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Sondervermögen Bundeswehr

Redaktion

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Deutschland will angesichts der russischen Bedrohung deutlich mehr Geld in seine Verteidigung investieren. Dazu plant die Bundesregierung die Einrichtung eines Sondervermögens außerhalb des regulären Haushalts. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bund auf diesem Wege für große Herausforderungen Geld beschafft.

Bundeskanzler Olaf Scholz wird von Eberhard Zorn (l), Generalinspekteur der Bundeswehr, und Bernd Schütt (r), Befehlshaber Einsatzführungskommando der Bundeswehr, vor dem Besuch beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr begrüßt. (© picture alliance/dpa | Michael Kappeler)

Die Bundesregierung plant die deutschen Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Die Bundeswehr soll baldmöglichst mit einem einmaligen Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro ausgestattet werden. Das hat Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Rede vor dem Bundestag Ende Februar bekannt gegeben. Die Bundesrepublik soll darüber hinaus "von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren".

Die Bundeswehr brauche angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine "neue, starke Fähigkeiten", so der Regierungschef. Scholz sprach von einer "Zeitenwende" in der Verteidigungspolitik. Ziel sei eine leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Bundeswehr.

Neue Kampfflugzeuge und Panzer

Das Geld soll laut Mitteilung des Verteidigungsministeriums "in notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben der Bundeswehr fließen". So etwa in bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät sowie Personal. Bundeskanzler Scholz benannte als eines der wichtigsten anstehenden Projekte den Bau der nächsten Generation von Kampfflugzeugen und Panzern gemeinsam mit den europäischen Partnern.

Der geplante Anstieg der Militärausgaben ist deutlich. 2020 lag der Anteil des Bundeswehretats am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 1,4 Prozent – künftig soll er stets bei mindestens 2 Prozent liegen. Auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerechnet lagen die Verteidigungsausgaben hierzulande 2020 teils unter denen anderer großer Nato-Staaten wie etwa Italien (1,6 Prozent), Großbritannien (2,2 Prozent) oder den USA (3,7 Prozent).

In absoluten Zahlen gehörte der Verteidigungshaushalt aber auch schon bisher zu den zehn größten der Welt. Dem Friedensforschungsinstitut Sipri zufolge gab Deutschland 2020 mit gut 47 Milliarden Euro in etwa so viel für seine Verteidigung aus wie Frankreich. Allerdings wurde in jüngster Vergangenheit immer wieder Kritik laut, die Bundeswehr sei in einem insgesamt eher schlechten Zustand und nur "bedingt abwehrbereit". Tatsächlich waren einem im Januar vorgestellten Bericht des Verteidigungsministeriums zufolge nur 40 Prozent der Bundeswehr-Hubschrauber einsatzbereit. Und auch von den Schützenpanzern des Typs Puma waren zuletzt nur etwa zwei Drittel einsatzfähig.

Um das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben zu erreichen, wären bei einem BIP von gut 3,5 Billionen Euro rund 70 Milliarden Euro im Jahr nötig. Im Vergleich zum aktuellen Verteidigungshaushalt fehlen demnach grob gerechnet jährlich ungefähr 20 Milliarden Euro. Mit dem Sondervermögen wäre die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels bis Ende 2026 gesichert, so die Überlegung der Regierung.

Verteidigungshaushalt seit 2014 stetig gewachsen

Zwar ist die vorgesehene Steigerung des Verteidigungshaushalts die größte in der Geschichte des wiedervereinigten Deutschlands. Sie steht aber in eine Reihe mit den zuletzt seit 2014 kontinuierlich gewachsenem Verteidigungshaushalt. Er stieg von rund 32 Milliarden Euro 2014 auf etwa 47 Milliarden Euro im vergangenen Haushaltsjahr.

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Bundesrepublik große Investitionssummen mithilfe eines sogenannten Sondervermögens finanziert werden. Sie wurden in der Vergangenheit etwa dann gebildet, wenn konkrete, eindeutig umrissene Aufgaben finanziert werden mussten. Sondervermögen sind Teile des Bundesvermögens, die getrennt vom laufenden Haushalt verwaltet werden. Dies geschieht in der Regel durch Bundesbehörden.

Sondervermögen des Bundes sind etwa das Bundeseisenbahnvermögen, das Sondervermögen "Kinderbetreuungsausbau" oder das European Recovery Program (ERP), das mit seinen zinsgünstigen Krediten zu den wichtigsten Instrumenten der deutschen Wirtschaftsförderung gehört. Es gibt Sondervermögen, die über den Bundeshaushalt und weitere Einnahmen mitfinanziert werden, so etwa der Energie- und Klimafonds (EKF), der aus Erlösen des Emissionshandels und aus Zuschüssen des Bundes finanziert wird.

Grundgesetzänderung geplant

Normalerweise werden Sondervermögen des Bundes per Gesetz eingerichtet. Es ist jedoch auch möglich, diese per Zwei-Drittel-Mehrheit im Grundgesetz zu verankern. Diesen Weg möchte Scholz beim Sondervermögen für die Bundeswehr beschreiten. Die Mehrheit der Mitglieder der Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und FDP begrüßen dies und auch aus der Union gibt es positive Signale für einen solchen Schritt.

