Am 6. Mai wurden in Schottland und Wales neue Regionalparlamente gewählt. Erst seit 1999 gibt es dort
Klare Mehrheit für SNP und Grüne in Schottland
Stärkste Partei im schottischen Abgeordnetenhaus, das nach dem Edinburgher Stadtteil, in dem es ansässig ist, oft auch Holyrood genannt wird, wurde mit Abstand die separatistische und programmatisch eher sozialdemokratische Scottish National Party (SNP) mit Regierungschefin Nicola Sturgeon an ihrer Spitze. Die SNP konnte gegenüber der letzten Wahl drei Sitze hinzugewinnen und verpasste mit 64 gewonnenen Mandaten die absolute Mehrheit nur um einen Sitz. Sie hatte die Wahlen seit 2007 stets gewonnen, bei den Wahlen 2016 ihre absolute Mehrheit allerdings knapp verloren. Seither musste sie sich als Minderheitsregierung im Parlament für jede Entscheidung eine Mehrheit suchen.
Die SNP strebt nun eine gemeinsame Koalition mit den Grünen an. Dass es zu diesem Bündnis kommt, gilt als wahrscheinlich. Die Grünen konnten die Zahl ihrer Sitze von sechs auf acht steigern. Beide Parteien sind strikte Befürworter einer raschen Loslösung von Großbritannien und kommen auf 72 von 129 Sitzen im Parlament.
Die schottischen Konservativen errangen mit 31 Mandaten genauso viele Sitze wie bei der Wahl vor fünf Jahren. Drittstärkste Partei wurde die schottische Labour-Partei, die mit 22 Sitzen ins Parlament einzieht. Sie verliert damit zwei Mandate. Der regionale Ableger der Liberaldemokraten kam dagegen nur mehr auf vier Mandate. Die Partei des Ex-Regierungschefs und ehemaligen SNP-Politikers Alex Salmond konnte keinen einzigen Sitz gewinnen. Salmond hatte sich mit der SNP und Sturgeon zerstritten.
Corona-Pandemie und Unabhängigkeitsreferendum bestimmten den Wahlkampf
Sowohl in Schottland als auch in Wales verlief der Wahlkampf in diesem Jahr wegen der Corona-Beschränkungen anders als üblich. Statt Großveranstaltungen oder Hausbesuchen hatten Internetkampagnen eine weit größere Bedeutung. Aufgrund der Corona-Pandemie wählten viele Stimmberechtigte per Briefwahl.
In Schottland war das von der SNP geforderte zweite Unabhängigkeitsreferendum das dominierende Wahlkampfthema. Regierungschefin Sturgeon will ein solches notfalls vor Gericht durchsetzen und bis Ende 2023 abhalten.
In der schottischen Bevölkerung hat die Zahl der Unabhängigkeitsbefürworter zuletzt deutlich zugenommen. Meinungsforschungsinstituten zufolge wünscht sich etwa die Hälfte der Schottinnen und Schotten einen Austritt aus dem Vereinigten Königreich. Labour und die schottischen Konservativen lehnen ein erneutes Referendum dagegen ebenso ab, wie die Regierung in London. Für das gute Ergebnis der SNP dürfte aber nicht nur die klare Position in der Frage des Unabhängigkeitsreferendums eine Rolle gespielt haben: Auch Sturgeons Krisenmanagement in der Corona-Krise wird von vielen Schottinnen und Schotten geschätzt.
Schottlands Wahlsystem
An der Wahl teilnehmen darf, wer mindestens 16 Jahre alt ist, gewählt werden kann wer mindestens 18 Jahre alt ist. Abstimmungsberechtigt sind neben Britinnen und Briten auch Bürgerinnen und Bürger aus Ländern, die beispielsweise mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in Schottland leben. Sie müssen sich allerdings im Wahlregister registrieren lassen. Im Rahmen einer Reform wurde die Zahl der Wahlberechtigten im vergangenen Jahr spürbar erhöht. So dürfen nun auch manche Strafgefangene und ein Teil der Flüchtlinge abstimmen.
Jede wahlberechtigte Person verfügt über zwei Stimmen. Mit der ersten Stimme wählt sie einen Direktkandidaten oder eine Direktkandidatin in ihrem Wahlkreis. Die insgesamt 73 Wahlkreisabgeordneten werden mit einfacher Mehrheit gewählt. Mit der zweiten Stimme werden nach dem Prinzip der Verhältniswahl diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten bestimmt, die über die acht Regionallisten in das Parlament einziehen. Auf diese Listen entfallen zusammen 56 der insgesamt 129 Sitze im Parlament – jeweils sieben pro Region.
Labour siegt in Wales
In Wales gewann die regierende Labour-Partei die Wahl deutlich. Sie konnte einen Sitz hinzugewinnen, verfehlte mit 30 von 60 Sitzen die absolute Mehrheit im Senedd jedoch knapp. Der aktuelle Regierungschef Mark Drakeford (Labour) regierte bislang gemeinsam mit dem einzigen im Parlament sitzenden Liberaldemokraten sowie einem parteilosen Abgeordneten. Die LibDems kamen erneut auf ein Mandat. Es gilt als wahrscheinlich, dass Labour die Koalition fortsetzt. Auch Drakeford hat Wahlanalysen zufolge von seiner umsichtigen Corona-Politik profitieren können.
Zweitstärkste Partei wurden die konservativen Tories, die auf 16 Sitze zulegen konnten. Plaid Cymru verbesserten sich leicht auf 13 Mandate. Die Partei steht politisch eher links und ist stark föderalistisch ausgerichtet.
Das walisische Wahlsystem
Das Mindestwahlalter bei der Wahl zum walisischen Senedd beträgt bei dieser Abstimmung erstmals 16 Jahre. Stimmberechtigt sind neben Britinnen und Briten auch Bürgerinnen und Bürger, die mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in Wales leben. Sie müssen allerdings registriert sein. Gewählt werden kann, wer mindestens 18 Jahre alt ist.
Jeder Wähler hat zwei Stimmen. Das walisische Parlament besteht aus 60 Mitgliedern. 40 davon werden mit der Erststimme jeweils nach dem Mehrheitswahlrecht in ihren Wahlkreisen gewählt. Das übrige Drittel wird gemäß des Stimmenanteils der Parteien in den fünf Regionen gewählt – in jeder Region werden über die Zweitstimmen vier Mandate vergeben.
Interner Link: Schottland bleibt, wo es ist (Hintergrund aktuell, September 2014) Thomas Gerlinger / Kai Mosebach: Kleine Landeskunde Großbritanniens
Interner Link: Brexit am 31. Januar (Hintergrund aktuell, Januar 2020) Interner Link: Brexit: Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich