Am 11. September 2001 entführten
UN-Sicherheitsrat bekräftigt Recht zur kollektiven Selbstverteidigung
Am 12. September verurteilte der
NATO-Bündnisfall
Der damalig amtierende US-Präsident George W. Bush machte Al-Qaida öffentlich für den Angriff auf die USA verantwortlich und brachte das Netzwerk in Verbindung mit dem in Afghanistan herrschenden Taliban-Regime. Bereits am 12. September 2001 wies der
QuellentextGeorge W. Bush’s Rede am 20.09.2001 vor dem US-Kongress:
"Die Amerikaner haben heute Abend viele Fragen. Die Amerikaner fragen: Wer hat unser Land angegriffen?
Die von uns gesammelten Beweise weisen alle auf eine Reihe lose verbundener Terrororganisationen hin, die als Al-Quaida bekannt sind. Es sind die gleichen Mörder, die wegen der Bombenanschläge auf die amerikanischen Botschaften in Tansania und Kenia angeklagt wurden und für den Bombenangriff auf die U.S.S. Cole verantwortlich sind. […] Die Führung von Al-Quaida hat großen Einfluss in Afghanistan und unterstützt das Taliban-Regime bei der Kontrolle des Großteils des Landes. In Afghanistan sehen wir Al-Quaidas Vision der Welt. [...]
Die Vereinigten Staaten respektieren die Menschen in Afghanistan - schließlich sind wir zurzeit die größte Quelle für humanitäre Hilfe für das Land - aber wir verurteilen das Taliban-Regime. Es unterdrückt nicht nur sein eigenes Volk, es bedroht Menschen überall, indem es Terroristen unterstützt, versorgt, und sie beliefert. Durch Beihilfe zum Mord begeht das Taliban-Regime Mord. […]“
In der Folge beschlossen die damals 19 Mitgliedstaaten des transatlantischen Verteidigungsbündnisses (darunter neben den USA auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien) am 4. Oktober 2001 einstimmig und erstmals in der Geschichte der NATO den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags. Dazu erkannte die NATO die notwendigen Voraussetzungen für den Bündnisfall als erfüllt an: Die Täter der Anschläge seien Teil des Terrornetzwerkes Al-Qaida gewesen, wodurch feststehe, dass die Angriffe auf die USA aus dem Ausland gesteuert worden seien.
Was ist ein NATO-Bündnisfall?
Nach Artikel 5 des Vertrags heißt es: "Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird." Konkret ist in Artikel 5 vereinbart, dass im Falle eines bewaffneten Angriffs jedes Mitglied "in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet."
Die Feststellung des Bündnisfalls löst jedoch keinen Automatismus aus. Wie konkret die Hilfe der Bündnispartner aussehen kann, ist nicht festgelegt. Die NATO-Länder sind zwar zum Beistand verpflichtet, haben aber einen erheblichen Ermessensspielraum, welche konkreten Maßnahmen sie für die Wiederherstellung der Sicherheit für erforderlich halten. Zudem regelt Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, dass der UN-Sicherheitsrat über Angriffe informiert werden muss. Eine automatische zeitliche Befristung eines NATO-Bündnisfalls ist nicht vorgesehen.
Operation Enduring Freedom
Nach der Ausrufung des NATO-Bündnisfalls begann am 7. Oktober mit der "Operation Enduring Freedom" (OEF) die militärische Intervention in Afghanistan. Ziel der Mission war es zunächst, Al-Qaida in Afghanistan zu zerschlagen und das Taliban-Regime zu stürzen. Die Mission beruhte auf dem in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen garantierten Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung und auf Artikel 5 des NATO-Vertrages. Zunächst marschierten US-amerikanische und britische Truppen in Afghanistan ein, später wurden sie unter anderem auch von deutschen Soldaten und Soldatinnen unterstützt. Bis Dezember 2001 wurde das Land von der NATO mit Unterstützung verbündeter Staaten sowie afghanischer Gruppen vollständig eingenommen.
Der internationale Militäreinsatz beschränkte sich jedoch nicht nur auf Afghanistan. Bereits in den Tagen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatten die USA einen weltweiten "Krieg gegen den Terror" (War on Terror) ausgerufen und zur Gründung einer internationalen Anti-Terror-Allianz aufgerufen. Militäreinsätze im Rahmen der OEF fanden daher auch in anderen Weltregionen statt, unter anderem am Horn von Afrika, in Afrika innerhalb und südlich der Sahara sowie auf den Philippinen. Erst im Externer Link: Dezember 2014 erklärten die USA Einsatz der OEF in Afghanistan offiziell für beendet.
ISAF und Resolute Support
Nachdem die Absetzung der Taliban in Afghanistan militärisch erzwungen war, wurde international sowie mit afghanischen Gruppen über
Aufgabe der ISAF war es, zur Stabilisierung des Landes ein sicheres Umfeld für die Arbeit der afghanischen Institutionen und internationalen Organisationen in dem Land zu schaffen. Die ISAF ging dabei gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften militärisch gegen Taliban-Kämpfer und andere Aufständische vor, die Anschläge verübten. Die ISAF bildete auch örtliche Sicherheitskräfte aus.