Sondervermögen wurden in der Vergangenheit häufig kritisiert, da sie von Regierungen auch eingesetzt wurden, um neue Schulden und eine schlechte Haushaltslage zu verschleiern. Sie werden daher mitunter als Schattenhaushalte bezeichnet. Bis Ende des Jahres 2010 ermöglichte Artikel 115 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass Sondervermögen nicht zum Haushalt gerechnet werden konnten. Sie konnten als sogenannte Nebenhaushalte mit eigener Kreditermächtigung geführt werden. Sondervermögen, die bis Ende 2010 aufgenommen wurden und eine eigene Kreditermächtigung haben, sind von der Schuldenbremse bis heute nicht betroffen. Seit 2011 greift in der Regel die Schuldenbremse: Die neu aufgenommenen Schulden dürfen demnach höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.

Wie das Sondervermögen für die Bundeswehr rechtlich und inhaltlich konkret ausgestaltet werden soll, ist in weiten Teilen noch unklar. Entsprechende Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern aus SPD, Grünen und FDP laufen mit Hochdruck. Auch die Union muss am Ende miteingebunden werden. Nur mit ihr kann eine Verankerung des Sondervermögens der Bundeswehr im Grundgesetz umgesetzt werden. Verfassungsjuristen prüfen aktuell, wie eine rechtssichere Ausgestaltung sichergestellt werden kann.

Ob höhere Verteidigungsausgaben zur Abwehr einer möglichen Gefahr eines russischen Angriffs auf Nato-Gebiet als Notsituation im Sinne des Artikels 115 des Grundgesetzes zu verstehen sind, ist innerhalb der Koalition umstritten. Zwar erlaubt Artikel 115 eine Ausnahme von der Schuldenregel für "außergewöhnliche Notsituationen". Höhere Verteidigungsausgaben seien jedoch keine Ausgaben zur Bewältigung einer Krise. Sie dienten vielmehr deren Prävention, argumentieren Befürworter eines Sondervermögens. Aus diesem Grund wollen die Koalitionäre die 100 Milliarden Euro für die Verteidigung im Grundgesetz verankern, um so einen Verstoß gegen die Schuldenbremse ab 2023 in jedem Fall zu vermeiden. Am wahrscheinlichsten gilt im Regierungslager, dass die Summe in Artikel 87a verankert wird. Dort sind die zentralen Regelungen zu den Strukturen der deutschen Streitkräfte geregelt.

Prinzipiell greift die Schuldenbremse auch bei Sondervermögen

Aus Kreisen der Bundesregierung heißt es, damit die Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden kann, solle das Geld allein dem Haushaltsjahr 2022 zugerechnet werden – egal, wann die Schulden tatsächlich aufgenommen und die Mittel ausgegeben werden.

Würden die höheren Verteidigungsausgaben über den regulären Haushalt finanziert, wären Steuererhöhungen oder massive Einsparungen in anderen Bereichen, etwa bei den Sozialausgaben nötig. Letztere machen traditionell den größten Posten im Haushalt aus. Grüne und SPD lehnen Kürzungen dort jedoch ab, die FDP dagegen eine Finanzierung der Mehrausgaben für die Bundeswehr über höhere Steuern. Als Kompromiss einigte man sich auf die Finanzierung aus einem Sondervermögen.

Das Sondervermögen der Bundeswehr wird nach derzeitigem Planungsstand mit einer sogenannten einmaligen Kreditermächtigung ausgestattet. Immer dann, wenn die Bundeswehr Mittel benötigt, können so Schulden auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden.

Zur Zeit (noch) günstige Finanzierungskosten

Die staatliche Kreditaufnahme erfolgt über die Finanzagentur des Bundes, die sich wegen der niedrigen Zinsen und der sehr guten Bonität in den vergangenen Jahren sehr günstig Geld leihen konnte. Anfallende Kreditzinsen werden bei Sondervermögen in der Regel aus den laufenden Haushalten der kommenden Jahre bedient. Dies soll auch beim 100-Milliarden-Sondervermögen der Fall sein. In den vergangenen Jahren verdiente Deutschland bei der Kreditaufnahme sogar, weil Anleger bereit waren, negative Renditen in Kauf zu nehmen, um noch höhere Minuszinsen bei den Banken zu vermeiden. Wie teuer die Kreditaufnahme in Zukunft wird, hängt wesentlich von der momentan schwer einschätzbaren Entwicklung der Leitzinsen der Zentralbanken ab.

Einigkeit besteht in den Koalitionsparteien, dass die Mittel des zu beschließenden Sondervermögens zweckgebunden für die Landesverteidigung zur Verfügung stehen sollen. Politikerinnen und Politiker der Grünen und Teile der SPD drängen jedoch darauf, dass dieser Begriff weit gefasst wird. So soll etwa auch eine auf die Stärkung der Versorgungsautarkie gerichtete Energiepolitik darunterfallen. Viele Liberale und die Union, deren Zustimmung für eine Grundgesetzänderung benötigt wird, pochen jedoch darauf, dass das Geld ausschließlich für die Finanzierung der Bundeswehr herangezogen wird.

Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte auf Anfrage, die Bundesregierung arbeite "gerade mit Hochdruck an Vorschlägen zur Erarbeitung eines Sondervermögens", die "in Kürze vorgestellt" würden. Zu Details wollte man sich nicht äußern. Zwar gibt es unter Grünen und Sozialdemokraten einige Bundestagsabgeordnete, die möglicherweise gegen das 100-Milliarden-Sondervermögen stimmen wollen, die überwiegende Mehrheit der beiden Fraktionen steht jedoch dem Vernehmen nach ebenso wie die FDP hinter dem Plan des Bundeskanzlers. Auch CDU und CSU haben bereits ihre prinzipielle Zustimmung für die Mehrausgaben signalisiert. Über die Details dürfte in den kommenden Wochen jedoch noch gestritten werden.

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