Die GRÜNEN haben bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg Stimmanteile hinzugewinnen können und werden aller Voraussicht nach weiterhin die Regierung führen. Die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann kam laut vorläufigem Endergebnis auf 32,6 Prozent der Stimmen – ein Plus von 2,3 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl von 2016. Der bisherige Koalitionspartner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die CDU, musste hingegen Verluste hinnehmen. Sie erzielte mit 24,1 Prozent der Stimmen ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg und verlor 2,9 Prozentpunkte im Vergleich zur vergangenen Wahl.
Die AfD, im Jahr 2016 noch mit 15,1 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft, musste starke Verluste hinnehmen und erreichte nur noch 9,7 Prozent. Stattdessen wird nun die SPD mit 11,0 Prozent der Stimmen (minus 1,7 Prozent) die drittgrößte Fraktion im Landtag stellen. Viertstärkste Kraft wird die FDP, die um 2,2 Prozentpunkte auf 10,5 Prozent der Stimmen zulegen konnte.
Nicht im Landtag vertreten ist DIE LINKE, die mit 3,6 der Stimmen deutlich den Einzug ins Parlament verpasste. Einen Achtungserfolg erzielten die Freien Wähler, die auf 3,0 Prozent kamen. Sowohl die Klimaliste Baden-Württemberg (0,9 Prozent) als auch die aus der selbsternannten "Querdenken"-Bewegung hervorgegangene Partei WIR2020 (0,8 Prozent) schafften nicht den Sprung über die Ein-Prozent-Marke, deren Erreichen eine wichtige Rolle bei der Interner Link: staatlichen Parteienfinanzierung spielt. Anders verhält es sich mit der ebenfalls aus der "Querdenken"-Bewegung stammenden Basisdemokratischen Partei Deutschlands, die genau 1,0 Prozent der Stimmen erzielte.
Wer zusammen mit den GRÜNEN in der kommenden Legislaturperiode regieren wird, ist bisher noch unklar. Denkbar ist eine Fortsetzung von Schwarz-Grün. Auch eine sogenannte Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP hätte eine Mehrheit. Für eine rot-grüne Regierung reicht es dagegen knapp nicht. Theoretisch hätte auch eine sogenannte "Deutschland-Koalition" aus CDU, SPD und FDP eine knappe Mehrheit.
Wie wurde gewählt?
Baden-Württemberg hat ein im deutschlandweiten Vergleich eher ungewöhnliches Wahlsystem mit Elementen des Mehrheits- und des Verhältniswahlrechts. Jede/-r Wähler/-in hat bei der Landtagswahl eine Stimme. Diese Stimme gilt gleichzeitig als Stimme für den Direktkandidaten bzw. die Direktkandidatin und für die Partei. In Baden-Württemberg ist es also – anders als bei der Bundestagswahl – nicht möglich, Erst- und Zweitstimme an unterschiedliche Parteien zu vergeben.
Die 120 Sitze im Landtag werden nach dem Verhältnis der Parteienstimmen vergeben. Die Sperrklausel liegt bei fünf Prozent, gewählte Direktkandidaten oder -kandidatinnen ziehen jedoch auch dann in den Landtag ein, wenn ihre Parteien am Einzug scheitern. Wichtig ist: Parteien stehen nur dort auf dem Stimmzettel, wo sie auch Wahlkreiskandidaten oder -kandidatinnen aufstellen können.
Die ersten 70 Sitze gehen jeweils an die Gewinner/-innen der Wahlkreise. Die 50 übrigen "Zweitmandate" werden so unter den im Landtag vertretenen Parteien verteilt, dass am Ende das landesweite Stimmenverhältnis abgebildet wird. Eine weitere baden-württembergische Besonderheit ist, dass es keine Parteilisten gibt. Die 50 Zweitmandate gehen an Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei, die ihre Wahlkreise zwar nicht direkt gewonnen, aber in ihrem jeweiligen Regierungsbezirk (Stuttgart, Tübingen, Freiburg und Karlsruhe) das verhältnismäßig beste Ergebnis geholt haben.
