwürfnis zwischen Regierung und Opposition reicht bis in das Jahr 2018 zurück. Damals kam es in ganz Serbien zu regierungskritischen Protesten. Im Februar 2019 unterzeichneten führende Oppositionspolitikerinnen und -politiker eine sogenannte "Vereinbarung mit dem Volk", in der sie sich für Medienfreiheit sowie faire und freie Wahlen aussprachen. Ebenso einigten sich die unterzeichnenden Politikerinnen und Politiker darauf, sich nicht an Wahlen zu beteiligen, die diesen Kriterien nicht entsprächen.

Bis Frühjahr 2020 erklärten daraufhin zahlreiche Oppositionsparteien ihren Boykott der Parlamentswahl am 21. Juni 2020. Die regierende SNS gewann in Abwesenheit ernsthafter politischer Konkurrenz 188 der 250 Sitze, die übrigen damaligen Regierungsparteien kamen auf 43 Sitze. Alle restlichen Mandate gingen an Vertreterinnen und Vertreter von Parteien ethnischer Minderheiten.

Bereits vor der Wahl war es zu weiteren Massenprotesten in Serbien gekommen, die sich gegen die damals geltenden Pandemie-Maßnahmen richteten, gleichzeitig aber auch grundsätzliche Kritik an der Regierung übten. Mit Abschluss der Regierungsbildung im Oktober 2020 kündigte Aleksandar Vučić an, dass es im Jahr 2022 zu vorgezogenen Neuwahlen des Parlaments kommen sollte.

In der Folge gab es Gespräche zwischen Regierung und Opposition, die im Oktober 2021 in einer Vereinbarung zwischen neun Parteien zur Reform des Wahlrechts führte. Diese schrieb erweiterte Transparenzbedingungen für den Wahlvorgang fest. Gleichzeitig legten die Gesprächspartner fest, dass die vorgezogene Neuwahl des Parlaments am 3. April 2022 stattfinden solle. Die erste Runde der Präsidentschaftswahl wurde auf den gleichen Tag gelegt. Im Februar 2022 vereinbarten Regierung und Opposition abermals Veränderungen im Wahlrecht, um unter anderem Oppositionsparteien in der Wahlkommission besser zu repräsentieren.

Wer stand zur Wahl?

Für die Parlamentswahl 2022 waren insgesamt 19 Listenvorschläge mit 2.863 Kandidaten zugelassen. Die einflussreichste Partei Serbiens ist die regierende, rechts-konservative SNS mit ihrer Spitzenkandidatin Danica Grujičić. Die SNS vertritt nationalistische und wirtschaftsliberale Positionen. Im Interner Link: Europarat kooperiert sie mit der Europäischen Volkspartei (EVP). Außenpolitisch will sie Serbien in die Interner Link: EU führen, gleichzeitig aber die historisch engen Beziehungen zu Interner Link: Russland pflegen.

Die links-nationalistische Sozialistische Partei Serbiens (Socijalistička partija Srbije, SPS) gehörte bisher ebenfalls der Regierung an. Ihr Spitzenkandidat war Ivica Dačić.

Das größte Oppositionsbündnis ist die Koalition "Vereinigtes Serbien" (Ujedinjena Srbija, US), die aus einer Vielzahl größerer und kleinerer, ideologisch unterschiedlich ausgerichteter, Parteien besteht: darunter die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (Stranka slobode i pravde, SSP), die Demokratische Partei (Demokratska stranka, DS), die Volkspartei (Narodna stranka, NS) und die Bewegung der Freien Bürger (Pokret slobodnih građana, PSG). Als ihre Spitzenkandidatin trat Marinika Tepić an. Ein weiteres Oppositionsbündnis ist die grüne Parteienkoalition "Moramo" ("Wir müssen").

Bei der Präsidentschaftswahl trat Aleksandar Vučić erneut als Kandidat für die SNS an. Für das "Vereinigte Serbien" ging Ex-Generalstabschef Zdravko Ponoš ins Rennen. Mit Milica Đurđević Stamenkovski und Boško Obradović traten zwei Kandidaten an, die dem rechten beziehungsweise rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden.

Wahlkampfthemen

Die Wahlen in Serbien fanden vor dem Hintergrund des Interner Link: russischen Überfalls auf die Ukraine statt. Russland und Serbien sehen sich traditionell als Verbündete an. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kam es in Serbien zu größeren, von Rechtsextremen angeführten, prorussischen Demonstrationen. Serbien ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Der russische Erdgaskonzern Gazprom ist zugleich Mehrheitsgesellschafter des größten serbischen Energieversorgers NIS.

Einerseits bekennt Vučić sich zur territorialen Unverletzbarkeit der Ukraine, seine Regierung hat außerdem in der Interner Link: UN-Vollversammlung der Resolution zur Verurteilung des russischen Überfalls zugestimmt. Andererseits hat Serbien sich bisher nicht den Sanktionsmaßnahmen des Westens gegen Russland angeschlossen.

Das Land befindet sich seit 2014 in Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union. Von Seiten der EU gab es bereits Kritik an der unklaren Haltung Serbiens zum Krieg in der Ukraine.

Die serbische Opposition kritisierte in ihrem Wahlkampf korrupte Strukturen in der Regierung. Auch prangerten sie den aus ihrer Sicht autoritären Führungsstil von Vučić an. Darüber hinaus prägte der Umweltschutz den serbischen Wahlkampf. Der Bergbau-Konzern Rio Tinto wollte im Jadar-Tal Lithium abbauen. Es kam zu Protesten, im Januar verbot die Regierung schließlich das Projekt.

Mehr zum Thema:

Weitere Inhalte

„Hintergrund Aktuell“ ist ein Angebot der Onlineredaktion der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Es wird von den Redakteur/-innen und Volontär/-innen der Onlineredaktion der bpb redaktionell verantwortet und seit 2017 zusammen mit dem Südpol-Redaktionsbüro Köster & Vierecke erstellt.

Interner Link: Mehr Informationen zur Redaktion von "Hintergrund aktuell"