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Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: Hohe Erwartungen in schwierigen Zeiten | Hintergrund aktuell | bpb.de

Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: Hohe Erwartungen in schwierigen Zeiten

Redaktion

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Deutschland übernimmt am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Im Mittelpunkt steht die Bewältigung der Corona-Krise. Unser FAQ zur EU-Ratspräsidentschaft.

Eigentlich sollten der Brexit und die Beziehungen zu China die großen Themen der deutschen Ratspräsidentschaft werden. Unter dem Motto "Gemeinsam. Europa wieder stark machen" geht es in Berlin und Brüssel nun vor allem darum, die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. (© picture-alliance/dpa, Silas Stein)

Was ist der Rat der EU und welche Funktionen erfüllt er?

Im Interner Link: Rat der Europäischen Union kommen die Fachminister/-innen der 27 Mitgliedsstaaten zusammen – so gibt es etwa Treffen der Landwirtschaftsminister/-innen oder der Justiz- und Innenminister/-innen. Je nachdem, zu welchem der zehn festgelegten Politikbereiche Sitzungen anstehen, schickt jedes Mitgliedsland den jeweiligen Minister oder die Ministerin. In der öffentlichen Debatte ist deshalb auch oft vom EU-Interner Link: Ministerrat die Rede.

Zu seinen zentralen Aufgaben gehört es, die Politik der Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen zu koordinieren. Außerdem berät und verabschiedet der Ministerrat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament die EU-Rechtsvorschriften, die die Europäische Kommission vorschlägt.

Zu den weiteren Aufgaben des Ministerrats zählt die Entwicklung der Interner Link: Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Dies geschieht auf Grundlage von Leitlinien des Europäischen Rates. Der Rat der EU schließt auch internationale Abkommen mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen ab. Im Februar 2019 trat beispielsweise nach einem Beschluss des Rats ein Freihandelsabkommen mit Japan in Kraft.

Der Interner Link: Rat der EU darf nicht mit dem Interner Link: Europäischen Rat verwechselt werden. Dort kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um die allgemeine Ausrichtung der Politik der Europäischen Union festzulegen. Ähnlich klingt auch der Interner Link: Europarat, der jedoch keine EU-Institution ist, sondern eine eigenständige internationale Organisation.

Worin bestehen die Aufgaben der Ratspräsidentschaft?

Die Interner Link: jeweilige EU-Ratspräsidentschaft organisiert und koordiniert die Arbeit des Rates der EU und leitet die Treffen des Rates der Europäischen Union. Das bedeutet in der Praxis, dass bei einem Treffen der Umweltministerinnen und -minister der Minister oder die Ministerin des Staates den Vorsitz übernimmt, der die Ratspräsidentschaft gerade innehat. Eine Ausnahme gibt es bei dem Rat der Außenminister/-innen, dem aktuell Josep Borrell Fontelles als der Interner Link: Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik vorsitzt.

Die Ratspräsidentschaft umfasst auch die Vorbereitung, Koordination und Leitung der Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die die Ministersitzungen vorbereiten. Die Ratspräsidentschaft schlägt die Tagesordnung vor und soll Kompromissvorschläge unterbreiten, wenn es zum Streit zwischen Mitgliedern kommt. Sie hat außerdem die Möglichkeit, selbst Initiativen in den Verhandlungsprozess einzubringen. Nicolas Sarkozy trug als Präsident während der französischen Ratspräsidentschaft 2008 etwa dazu bei, dass die EU sich trotz der Banken- und Finanzkrise auf ein Klima- und Energiepaket einigte und Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes vereinbarte. Allerdings steht ein solches Vorgehen oftmals im Widerspruch mit ihrer Vermittlungsfunktion.

Eine weitere wichtige Aufgabe der EU-Ratspräsidentschaft: Sie vertritt den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen, insbesondere gegenüber der Kommission sowie dem EU-Parlament. Zudem ist die Ratspräsidentschaft auch für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU von zentraler Bedeutung, da sie die EU in diesem Politikfeld gemeinsam mit dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik repräsentiert.

Welcher Staat hat wann die Ratspräsidentschaft inne?

Der Rat der Europäischen Union hat keinen ständigen Vorsitz. Stattdessen übernimmt jedes Land turnusgemäß den Ratsvorsitz – diesmal das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der EU. Deutschland wird den Vorsitz nur dieses eine Mal in diesem Jahrzehnt innehaben, denn jeder der 27 EU-Staaten wird bei der Rotation unabhängig von seiner Größe genauso oft berücksichtigt. Die Staaten beginnen weit im Voraus – im Falle Deutschlands ein Jahr davor – mit der Vorbereitung ihrer Agenda.