Obwohl das Ergebnis von Erst- und Zweitstimmen für jede Partei auf Landesebene gerechnet identisch ist, kann es sein, dass die Mehrheitsverhältnisse auf Wahlkreisebene für eine Überrepräsentation einer Partei im Landtag sorgen. In diesem Fall werden Ausgleichsmandate vergeben. Beispiel: Bei der Landtagswahl 2016 gewannen die Grünen zwar 46 der 70 Wahlkreise, aber nur 30,3 Prozent der Stimmen. Eigentlich hätten den Grünen nach dem landesweiten Stimmenverhältnis lediglich 38 der 120 Sitze zugestanden. Weil aber die acht "überzähligen" Kandidatinnen und Kandidaten ihre Sitze durch Direktwahl sicher hatten, mussten die anderen Parteien mit 15 Ausgleichsmandaten "entschädigt" werden. Deswegen hat der aktuelle baden-württembergische Landtag 143 statt 120 Sitze. Auch die Ausgleichsmandate werden unter den stimmbesten Kandidatinnen und Kandidaten in den Regierungsbezirken vergeben, genauso wie die Zweitmandate.
Das Wahlalter liegt in Baden-Württemberg bei 18 Jahren. Wahlberechtigt sind, anders als bei den Kommunalwahlen, ausschließlich deutsche Staatsbürger/-innen.
Wer stand zur Wahl?
Die Partei Interner Link: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt seit 2011 mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten. Der 72-Jährige ist Mitbegründer des grünen Landesverbandes in Baden-Württemberg und zog 1980 erstmals in den Landtag ein. Seit 1996 gehört er dem Parlament ununterbrochen an. Kretschmann wurde im Dezember erneut zum Spitzenkandidaten gewählt und strebt eine weitere Amtszeit als Regierungschef an.
Die Interner Link: Christlich Demokratische Union (CDU), derzeit Juniorpartnerin der GRÜNEN, hatte Kultusministerin Susanne Eisenmann als Spitzenkandidatin aufgestellt. Die promovierte Germanistin war ab 1991 insgesamt 14 Jahre lang Büroleiterin des späteren Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Nach der Landtagswahl 2016 wurde sie Ministerin im zweiten Kabinett Winfried Kretschmanns. Im Jahr 2017 stand Eisenmann ein Jahr lang der Kultusministerkonferenz als Präsidentin vor. Größte Oppositionsfraktion im baden-württembergischen Landtag war, nach dem Auseinanderbrechen der AfD-Fraktion, die Interner Link: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Sie wird von Andreas Stoch als Spitzenkandidat vertreten, der dem Landtag seit 2009 angehört.
Hans-Ulrich Rülke war Spitzenkandidat der Interner Link: Freien Demokratischen Partei (FDP), Bernd Gögel ging für die Interner Link: Alternative für Deutschland (AfD) ins Rennen. Sahra Mirow trat als Spitzenkandidatin der Partei Interner Link: DIE LINKE an.
Welche Themen im Wahlkampf wichtig waren
Der Landtagswahlkampf 2021 fand in Baden-Württemberg in dreierlei Hinsicht unter besonderen Voraussetzungen statt. Einerseits fiel er fast vollständig in eine Phase mit strengen Kontaktbeschränkungen. Andererseits gab es laut Umfragen keine Oppositionspolitikerin und keinen Oppositionspolitiker, die oder der realistische Chancen auf das Amt des Ministerpräsidenten gehabt hätte – der Wahlkampf fand also zu einem wesentlichen Teil zwischen zwei Parteien statt, die derzeit gemeinsam den politischen Umgang mit der Pandemie gestalten müssen.
Eisenmann und Kretschmann hatten sich bereits im Vorfeld gegenseitig versichert, die Pandemiepolitik nicht in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zu stellen. Die Auswirkungen der Krise spielten im Wahlkampf dennoch eine Rolle. Eisenmann sah sich als Kultusministerin mit den Folgen des Scheiterns der digitalen Lernplattform "Ella" vor drei Jahren konfrontiert. Nach dem Ausbruch der Pandemie wurde auf eine zum Teil auf kommerzieller Cloud-Software basierende Lösung zum Homeschooling zurückgegriffen – was wiederum zu Kritik von Lehrergewerkschaften, Schüler- und Elternvertretungen sowie Datenschützern und Aktivisten führte.
Kritik gab es auch an der nur schleppend laufenden Impfkampagne. Im deutschlandweiten Vergleich belegt Baden-Württemberg bei den Erstimpfungen gegen das Coronavirus nur einen Platz im unteren Mittelfeld.
Auch die Zukunft der Automobilbranche spielte in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle. Im Südwesten sitzen mit Daimler und Porsche nicht nur zwei der wichtigsten deutschen Automobilbauer, sondern auch zahlreiche Zulieferer. Durch die Pandemie hat sich der Strukturwandel zum Elektroauto beschleunigt.
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