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Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Bulgarien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Bulgarien

Redaktion

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Am 14. November wählte Bulgarien zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament. Die erst im September gegründete korruptionskritische Partei "Wir setzten den Wandel fort" (Prodlschawame promjanata, PP) hat laut Prognosen die Wahl als stärkste Kraft gewonnen. Die am selben Tag abgehaltene Präsidentschaftswahl entscheidet sich am 21. November in einer Stichwahl.

Mitglieder des Parlaments während einer Sitzung der Nationalversammlung in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. (© picture-alliance/dpa, Rainer Jensen)

Am 14. November waren die Bulgarinnen und Bulgaren bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Laut Prognosen hat die Anti-Korruptionspartei "Wir setzen den Wandel fort" die Wahl mit knapp 26 Prozent gewonnen. Die national-konservative GERB von Ex-Ministerpräsident Boiko Borissow erhielt 21,4 Prozent der Stimmen. Die sozialistische BSP verlor deutlich und kam auf zehn Prozent, die Partei der türkischen Minderheit auf fast 14 Prozent. Die Partei "Es gibt ein solches Volk" des TV-Moderators Slawi Trifonow erhielt zehn Prozent, die Partei "Demokratisches Bulgarien" knapp zehn Prozent. Die rechtsextreme Partei "Wiedergeburt" schaffte überraschend den Einzug ins neue bulgarische Parlament.

Parallel zur Parlamentswahl fand in diesem Jahr auch die Wahl eines neuen bulgarischen Staatspräsidenten statt. Der parteilose und als russlandfreundlich geltende amtierende Staatspräsident Radew kam dabei auf 48,6 Prozent der Stimmen. Er muss am 21. November in einer Stichwahl gegen den Zweitplatzierten Anastas Gerdschikow antreten. Er gilt als Radews wichtigster Herausforderer und ist ebenfalls parteilos. Der Universitätsprofessor war von 2001 bis 2003 stellvertretender Bildungsminister Bulgariens und wird von GERB unterstützt wird. Die Wahlbeteiligung bei der kombinierten Parlaments- und Präsidentschaftswahl lag bei 39 Prozent.

Gescheiterte Regierungsbildung

Interner Link: Die letzte Parlamentswahl in Bulagrien fand im Juli 2021 statt. Dabei wurde das Protestbündnis "Es gibt ein solches Volk" (Ima takaw narod, ITN) des Sängers und TV-Moderators Slawi Trifonow mit knapper Mehrheit stärkste Kraft, erhielt allerdings nur etwa ein Viertel der 240 Abgeordnetensitze. Knapp dahinter folgte die Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (Graschdani sa ewropejsko raswitie na Balgaria, GERB).

In der Folge scheiterten die Versuche zur Regierungsbildung. Zunächst strebte ITN eine Minderheitsregierung an. Als mögliche Bündnispartner standen jene Parteien im Raum, die im Jahr 2020 an den Protesten gegen die Regierung des konservativen Politikers Bojko Borissow (GERB), der mit einer kurzen Unterbrechung von 2009 bis 2021 Ministerpräsident des Landes war, teilgenommen hatten.

ITN-Vorsitzender Trifonow kündigte an, dass er eine mögliche Regierung bilden wolle, die von einer Mehrheit des neuen Parlaments getragen werde. Bei den möglichen Partnern von "Demokratisches Bulgarien" (Demokratitschna Balgarija, DB) und "Steh auf! Mafia raus!" (Isprawi se! Mutri van!) stieß dieses Vorgehen jedoch auf Widerstand, sie lehnten eine Zusammenarbeit ab. Trifonow gab am 10. August das Mandat zur Regierungsbildung zurück. Am gleichen Tag kündigte der GERB-Vorsitzende Borissow an, als Chef der zweitgrößten Parlamentsfraktion auf das Regierungsbildungsmandat verzichten zu wollen.

Schließlich versuchte die Bulgarische Sozialistische Partei (Balgarska Sozialistitscheska Partija, BSP) eine Regierungsmehrheit zu organisieren. Doch auch deren Vorsitzenden Kornelija Ninowa gelang dies nicht. Staatspräsident Ruman Radew löste das Parlament deshalb am 16. September auf und machte damit den Weg für Neuwahlen frei.

Im April 2021 hatte die erste Parlamentswahl dieses Jahres in Bulgarien stattgefunden. GERB wurde damals stärkste Kraft, hatte jedoch schon zuvor ihren ehemaligen Koalitionspartner verloren: Das rechtsnationale Bündnis "Vereinigte Patrioten" (Obedineni patrioti, OP) zerbrach in der vorherigen Legislaturperiode. Auch damals scheiterte die Regierungsbildung. Deswegen berief Präsident Radew im Mai dieses Jahres den ehemaligen General Stefan Janew zum Ministerpräsidenten, der die Regierungsgeschäfte übergangsweise führt.

Wie wird gewählt?

Die Abgeordneten des bulgarischen Parlaments, der Narodno Sabranie ("Volksversammlung"), werden nach einem Verhältniswahlrecht mit Präferenzstimme gewählt. Die insgesamt 31 Wahlkreise stimmen weitestgehend mit den 28 Verwaltungsgebieten Bulgariens überein. Ausnahmen bilden die Hauptstadt Sofia, die drei Wahlkreise hat und die zweitgrößte Stadt Plowdiw mit zwei Wahlkreisen. Insgesamt hat die Narodno Sabranie 240 Abgeordnete und wird normalerweise alle vier Jahre gewählt.

