Am 29. März 2017 unterrichtete die britische Regierung den Europäischen Rat offiziell von ihrer Absicht, aus der Europäischen Union (EU) austreten zu wollen. Damit leitete das Vereinigte Königreich das Externer Link: EU-Austrittsverfahren nach Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union ein. Zuvor hatten die britischen Wählerinnen und Wähler am 23. Juni 2017 in einem Referendum mehrheitlich für den Austritt aus der EU gestimmt. Bei einer Wahlbeteiligung von 72,2 Prozent votierten knapp 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler für und rund 48 Prozent gegen einen Austritt. Auf den Volksentscheid folgten schwierige Verhandlungen über die Modalitäten des britischen EU-Austritts (Brexit), der nach mehrmaligen Verschiebungen schließlich am 31. Januar 2020 vollzogen wurde.
Referendum ebnet den Weg für einen Austritt Großbritanniens
Viele Brexit-Befürworterinnen und Befürworter waren davon überzeugt, dass Großbritannien die Zuwanderung in das Vereinigte Königreich nach einem EU-Austritt besser begrenzen könne. Auch andere Themen wie etwa die Mitgliedsbeiträge zum EU-Budget, die gemeinsamen EU-Regelungen zu Handelsbeziehungen oder der generelle Einfluss der Europäischen Union spielten in der Debatte um den Austritt Großbritanniens eine entscheidende Rolle. Die Gegnerinnen und Gegner des EU-Austritts argumentierten unter anderem, dass durch einen Brexit die Sicherheit des Landes gefährdet würde, Großbritannien auf internationaler Bühne geschwächt und die britische Wirtschaft durch einen Austritt Schaden nehmen würde, sollte Großbritannien seinen Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren. Nicht nur in der Politik, sondern auch in den Zeitungen, Rundfunksendern sowie den sozialen Medien wurde die Debatte um einen Brexit vehement ausgetragen.
Bereits Anfang der 2010er Jahre mehrten sich Stimmen, die sich für einen Austritt Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft aussprachen. Die rechte United Kingdom Independence Party (UKIP), die einen schnellstmöglichen Brexit forderte, errang bei der Europawahl 2014 rund 27 Prozent der Stimmen.
Schon Anfang 2013 hatte der damalige Premierminister David Cameron versprochen, im Falle eines Wahlsiegs seiner Interner Link: Konservativen Partei bei der Unterhauswahl 2015 die Beziehungen Großbritanniens zur EU neu auszuhandeln und über den Verbleib seines Landes in der EU in einem Referendum abstimmen zu lassen.
Nach dem Wahlsieg 2015 kündigte die Konservative Partei dieses Referendum noch für das Jahr 2016 an. Außerdem handelte Cameron mit den anderen Staats- und Regierungschefs der EU eine Sonderstellung für Großbritannien für den Fall eines Verbleibs aus: So sollten die Sozialleistungen für Geringverdienerinnen und Geringverdiener aus anderen EU-Staaten für vier Jahre beschnitten werden können. Außerdem erkannten die EU-Staaten an, dass Großbritannien nicht zu einer weiteren politischen Integration verpflichtet werden könne, wenn sich die britische Bevölkerung für den Verbleib des Landes in der EU entschiede.
Brexit vertieft Gräben in britischer Gesellschaft
Obwohl einige Umfragen zuvor eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU prognostiziert hatten, stimmte die britische Bevölkerung am 23. Juni 2016 mehrheitlich für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Daraufhin erklärte der amtierende Premierminister David Cameron, der sich für einen Verbleib in der EU eingesetzte hatte, am darauffolgenden Tag seinen Rücktritt.
Das Brexit-Votum zeigte politische Trennlinien innerhalb der britischen Gesellschaft auf: Während sich die Mehrheit in England und Wales für den Austritt aussprach, stimmte in Nordirland und Schottland eine Mehrheit für einen Verbleib in der EU – in Interner Link: Schottland waren es mit 62 Prozent fast zwei Drittel der Wahlberechtigten. Auch die Hauptstadt und Wirtschaftsmetropole London stimmte mehrheitlich gegen den Brexit.
Neben regionalen spielten auch sozio-ökonomische Faktoren eine Rolle: Während junge Wählerinnen und Wähler und diejenigen mit hohen Bildungsabschlüssen eher für den Verbleib in der EU stimmten, votierten ältere Britinnen und Briten und diejenigen mit geringen Bildungsqualifikationen eher für den Brexit.
Die Drohkulisse eines harten Brexits
Sowohl die oppositionelle Interner Link: Labour-Partei als auch die regierenden Tories erkannten das Ergebnis der Abstimmung als bindend an. Nachdem das Interner Link: Unterhaus das Brexit-Gesetz verabschiedet hatte, leitete Camerons Nachfolgerin, die damalige britische Premierministerin Theresa May, im März 2017 offiziell die Interner Link: Austrittsverhandlungen mit der EU ein. Gemäß Artikel 50 des Interner Link: EU-Vertrags war zunächst vorgesehen, die Verhandlungen innerhalb von zwei Jahren abzuschließen – doch die Frist musste wegen der schleppenden Verhandlungen mehrmals verlängert werden.
Im November 2018 gelang es Theresa May, einen vorläufigen Austrittsvertrag auszuhandeln, der von den 27 verbleibenden EU-Staaten gebilligt wurde und einen Ausstieg bis zum 29. März 2019 vorsah. Interner Link: Trotz wiederholter Nachverhandlungen wurde das von May ausgehandelte Austrittsabkommen 2019 mehrfach im britischen Unterhaus abgelehnt.
