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Vorzeitige Parlamentswahl in Portugal | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vorzeitige Parlamentswahl in Portugal

Redaktion

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Portugal wählt am Sonntag vorzeitig ein neues Parlament. Die Sozialisten unter António Costa hoffen darauf, die absolute Mehrheit zu erreichen.

Blick in den Plenarsaal des portugiesischen Parlaments in Lissabon (© picture alliance / dpa | Antonio Cotrim)

Interner Link: Portugal wählt am Sonntag, den 30. Januar, vorzeitig ein neues Parlament. Die nächsten regulären Wahlen waren ursprünglich erst für das zweite Halbjahr 2023 angesetzt. Ende Oktober 2021 hatte das Parlament den Haushaltsentwurf der Minderheitsregierung unter Ministerpräsident António Costa und seiner Partido Socialista (PS) jedoch abgelehnt. Daraufhin kündigte Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa Neuwahlen an.

Mit 108 von 230 Sitzen hatte die Sozialistische Partei bei den Interner Link: Parlamentswahlen im Oktober 2019 eine absolute Mehrheit knapp verfehlt. Bis vor wenigen Monaten hatten zwei linke Parteien Costa und dessen Minderheitsregierung bei vielen Abstimmungen unterstützt: Der Bloco de Esquerda (BE) sowie das Wahlbündnis Coligação Democrática Unitária (CDU). Beide Parteibündnisse, die Linken und die Kommunisten, befanden den von der Regierung verfolgten Sparkurs jedoch als zu strikt und stimmten bei der Haushaltsabstimmung gegen die Regierung.

Der Budgetentwurf hatte ursprünglich vorgesehen, das Haushaltsdefizit von den geschätzten 4,3 Prozent 2021 auf 3,2 Prozent im Jahr 2022 zu senken.

Ärger um Sparkurs

CDU und BE sahen in dem Haushaltsentwurf die Balance zwischen Schuldenabbau und Sozialpolitik nicht gewahrt. Sie forderten unter anderem mehr Ausgaben für die Armutsbekämpfung sowie das Gesundheitssystem. CDU und BE verwiesen außerdem auf die milliardenschweren Corona-Hilfen der EU, die aus ihrer Sicht höhere Sozialausgaben im Etat 2022 zugelassen hätten. Weil auch die konservativ orientierte Partido Social Democrata (PSD) ihre Zustimmung verweigerte, scheiterte der Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 schließlich.

Ministerpräsident Costa und die Sozialisten regierten das Land zuvor seit 2015 ohne parlamentarische Mehrheit. Portugal kam im Vergleich zu anderen südeuropäischen Staaten relativ stabil durch die Coronakrise – insbesondere während der ersten Welle im Frühjahr 2020. Die Arbeitslosenquote war zuletzt mit etwas weniger als 7 Prozent relativ niedrig. Der amtierende Ministerpräsident Costa kann sich Hoffnungen auf einen Wahlerfolg seiner PS machen. Als aussichtsreicher Herausforderer, der Chancen auf die Regierungsbildung hat, gilt PSD-Spitzenkandidat Rui Rio.

Bereits am Sonntag, den 23. Januar, durften vorab registrierte Wählerinnen und Wähler an die Urnen treten. Die zeitliche Entzerrung der Abstimmung soll verhindern, dass die hohen Coronazahlen im Land durch die Wahl weiter steigen.

Wahlsystem und politisches System Portugals

Portugal war jahrzehntelang eine Diktatur. Nach der sogenannten "Nelkenrevolution" gelang Mitte der 1970er-Jahre der friedliche Übergang zu einer Demokratie mit einem Einkammerparlament. Die maximal 230 Abgeordneten der „Assembleia da República“ werden für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt. Wahlberechtigt sind alle portugiesischen Staatsbürger und -bürgerinnen ab 18 Jahren.

Die Wahl erfolgt per Interner Link: Verhältniswahl über Wahllisten der Parteien oder Parteikoalitionen in den insgesamt 22 Wahlbezirken. Die Anzahl der zu vergebenden Mandate pro Wahlbezirk wird von der Wahlkommission auf Grundlage der dort jeweils registrierten Wahlberechtigten vorab festgelegt. 88 und damit weit mehr als ein Drittel der 230 Sitze entfallen auf die beiden größten Wahlkreise Lissabon und Porto. Hinzu kommen noch mehrere Wahlkreise, in denen zehn bis 19 Sitze vergeben werden. Der Großteil der Wahlkreise schickt jedoch nur eine einstellige Zahl von Abgeordneten nach Lissabon. 2019 waren neun Parteien im Parlament vertreten. Trotz dieser Parteienvielfalt gelang es den großen Parteien in den vergangenen Jahrzehnten meist, stabile Mehrheiten zu bilden.

Die portugiesische Regierung wird durch den Premierminister oder die Premierministerin geleitet. Die Amtsernennung erfolgt unter Berücksichtigung der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse durch das Staatsoberhaupt. Der Präsident oder die Präsidentin selbst wird in einer gesonderten Wahl für eine Amtszeit von fünf Jahren direkt vom Volk gewählt, die letzte Wahl fand 2021 statt. Die Machtbefugnisse des portugiesischen Präsidenten sind nicht mit jenen des US-amerikanischen oder französischen Staatsüberhaupts zu vergleichen, beschränken sich aber keineswegs nur auf repräsentative Funktionen. Das Staatsoberhaupt ist Oberbefehlshaber des Militärs, kann das Parlament auflösen, die Regierung abberufen und wird regelmäßig zu wichtigen politischen Fragen konsultiert. Seit 2016 hat dieses Amt Marcelo Rebelo de Sousa von der konservativ-liberalen PSD inne.