Die ersten ISAF-Soldaten trafen im Januar 2002 in Afghanistan ein. In der Anfangszeit beschränkte sich das Einsatzgebiet auf den Großraum Kabul. Ab 2003 wurde die Mission auf das ganze Land ausgeweitet. Ab August 2003 unterstand die ISAF dem Kommando der NATO. 2009 beschloss das westliche Verteidigungsbündnis eine massive Aufstockung der ISAF-Truppen, nachdem sich die Sicherheitslage zuvor enorm verschlechtert hatte. Ende 2010 waren gut 130.000 ISAF-Soldatinnen und Soldaten aus 48 Staaten in Afghanistan stationiert. Deutschland gehörte von Anfang an zu den größten Truppenstellern der ISAF.
Ende 2014 wurde ISAF durch die Mission "Resolute Support" ersetzt. Nach dem Ende der ISAF sollte die vollständige Sicherheitsverantwortung für Afghanistan fortan bei der dortigen Regierung und den nationalen afghanischen Sicherheitskräften liegen. Dafür berieten die NATO und ihre Verbündeten die afghanischen Sicherheitskräfte, bildeten sie aus und leisteten logistische Unterstützung, etwa bei der Luftaufklärung. Im Gegensatz zu ISAF handelte es sich bei "Resolute Support" allerdings um keinen Kampfeinsatz, auch war die Zahl der eingesetzten Soldaten und Soldatinnen weit geringer. Im Frühjahr 2021 waren in Afghanistan noch rund 10.000 Soldatinnen und Soldaten aus drei Dutzend NATO-Mitgliedstaaten und Partnerländern im Einsatz. Bis zu ihrem endgültigen Abzug im Sommer 2021 gerieten die internationalen Truppen jedoch immer wieder in Gefechte.
Deutsche Beteiligung an den Einsätzen in Afghanistan
Bereits kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September stellte sich Deutschland an die Seite der USA. In einer Externer Link: Rede im Deutschen Bundestag am 12. September 2001 sicherte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) den Vereinigten Staaten die "uneingeschränkte Solidarität" der Bundesrepublik zu. Eine Woche später Externer Link: bestätigte der Bundestag – gegen die Stimmen der PDS-Fraktion und einer Handvoll Abgeordneter der Regierungsparteien von Bündnis 90/Die Grünen und SPD – die Verpflichtungen Deutschlands zum Beistand gemäß Artikel 5 der NATO.
Über den militärischen Beitrag, den Deutschland leisten soll, wurde politisch hart gerungen – auch in der rot-grünen Regierungskoalition. Aufgrund massiver Vorbehalte seitens der Grünen, aber auch von Teilen der SPD verband Kanzler Schröder die Abstimmung über den Einsatz mit einer
Am 22. Dezember 2001 Externer Link: erteilte der Bundestag zusätzlich das erste Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der ISAF – zunächst begrenzt auf sechs Monate und 1.200 Soldatinnen und Soldaten. Das Bundeswehrmandat wurde jährlich vom Parlament verlängert – letztmalig 2014 – durchgängig gegen die Stimmen der Abgeordneten von PDS und später Die Linke. Die maximale Truppenstärke des deutschen Kontingents der ISAF wurde zwischenzeitlich deutlich erhöht und stieg bis 2010 auf 5.350. Die Beteiligung Deutschlands an der ISAF stellt den größten Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr dar. Ab 2011 wurde das Kontingent schrittweise verringert. Die im Dezember 2014 vom Bundestag genehmigte und ebenfalls mehrfach verlängerte "Resolute Support"-Mission sah phasenweise nur noch eine dreistellige Truppenstärke vor.
Ende des NATO-Bündnisfalls?
Mehrmals gab es im Bundestag parlamentarische Initiativen, den Bündnisfall wieder aufzuheben und deutschen Kräfte der Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen. 2002 brachte die PDS einen entsprechenden Antrag ein, 2012 die Grünen. Zwar stimmten letzterem auch die beiden weiteren damaligen Oppositionsparteien SPD und Die Linke zu. Doch der Antrag wurde mit der Regierungsmehrheit von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Die Linke beantragte 2013 abermals, den Bündnisfall zu beenden. Die Partei forderte die Bundesregierung auf, das Anliegen in den NATO-Rat einzubringen, damit dieser die Aufhebung beschließe, oder diesen einseitig zu beenden. Der Antrag wurde im März 2014 vom Bundestag mit großer Mehrheit abgelehnt.
59 deutsche Soldatinnen und Soldaten starben in Afghanistan
Im Sommer 2021 zogen die USA und ihre Verbündeten
Der Afghanistaneinsatz war der verlustreichste und teuerste in der Geschichte der Bundesrepublik. Seit 2001 waren mehr als 161.000 Angehörige der Bundeswehr, der Polizei des Bundes und der Länder in Afghanistan eingesetzt. 59 deutsche Soldatinnen und Soldaten verloren in Afghanistan ihr Leben. Die einsatzbedingten Zusatzkosten für die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz in Afghanistan beliefen sich bis 2021 auf rund 12,3 Milliarden Euro.
Interner Link: Nach 20 Jahren: NATO-Truppenabzug aus Afghanistan (Hintergrund aktuell, Juni 2021) Interner Link: Aufstieg des Terrornetzwerks "Al-Qaida" (Hintergrund aktuell, August 2018) Interner Link: Vor 70 Jahren: Gründung der NATO (Hintergrund aktuell, April 2019) Interner Link: Sven Morgen: Die NATO. Deutschland im Bündnis (Dossier Deutsche Verteidigungspolitik)