Um einen Brexit ohne Vertrag zu verhindern, wurde der Termin des Austritts zuerst auf den 12. April und dann auf den 31. Oktober 2019 verschoben. May trat schließlich im Sommer 2019 zurück. Ihr Nachfolger Boris Johnson stellte sich auf einen harten Brexit ohne Abkommen ein und versprach den Britinnen und Briten, am 31. Oktober 2019 aus der EU auszutreten. Allerdings verabschiedete das britische Unterhaus ein Gesetz gegen einen ungeregelten Brexit und die EU bewilligte erneut eine Fristverlängerung bis zum 31. Januar 2020.
Bei den von Boris Johnson angesetzten Interner Link: Neuwahlen im Dezember 2019 konnten die Tories eine absolute Mehrheit im Unterhaus erringen. Gestützt auf diese neue Mehrheit gelang es Johnson am 20. Dezember, den mit der EU verhandelten Austrittsvertrag durch das Unterhaus zu bringen. Nach der Zustimmung des Oberhauses und des EU-Parlaments Ende Januar 2020 stand der Austritt des Vereinigten Königreichs am 31. Januar fest.
Laut dem vereinbarten Austrittsabkommen verlor das Vereinigte Königreich am 1. Februar 2020 sein Mitbestimmungsrecht in den EU-Institutionen. Während der bis Ende 2020 eingeräumten Übergangsphase blieb Großbritannien jedoch ein Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion. Auch für die Bürgerinnen und Bürger änderte sich bis dahin nichts.
Harte Verhandlungen um Handelsabkommen
Die Verhandlungen für das Folgeabkommen zwischen der EU und Großbritannien wurden hart geführt, weshalb ein ungeregelter Brexit lange Zeit möglich erschien. Am 24. Dezember 2020 einigten sich die EU und das Vereinigte Königreich schließlich nach monatelangen Verhandlungen doch Interner Link: auf ein Handels- und Kooperationsabkommen, welches am 1. Januar 2021 vorläufig und durch die Zustimmung des Europäischen Parlaments und Rats zum 1. Mai 2021 dauerhaft in Kraft trat.
Das Abkommen beinhaltet eine Freihandelsvereinbarung, nach der auch künftig im beidseitigen Warenverkehr keine Zölle fällig werden. Außerdem soll es keine Mengenbeschränkungen für den Import von Waren sowie insgesamt möglichst vereinfachte Ein- und Ausfuhrkontrollen geben. Eine "harte" Grenze zwischen der Republik Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland wurde durch das sogenannte Nordirland-Protokoll abgewendet, das die Zollgrenze de facto in die Irische See verschiebt. Das Abkommen regelt außerdem eine weitgehende Zusammenarbeit im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung.
Zudem wollen beide Seiten dem Vertragswerk zufolge weiterhin in diversen weiteren Bereichen eng kooperieren, insbesondere in der Energiepolitik und dem Klimaschutz. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt für den Bankensektor wurde jedoch nicht im Handelsabkommen aufgenommen. Die Personenfreizügigkeit für EU-Bürgerinnen und -Bürger im Vereinigten Königreich und für britische Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU ist seit dem 1. Januar 2021 zeitlich begrenzt.
Bis zuletzt wurde über faire Wettbewerbsbedingungen und Fischereirechte verhandelt – die Fischerei macht mit 520 Millionen Euro zwar nur einen kleinen Teil des Gesamthandelsvolumens aus, dennoch galt sie politisch als wichtige Antriebskraft für den Brexit.
Folgen des Brexits
Nach dem Ende der eingeräumten Übergangsphase zum 1. Januar 2021 sieht sich die britische Wirtschaft gleichzeitig mit dem Austritt aus der EU auch den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ausgesetzt. Britische Parlamentarierinnen und Parlamentarier kamen im Februar 2021 zu dem Urteil, dass die bis dato einzigen feststellbaren Auswirkungen des Brexits auf britische Unternehmen höhere Kosten, mehr Bürokratie und Verzögerungen an den Grenzen seien. Auch die strengeren Einwanderungsregeln bereiten dem Vereinigten Königreich wirtschaftliche Schwierigkeiten, etwa im Lieferverkehr oder in der Pflege.
Der Austritt Großbritanniens wirkt sich auch auf den deutsch-britischen Handel aus. Betrug das Handelsvolumen der britischen Importe in die Bundesrepublik laut Statistischem Amt der EU 2018 vor dem Brexit noch etwa 41 Mrd. Euro, lag dieses im Jahr 2021 nur noch bei 28 Mrd. Euro und weist damit einen Rückgang um rund ca. 30 Prozent auf. Ein ähnlicher Trend lässt sich beim Export deutscher Güter erkennen. Umfasste der Export 2018 noch 82 Mrd. Euro, waren es 2021 ca. 67 Mrd. Euro – ein Rückgang um 18 Prozent. Der Rückgang ist nicht allein auf den Brexit zurückzuführen, auch die COVID-19-Pandemie sowie der Strukturwandel in der Automobilindustrie haben dazu beigetragen.
Die politischen Folgen des Brexits sowohl für Großbritannien als auch für die EU bleiben abzuwarten. So erzielten bei den Interner Link: schottischen Regionalwahlen 2021 die Parteien, die eine Loslösung vom Vereinigten Königreich anstreben, eine Mehrheit. Anfang Februar 2022 trat Nordirlands Erster Minister, Paul Givan, aus Kritik am Nordirland-Protokoll und den vorgesehen Zoll-Kontrollen zwischen Nordirland und Schottland, England und Wales zurück.
Mehr zum Thema