Das Massaker von Srebrenica gilt in Europa als das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit Ende des
Der Zerfall des Vielvölkerstaates
Serbische Truppen rücken rasch vor
Im multiethnischen Bosnien und Herzegowina waren laut einer
Serbische Nationalisten, angeführt vom politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, rückten wegen ihrer militärischen Überlegenheit rasch vor. Sie kontrollierten bald rund zwei Drittel Bosnien und Herzegowinas. Aus diesen Gebieten vertrieben sie Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Unterstützt wurden sie dabei von der serbischen Republik unter Präsident Slobodan Milošević.
Bosnische Muslime fliehen nach Srebrenica
Srebrenica, ein kleiner Ort im Osten von Bosnien und Herzegowina nahe der Grenze zu Serbien, wurde nach Ausbruch des Bürgerkriegs zur Zufluchtsstätte vor allem für bosnische Muslime. Die
Mehrere Tausend von ihnen versuchten durch Wälder in bosnisch-muslimisch kontrollierte Gebiete zu entkommen. Andere wollten sich auf der UN-Basis im sechs Kilometer entfernten Dorf Potočari in Sicherheit bringen. Am Abend des 11. Juli drängten sich etwa 25.000 Menschen auf dem Gelände der ehemaligen Batteriefabrik, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und Alte. Nahrung und Wasser wurden knapp.
Von Srebrenica rückten die Einheiten unter der Führung von Mladić schon bald nach Potočari vor. Am 12. und 13. Juli begannen die Soldaten, Frauen und Männer zu trennen. Sie gaben vor, nach Kriegsverbrechern zu suchen. Frauen und Kinder wurden auf Lastwagen und in Bussen abtransportiert und bis kurz vor bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet gebracht. Die zurückgebliebenen Männer, die meisten von ihnen im wehrfähigen Alter, wurden von Mladićs Männern an verschiedenen Orten hingerichtet und verscharrt. Um den Massenmord an den mehr als 8.000 Menschen zu verschleiern, hoben die Täter einige Gräber später wieder aus und verteilten die menschlichen Überreste auf andere Gebiete. Das Umbetten der Leichen fand auch nach Ende des Krieges noch statt.
20 Verfahren am Strafgerichtshof
Gestützt auf Kapitel VII der Charta der
Mehrere tausend Zeugen hatten fast 11.000 Prozesstage lang über schrecklichste Gräueltaten des Jugoslawien-Krieges berichtet. Das sogenannte Jugoslawien-Tribunal wurde Ende 2017 nach seinem letzten Urteil geschlossen. Bis dahin hatten die Richter gegen 161 hochrangige Politiker, Militärs und Polizeiangehörige der verschiedenen Parteien des Bürgerkriegs Anklage erhoben. 90 von ihnen wurden verurteilt.
20 der 161 Angeklagten wurden auch wegen Verbrechen in Srebrenica vor Gericht gestellt, darunter der ehemalige serbische Präsident Slobodan Milošević. Der herzkranke Politiker starb jedoch im März 2006, bevor ein Urteil gefällt werden konnte. Radislav Krstić, General bei den bosnisch-serbischen Truppen, wurde wegen Beihilfe zum Völkermord zu 35 Jahren Haft verurteilt.
2016 verurteilte das Tribunal den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić zu 40 Jahren Haft – im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß auf lebenslänglich erhöht. Der serbische General Mladić, der als Hauptverantwortlicher des Massakers gilt, wurde Ende 2017 zu lebenslanger Haft verurteilt.
Mitschuld der niederländischen Blauhelmsoldaten?
Vielfach wurde in den vergangenen Jahren die mutmaßliche Mitschuld der niederländischen
Der Hohe Rat in Den Haag, das höchste niederländische Gericht, kam in letzter Instanz im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass die niederländischen Soldaten zwar rechtswidrig gehandelt hätten. Die Überlebenschance der später getöteten bosnischen Männer sei angesichts der militärischen Übermacht der Serben jedoch gering gewesen.
Serbische Regierung leugnet Genozid
Die Aufarbeitung der Geschehnisse von Srebrenica ist bis heute Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Das Massaker an den bosnischen Muslimen wurde zwar sowohl vom Internationalen Jugoslawien-Tribunal als auch vom Internationalen Gerichtshof als Genozid eingestuft. Eine von den Briten im UN-Sicherheitsrat eingebrachte Resolution, wonach das Massaker als Genozid einzustufen sei, scheiterte 2015 jedoch am Veto Russlands. Bis heute weigern sich hochrangige serbische Politiker, die Verbrechen als Genozid anzuerkennen – so auch die serbische Premierministerin Ana Brnabić. Im vergangenen Jahr reiste sie deshalb nicht zur jährlichen Gedenkfeier in Potočari. 2003 war dort ein Gedenkfriedhof eingeweiht worden, auf dem mehrere Tausend Opfer beigesetzt wurden.
Auch angesichts des 25. Jahrestags werden am 11. Juli 2020 weltweit wieder viele Menschen an die Opfer erinnern – auch in Deutschland. In diesem Jahr werden allerdings wegen der Corona-Pandemie Gedenkveranstaltungen zumindest teilweise in digitaler Form stattfinden.
Interner Link: Calic, Marie-Janin: Kleine Geschichte Jugoslawiens Interner Link: Mijić, Ana: Der bosnisch-herzegowinische Nachkrieg. Ein Kampf um den Opferstatus Interner Link: Sundhaussen, Holm: Der Zerfall Jugoslawiens und dessen Folgen - Externer Link: Jamal al-Khatib: Das laute Schweigen – Srebrenica 2020