Die Vorbereitungen für die Ausarbeitung einer Verfassung in der
Mit dem Verfassungsentwurf beauftragte die SED den Juristen Karl Polak, der nach einem rechtswissenschaftlichen Studium in Deutschland von 1933 bis 1946 in Moskau gelebt hatte. Dort war er in verschiedenen juristischen Institutionen des sowjetischen Staates tätig gewesen, bevor er 1946 in die SBZ übersiedelte. Polak war folglich sowohl mit dem deutschen als auch dem sowjetischen Rechtssystem vertraut. Nicht zuletzt aufgrund dieser Voraussetzungen wurde Polak die zentrale Figur für die Ausarbeitung der verschiedenen Verfassungsentwürfe in der SBZ. Als späteres Mitglied des Ersten und Zweiten Deutschen Volksrates (1948/49), prägte er nicht nur den Entwurf von 1946, sondern auch den Text der 1949 tatsächlich in Kraft gesetzten Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) maßgeblich mit.
Nach Inkrafttreten der Verfassung trug Polak, der ab 1952 Mitglied des Zentralkomitees der SED war, entscheidend dazu bei, die Lehre von der Vorrangstellung des Parteiwillens in der Rechtssetzung und in der Rechtsanwendung zu verankern. Er legitimierte damit zugleich das Auseinanderklaffen von Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit: Vorrangig waren im Zweifel immer die "höheren Ziele" der Partei. Auch in der Verfassung verankerte Grundrechte waren diesen Zielen unterzuordnen, wenn dies aus Sicht der Partei notwendig erschien.
Erster Verfassungsentwurf lag bereits im August 1946 vor
Der erste Entwurf einer "Verfassung der demokratischen deutschen Republik" wurde von Polak im August 1946 vorgelegt. Gemäß den Vorgaben der sowjetischen Militäradministration und der SED war er in weiten Teilen angelehnt an die
Anfang November 1946 konnte eine überarbeitete Fassung des Entwurfs, nach den erforderlichen Rücksprachen mit Moskau und der sowjetischen Militäradministration in Deutschland, schließlich von den verantwortlichen SED-Gremien verabschiedet werden. Am 16. November 1946 stellte die SED der Öffentlichkeit schließlich ihren Entwurf einer "Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik" als Modell für eine gesamtdeutsche Verfassung vor.
Die SED wollte Wiedervereinigung Deutschlands – als sozialistischen Staat
Ende 1947 initiierte die SED in der ostdeutschen Zone einen "Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden". Dieser demokratisch nicht legitimierte Volkskongress sollte mit Delegierten aus Ost- und Westzonen die Rolle eines gesamtdeutschen Vorparlaments übernehmen. Er blieb in seiner Wirkung jedoch auf die SBZ beschränkt. Auf dem Zweiten Deutschen Volkskongress, der im März 1948 tagte, protestierten die Delegierten gegen die Gründung eines westdeutschen Teilstaats und wählten aus ihren Reihen einen 400-köpfigen "Ersten Deutschen Volksrat".
Der Volksrat sollte unter anderem einen gesamtdeutschen Verfassungsentwurf ausarbeiten, da die SED eine Wiedervereinigung unter sozialistischen Vorzeichen anstrebte. Den Vorsitz in dem entscheidenden Ausschuss hatte der spätere DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl und bereits im Oktober 1948 konnte eine Arbeitsversion der neuen Verfassung zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. Nachdem rund 15.000 Anregungen eingegangen waren, beendete die SED das Angebot zur Diskussion im Februar 1949 wieder.
"Wahlen" zum Dritten Deutschen Volkskongress
Im März 1949 stand der
Am 16. Mai 1949 fanden in der SBZ und Ost-Berlin Wahlen für einen Dritten Deutschen Volkskongress statt. Die Wahlberechtigten konnten jedoch nur für oder gegen die Einheitsliste des "Demokratischen Blocks" abstimmen, welcher der SED die Mehrheit der Listenplätze absicherte. Offiziellen Angaben zufolge stimmten zwei Drittel der 13,5 Millionen Wahlberechtigten dem Vorschlag zu. Knapp zwei Wochen später trat der Dritte Deutsche Volkskongress zusammen und wählte den Zweiten Deutsche Volksrat, der sich am
DDR-Verfassung bot Grundrechte nur auf dem Papier
Diese erste DDR-Verfassung hielt noch an einer Wiedervereinigung Deutschlands als "unteilbare demokratische Republik" (Artikel 1) fest und beinhaltete formell viele Elemente, die auch westliche Demokratien kennzeichnen. So waren zum Beispiel umfassende Grund- und
Schon die erste Verfassung der DDR enthielt die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer sozialistischen Diktatur. So wurde beispielsweise in Artikel 6 die sogenannte "Externer Link: Boykotthetze" unter Strafe gestellt, die auch Kritik an Partei und Staat umfasste: "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhass, militärische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches." (Art. 6, Abs. 2). Diese Generalklausel, die kein einheitliches Strafmaß vorgab, wurde von der DDR-Führung konsequent gegen die politischen Gegner des Regimes ausgelegt. Der Vorwurf der Boykotthetze diente in einigen Fällen sogar als verfassungsrechtliche Grundlage für Todesurteile.