PS und PSD im Wahlkampf

Die beiden großen Parteien Partido Socialista (PS) und Partido Social Democrata (PSD) lagen zuletzt in Umfragen weit vor den kleineren Parteien.

Die PS ist programmatisch mit den französischen Sozialisten oder den deutschen Sozialdemokraten zu vergleichen. Sie war 2019 auf 36,3 Prozent der abgegebenen Stimmen gekommen und stellt seither die stärkste Fraktion im Parlament.

Regierungschef Costa setzt sich im Wahlkampf der PS für soziale Themen ein und tritt dafür ein, die weitere Verschuldung des Landes zu bremsen. Zuletzt lag die Verschuldungsquote, trotz der massiven Belastungen durch die Corona-Pandemie, in etwa auf demselben Niveau wie vor Costas Amtsantritt 2015. Erst jüngst hat die Regierung unter Costa unter anderem den Mindestlohn erhöht. Trotz Sparkurs hatte Costa auch die von der Vorgängerregierung beschlossenen Kürzungen von Renten und Beamtengehältern in den vergangenen Jahren rückgängig gemacht.

Die PSD ist derzeit stärkste Oppositionspartei in Portugal. Sie steht im Parteienspektrum Mitte-Rechts und ist eher wirtschaftsliberal orientiert. Bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2019 erlangte sie 27,8 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf verspricht die PSD unter anderem, die "Landflucht" zu bekämpfen sowie den "Gesundheitskollaps" zu beheben.

Während die Partei PS derzeit etwa 37% der Stimmen erreichen könnte, kommen die Sozialdemokraten Schätzungen zufolge auf etwa 33%.

Kleinere linke Parteien schwächeln

Die kleineren Parteien folgen in den Umfragen mit weitem Abstand. Die sozialistische und in Teilen trotzkistische Partei Bloco de Esquerda (BE) kommt der Meinungsforschung zufolge zuletzt auf etwa 6 bis 7 Prozent der Stimmen. 2019 hatte der Linksblock noch 9,5 Prozent auf sich vereinen können. Als Wahlbündnis namens Coligação Democrática Unitária (CDU) treten erneut die Kommunistische Partei (Partido Comunista Portugês, PCP) sowie Portugals Grüne (Partido Ecologista "Os Verdes", PEV) an. Sie lagen in Umfragen zuletzt bei gut 5 Prozent, was etwas weniger als bei der Wahl 2019 wäre (6,3 Prozent).

Spitzenkandidat der CDU ist der langjährige PCP-Chef Jerónimo de Sousa, den Linksblock führte Catarina Martins in den Wahlkampf. Während die Kommunisten noch immer stark auf klassisch sozialistische Positionen setzten und in einzelnen Punkten als konservativ gelten, präsentiert sich der Linksblock progressiv und setzte sich in den vergangenen Jahren etwa für die Rechte von Transgender-Personen ein.

Linksblock (BE) und Kommunisten (CDU) standen im Wahlkampf für einen Ausbau des Sozialstaats. Der Mindestlohn und die Renten müssten weiter erhöht, die Arbeitszeit verringert werden. Zudem forderten beide Gruppierungen von der Regierung, das Gesundheitssystem krisenfester zu machen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Rechtspopulisten könnten deutlich zulegen

Mit der "Chega" (CH, zu deutsch "Genug") zog 2019 mit gut 1,3 Prozent der Stimmen und einem Abgeordneten erstmals eine rechtspopulistische Partei in das portugiesische Parlament ein. Bei dieser Wahl könnte die CH mit in Umfragen zuletzt gut sechs bis acht Prozent deutlich zulegen und womöglich zur drittstärksten Partei werden. Sie steht für einen einwanderungskritischen und in Teilen stark nationalistischen Kurs. CH-Spitzenkandidat ist André Ventura.

Gute Chancen, bald mit mehr als nur einem Abgeordneten ins Parlament einzuziehen, haben auch Portugals Liberale. Die Iniciativa Liberal (IL) könnte Umfragen zufolge von etwa 1,3 Prozent bei den Wahlen 2019 auf etwa 4 bis 5 Prozent zulegen. Die IL steht für klassischen Liberalismus und hat sich unter ihrem Parteichef João Cotrim de Figueiredo stark gegen die politische Linke positioniert.

Auch mehreren Kleinstparteien könnte der Einzug ins Parlament gelingen

Daneben gibt es noch mehrere Kleinstparteien wie die Tierschutzpartei PAN, die in Umfragen zwar nicht mehr als 3 Prozent erreichen, aber dennoch Chancen haben, einzelne Mandate zu erringen. Insgesamt räumen Umfrageinstitute fast einem Dutzend Parteien die Möglichkeit ein, zumindest eines oder sogar mehrere der Abgeordnetenmandate zu erringen. Weil das Wahlsystem jedoch die beiden größten Parteien PS und PSD begünstigt, dürfte die Zahl der Sitze bei kleineren Gruppierungen wie CH, IL, BE oder CDU relativ gesehen geringer ausfallen, als das prozentuale Wahlergebnis.

Bis der Haushalt für 2022 aufgestellt ist, dürfte es noch dauern. So lange können auch bereits zugesagte Milliardenhilfen der EU für den wirtschaftlichen Aus- und Aufbau nicht effektiv genutzt werden. Allerdings wurden bereits Mittel aus dem EU-Programm "Next Generation" an Portugal ausgezahlt. Im Juni erhielt das Land knapp 14 Milliarden Euro für seinen nationalen Aufbauplan. So sollen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abgemildert und die Digitalisierung vorangetrieben sowie die teils marode Infrastruktur verbessert werden.

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