Wie viel kostet eine EU-Ratspräsidentschaft?

Für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft rechnete die Bundesregierung Ende 2019 für die gesamten sechs Monate mit Kosten von 161 Millionen Euro – der weit überwiegende Teil ist für Sachkosten vorgesehen. Es wird aber auch zusätzliches Personal eingestellt. Wegen der Corona-Pandemie könnten die Ausgaben sinken, wenn Treffen wie der geplante EU-China-Gipfel nur als Videokonferenz stattfinden.

Für die Ausgaben einer Ratspräsidentschaft gibt es keine einheitlichen Vorgaben. Die österreichische Regierung hatte für ihre Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 beispielsweise 43 Millionen Euro veranschlagt, wobei die Kosten schließlich bei knapp 100 Millionen Euro lagen. Entstanden waren die Kosten in verschiedenen Ressorts, etwa durch Überstunden der Polizei. Die Ausgaben des Kanzleramts allein beliefen sich bereits auf rund 41,3 Millionen Euro.

Welchen Einfluss hat die Ratspräsidentschaft?

Die Ratspräsidentschaft hat nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten. In dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten können politische Prozesse außerdem in der Regel nicht abgeschlossen werden. Dem versucht die EU seit 2007 mit der Trio-Partnerschaft entgegenzuwirken. Dies bedeutet, dass die drei Staaten, die die Präsidentschaft nacheinander ausüben, ihre Programme aufeinander abstimmen. Für die Zeit vom 1. Juli dieses Jahres bis zum 31. Dezember 2021 übernehmen Deutschland, Portugal und Slowenien nacheinander die Ratspräsidentschaft.

Die Erwartungen an Ratspräsidentschaften sind unter der Ägide großer Mitgliedsstaaten besonders groß. Dies liegt auch daran, dass für einen Beschluss im Rat der EU zumeist eine Interner Link: qualifizierte Mehrheit nötig ist. Dafür müssen 55 Prozent der Länder zustimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren. Letzteres ist, wenn ein Mitgliedsstaat wie Deutschland sich gegen ein Gesetzesvorhaben oder eine Reform stellt, kaum zu erzielen. Große Länder können während ihrer Ratspräsidentschaften daher leichter Mehrheiten für ihre Projekte organisieren. 2007 beschloss der Rat der Europäischen Union während der letzten deutschen Ratspräsidentschaft beispielsweise eine zentrale Strukturreform. In der folgenden portugiesischen Ratspräsidentschaft unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs dieses Reformvorhaben, den Interner Link: Vertrag von Lissabon.

Welche Themen prägen die deutsche Ratspräsidentschaft? Und wie wirkt sich die Corona-Pandemie aus?

Lange Zeit sah es so aus, als werde der Brexit beziehungsweise der Abschluss eines Handelsabkommens mit London das große Thema der deutschen Ratspräsidentschaft. Doch zuletzt rückten die Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen in den Fokus, die die EU-Kommission mit einem Hilfsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro auffangen will. Schließlich ist zu erwarten, dass die Europäische Union vor der größten Rezession der Nachkriegsgeschichte steht.

In ihrer Regierungserklärung benannte Bundeskanzlerin Angela Merkel außerdem drei große Herausforderungen, nämlich den Klimawandel, die Digitalisierung und antidemokratische gesellschaftliche Entwicklungen. Auch der umstrittene Rahmen des EU-Haushalts, der die Ausgaben der EU von 2021-2027 festlegen soll und das geplante Hilfspaket einschließt, wird die deutsche Ratspräsidentschaft beschäftigen. Uneinig sind sich die Mitgliedsstaaten nicht nur über den Umfang des Hilfspakets, sondern auch darüber, wer wie viel für das Hilfsprogramm einzahlen soll und unter welchen Bedingungen die Mittel ausgezahlt werden sollen.

Außenpolitisch lenkt der geplante Gipfel zwischen der Afrikanischen Union und der EU den Fokus auf die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten und den Umgang mit der Pandemie auf beiden Kontinenten. Auch das Interner Link: Verhältnis der EU zu China wird ein wichtiges Thema der deutschen Ratspräsidentschaft sein, auch wenn der für Mitte September in Leipzig geplante EU-China-Gipfel wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde. Bei dem Spitzentreffen sollte ein Investitionsschutzabkommen geschlossen werden. Auch der Klimawandel sowie die Menschenrechtslage im bevölkerungsreichsten Land der Erde sollten in Leipzig thematisiert werden. Das Verhältnis der Volksrepublik und vieler EU-Staaten galt zuletzt als angespannt.

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