Die Verfassung wurde von der DDR-Führung überdies regelmäßig gebrochen, beispielsweise wenn es um die Abhaltung von Wahlen ging: Bereits die erste Wahl in der neugegründeten DDR, die Externer Link: Volkskammerwahl von 1950, war eine Scheinwahl. Wahlberechtigte konnten nur für oder gegen die Einheitsliste der der "Externer Link: Nationalen Front" stimmen, die der SED die absolute Mehrheit garantierte. Die Wahl einzelner Abgeordneter war nicht möglich. Zudem konnte vielfach nicht geheim gewählt werden, da die Stimmabgabe teilweise ohne Wahlkabine erfolgte. Zudem wurden im Jahr 1952 die fünf Länder aufgelöst und das Parlament zum sozialistischen Ein-Kammer-System umstrukturiert, das von der SED dominiert wurde.
"Sozialistische Verfassung" von 1968
Auf ihrem siebten Parteitag beschloss die SED im Jahr 1967, eine neue Verfassung ausarbeiten zu lassen. Diese trat im April 1968 in Kraft und schrieb bereits in Artikel 1 den Herrschaftsanspruch der SED fest: "Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei."
Zwar gewährte die Verfassung von 1968 den Bürgerinnen und Bürger weiterhin Grundrechte, diese gingen aber mit politischen Pflichten einher, wie zum Beispiel dem Schutz des sozialistischen Vaterlandes (Artikel 23). Die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte der DDR dienten dementsprechend nicht in erster Linie der Verwirklichung des Individuums, sondern vorrangig der Verwirklichung des Kommunismus. Dies wurde mit der vermeintlichen Interessenidentität zwischen Bevölkerung und Staat begründet, sodass die Grundrechte an die sozialistischen Grundsätze und Ziele der Verfassung gebunden waren. Vorrangig waren im Zweifel immer die "höheren Ziele" der Partei. Stärker betont wurden hingegen soziale Rechte, wie das Recht auf Arbeit, Bildung oder den Schutz der Gesundheit und der Altersfürsorge.
Dritte Verfassungsreform 1974
Zudem enthielt die Verfassung der DDR keine Vorkehrung, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht hätte, ihre Bürgerrechte gegenüber dem Staat gerichtlich geltend zu machen. Eine unabhängige Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit war nicht vorgesehen. Über Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften sollte zunächst der Staatsrat, ab 1974 die Volkskammer entscheiden (Artikel 89, Absatz 3). Statt der Gewaltenteilung war die Gewalteneinheit eines der zentralen Verfassungsprinzipien. Es sollte die "absolute Volkssouveränität", in der Praxis also die Durchsetzungsmacht der Partei garantieren.
Im Jahr 1974 reformierte das Regime die Verfassung erneut. Das Ziel einer deutschen Einheit wurde aufgegeben und das Bündnis mit der Sowjetunion "für immer und unwiderruflich" bekräftigt (Artikel 6, Absatz 2).
Neuer Verfassungsentwurf am Runden Tisch
Im Verlauf der Friedlichen Revolution in der DDR Ende 1989 wurde am zentralen
Doch nach der ersten freien und geheimen Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 spielte der Entwurf keine größere Rolle mehr. Die Wählerinnen und Wähler in der DDR votierten mehrheitlich für Parteien, die eine schnelle Wiedervereinigung Deutschlands anstrebten.
Infolge beschloss das erste frei gewählte DDR-Parlament am 23. August 1990 mit 294 Ja-Stimmen gegen 62 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Dies geschah auf Grundlage von Artikel 23 des westdeutschen Grundgesetzes, der in seiner Urfassung vom 23. Mai 1949 lautete: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“
Als Beitrittsdatum der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes wurde der 3. Oktober 1990 festgelegt, erste gesamtdeutsche Wahlen folgten am 2. Dezember 1990.
Interner Link: Wolfgang Benz: Vom Deutschen Volkskongress zur DDR Interner Link: Christoph Kleßmann: Aufbau eines sozialistischen Staates - Interner Link: Deutschland 1945–1949 (Informationen zur politischen Bildung, Heft 259)
Interner Link: Grundrechte in anderen Verfassungen: Bürgerrechte in der DDR