Am 31. August 1990 unterzeichnen Bundesinnenminister Schäuble und DDR-Staatssekretär Krause den Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands. Auf rund 1.000 Seiten regelt der Einigungsvertrag die rechtlichen Grundlagen für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.
Am 31. August 1990 wurde im Ost-Berliner Kronprinzenpalais deutsche Geschichte geschrieben. Nach vier Spitzengesprächen und zuletzt nächtelangen Sitzungen unterzeichneten die beiden Verhandlungsführer Innenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause den "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands" (kurz:
DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière bezeichnete den von beiden deutschen Regierungen ausgehandelten Vertrag im Anschluss als einen "Erfolg für die Demokratie".
In neun Kapiteln und 45 Artikeln regelt das Vertragswerk auf rund 1.000 Seiten die Bedingungen für die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde damit auf das bisherige Gebiet der DDR ausgedehnt. Aus den 14 DDR-Bezirken wurden die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gebildet. Die 23 Bezirke von Berlin wurden zum Land Berlin zusammengelegt, das zugleich als Hauptstadt des vereinten Deutschlands bestimmt wurde.
Ferner legte der Vertrag fest, dass die Bundesrepublik das DDR-Vermögen übernehmen und für die Schulden der DDR haften sollte. Die Privatisierung des DDR-Vermögen sollte die im März 1990 eingerichtete
Beitritt nach Artikel 23 GG
Bereits am 6. Juli 1990 hatten die Verhandlungen über den Einigungsvertrag begonnen - nur wenige Tage nach Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, mit der die DDR bereits große Teile der Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik übernommen und die D-Mark eingeführt hatte. Allerdings war damit noch nicht abschließend geklärt, wie eine künftige staatliche Ordnung aussehen sollte. Laut Grundgesetz der Bundesrepublik gab es zwei Möglichkeiten, die Einheit beider Länder herzustellen: Nach Artikel 23 GG konnten "andere Teile Deutschlands" dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten. Dies ermöglichte einen raschen Beitritt der DDR. Die zweite Variante eröffnete Artikel 146 GG, wonach eine neue, gesamtdeutsche Verfassung das Grundgesetz hätte ablösen können.
Die überwiegende Mehrheit der Ost- und Westdeutschen sprach sich in Umfragen für das Grundgesetz als gesamtdeutsche Verfassung aus. Eine Woche vor Unterzeichnung des Einigungsvertrags stimmte auch die DDR-Volkskammer für den Beitritt zur Bundesrepublik gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes.
Aufgrund der Systemunterschiede und der verschiedenen Rechtsordnungen der beiden deutschen Staaten gab es bei den Beitrittsverhandlungen eine Reihe offener Punkte, die detaillierte Anpassungsregelungen erforderten. Klärungsbedarf gab es unter anderem im Umgang mit den Stasi-Akten und dem SED-Parteivermögen. Bezüglich der Stasi-Akten wurde eine Zusatzklausel in den Einigungsvertrag aufgenommen: Nach der Wiedervereinigung sollte möglichst bald ein Stasiunterlagengesetz verabschiedet werden. Dem ging ein Beschluss der Volkskammer voraus, die wenige Tage vor Unterzeichnung des Einigungsvertrages ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hatte. Darin wurde die Nutzung personenbezogener Daten im Rahmen der Aufarbeitung der Stasi-Akten erlaubt.
"Rückgabe vor Entschädigung"
Aus dem SED-Parteivermögen und dem DDR-Eigentum ergaben sich vermögensrechtlichen Fragen – etwa beim Thema Enteignungen. Dazu hatten sich die DDR und die Bundesrepublik bereits am 15. Juni 1990 im Rahmen einer gemeinsamen Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen auf Eckpunkte geeinigt. Demnach sollte der Grundsatz "Rückgabe vor Entschädigung" zur Anwendung kommen. Haus- und Grundbesitzer, die von der DDR-Regierung enteignet worden waren, sollten in den meisten Fällen ihren Besitz zurück erhalten. Nur in Ausnahmefällen sollten sie entschädigt werden. Die gemeinsame Erklärung wurde ebenfalls Bestandteil des Einigungsvertrages.
Auch die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs war bis zuletzt umstritten. Schließlich einigte man sich darauf, die unterschiedlichen Regelungen in den alten und neuen Bundesländern für zwei Jahre beizubehalten und in dieser Zeit eine Lösung zu finden.
Wesentliche Fragen waren damit geklärt – der Unterzeichnung am 31. August stand aus innerdeutscher Sicht nichts mehr im Wege. Allerdings mussten auch die ehemaligen Alliierten des Zweiten Weltkrieges zustimmen. Am 12. September 1990 unterzeichneten neben den beiden deutschen Staaten auch Frankreich, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion den "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" (
Am 20. September stimmten schließlich beide deutsche Parlamente dem Einigungsvertrag zu: die Abgeordneten der Volkskammer mit 299 von 380 Stimmen, die des Bundestags mit 442 von 492 Stimmen. Das Votum des Bundesrats fiel einstimmig aus. Der damalige Präsident des Bundesrats, Björn Engholm, kommentierte: "Damit beenden wir endgültig die Nachkriegszeit."