Zur Wahl stellen sich Parteien mit ihren Listen. Wählerinnen und Wähler können jedoch auch eine Präferenzstimme abgeben, um einen bestimmten Kandidaten zu wählen. Geben sie diese Präferenzstimme nicht ab, wählen sie automatisch den Spitzenkandidaten der angekreuzten Parteiliste. Aus jedem Wahlkreis wird je eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter über die Präferenzstimme gewählt. Die übrigen 209 Sitze werden nach dem Verhältnis der in den Wahlkreisen erhaltenen Stimmen vergeben. Wie viele Abgeordnete ein Wahlkreis entsenden kann, hängt von dessen Einwohnerzahl ab.

Das Wahlalter beträgt 18 Jahre. Es gibt eine Sperrklausel für Parteien und Parteikoalitionen von vier Prozent.

Der bulgarische Präsident wird auf eine Amtszeit von fünf Jahren direkt vom Volk gewählt. Antreten können Kandidaten, die seit Geburt bulgarische Staatsbürger sind, das vierzigste Lebensjahr vollendet und die vergangenen fünf Jahre in Bulgarien gelebt haben. Erhält ein Kandidat im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten.

Wer trat zur Wahl an?

Vorsitzender der populistischen Partei ITN ist Slawi Trifonow, der ab den 1990er-Jahren TV-Satiriker und Sänger war. Seine politische Karriere begann 2016, als er ein Referendum zur Parteienfinanzierung mitinitiierte. Seine 2020 gegründete Partei ITN wendet sich gegen korrupte Strukturen in Bulgarien. Nach der gescheiterten Regierungsbildung im Sommer 2021 verlor die Partei jedoch an Popularität.

GERB gehört dem konservativen Parteienspektrum an und gehört der christlich-konservativen europäischen Parteienfamilie EVP an. Geführt wird sie von Bojko Borissow, einem ehemaligen Feuerwehrmann und Bodyguard. Von 2009 bis 2021 war GERB die stärkste politische Kraft in Bulgarien. Während dieser Zeit sah sich die Partei mit zahlreichen Korruptionsskandalen konfrontiert. Die Partei gilt als proeuropäisch. Wie schon bei den vorherigen Parlamentswahlen in diesem Jahr tritt GERB in einer Koalition mit der christdemokratischen Union der Demokratischen Kräfte (Sajus na Demokratitschnite Sili, SDS) an. Die im Jahr 1989 wichtigste politische Oppositionsbewegung hat mittlerweile stark an Bedeutung verloren. Borissow will im Falle eines Wahlsiegs das Verhältnis zum Nachbarland Nordmazedonien verbessern und dessen Aufnahme in die Europäische Union unterstützen.

Die im September 2021 neugegründete Wahlkoalition "Wir setzen den Wandel fort" (Prodlschawame promjanata, PP) der beiden Harvard-Absolventen Kiril Petkow und Assen Wassilew, an der unter anderem auch die europäische Partei Volt beteiligt ist, positioniert sich korruptionskritisch und vertritt einen pro-europäischen Mitte-Links-Kurs. Zur Wahl tritt auch das Bündnis "Steh auf.BG! Wir kommen" (Isprawi se.BG! Nie idwame!, IBG-NI), früher "Steh auf! Mafia raus!", an. Maja Manolowa führt die Mitte-Links-Partei an. Auch die Partei DB will Korruption bekämpfen und vertritt einen Mix aus liberalen, rechten und grünen Positionen.

Eine wichtige Rolle bei künftigen Koalitionsverhandlungen könnte die BSP um Kornelija Ninowa spielen. Die Sozialisten vertreten einen stark europakritischen Kurs und gelten als russlandfreundlich. So sprach sich die Parteivorsitzende Ninowa in der Vergangenheit mehrmals dafür aus, die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Die von Mustafa Karadaji angeführte Bewegung für Rechte und Freiheiten (Dwischenie sa Prawa i Swobodi, DPS) repräsentiert vor allem die Interessen der türkischen Minderheit in Bulgarien.

Wahlkampf

Als wichtigstes innenpolitisches Wahlkampfthema galt die Reform des politischen Systems in Bulgarien. Beobachterinnen und Beobachter werteten bereits die Parlamentswahl im April 2021 als Referendum über das "System Borissow", das für viele Wählerinnen und Wähler für Fehlentwicklungen im Bereich der Gewaltenteilung und für Korruption steht. Öffentlich kritisiert wurden vor allem die Einschränkungen einer unabhängigen Justiz und Borissows Nähe zu einflussreichen Oligarchen. Im Frühjahr 2020 sorgten Bilder für Schlagzeilen, die offenbar Borissows Schlafzimmer zeigten: Neben Goldbarren und Geldbündel war darauf der im Bett liegende damalige Ministerpräsident zu sehen.

Die Reform des politischen Systems ist aus europapolitischer Sicht ein wichtiges Thema, weil die Interimsregierung im Sommer angekündigt hatte, bis 2024 der Eurozone beitreten zu wollen. Von Seiten der EU gibt es diesbezüglich allerdings keine festen Zusagen, obwohl Bulgarien eine verhältnismäßig geringe Staatsverschuldung und eine niedrige Inflation aufweist und somit gute Chancen hätte, die notwendigen Stabilitätskriterien für den Beitritt zur Eurozone zu erfüllen.

Schließlich war auch der Umgang mit der Corona-Pandemie ein bedeutendes Thema im bulgarischen Wahlkampf. Anfang November starben in Bulgarien mehr als 300 Menschen an einem Tag in Folge einer Corona-Infektion – ein Rekordwert für das sieben Millionen Einwohner zählende Land. Nur etwas mehr als ein Fünftel der Bulgarinnen und Bulgaren sind gegen das Corona-Virus geimpft. Bulgarien weist damit die niedrigste Impfquote in der EU auf.

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