Ein Ergebnis stand vor der Wahl schon fest:
Beim ersten Wahlgang für das oberste Staatsamt am 12. Mai konnte keiner der neun Kandidatinnen und Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit auf sich vereinen. Daher mussten sich die beiden erfolgreichsten Kandidierenden aus dem ersten Wahlgang, Ökonom Gitanas Nausėda die frühere Finanzministerin Ingrida Šimonytė, am 26. Mai – parallel zu den Wahlen zum Europäischen Parlament – einer Stichwahl stellen.
Nausėda siegte in der Stichwahl
Der unabhängige Politikneuling Nausėda gewann die Stichwahl am 26. Mai mit 66,7 Prozent der gültigen Stimmen und wird das Amt des litauischen Staatspräsidenten am 12. Juli von seiner Vorgängerin Grybauskaitė übernehmen. Seine Kontrahentin Šimonytė konnte ihr Ergebnis aus dem ersten Wahlgang nur unwesentlich steigern und erhielt 33,3 Prozent der gültigen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,4 Prozent.
Šimonytė und Nausėda führten bereits Umfragen zum ersten Wahlgang an
Für den ersten Wahlgang, am 12. Mai waren insgesamt neun Kandidatinnen und Kandidaten von der zentralen Wahlkommission offiziell bestätigt worden. Bereits in Vorwahlumfragen zeichnete sich ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Šimonytė und Nausėda ab. Daher überraschte es nicht, dass die beiden Kandidierenden aus dem konservativen Lager im ersten Wahlgang, mit je etwa 31 Prozent, die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, wobei Šimonytė einen sehr knappen Vorsprung von wenigen tausend Stimmen gegenüber ihrem Kontrahent Nausėda erzielte.
Der derzeit noch amtierende Ministerpräsident, Saulius Skvernelis, der sich ebenfalls zur Wahl für das Präsidentschaftsamt gestellt hatte, erhielt im ersten Wahlgang rund 20 Prozent der Stimmen und verpasste somit den Einzug in die Stichwahl. Er zeigte sich enttäuscht über sein Wahlergebnis und kündigte seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten für Juli 2019 an.
Wahlsystem und Staatsoberhaupt Litauens
Litauen – Das Land in Daten
Litauen, das südlichste und größte der drei baltischen Länder, grenzt im Norden an Lettland, im Osten an Weißrussland und im Süden an Polen und die russische Oblast Kaliningrad. Es liegt an der östlichen Grenze der EU, in die es 2004 aufgenommen wurde.
Hauptstadt: Vilnius
Amtsprache: Litauisch
Staats- und Regierungsform: Republik, Verfassung von 1992
Parlament (Seimas) mit 141 Mitgl., Wahl alle 4 J.
Direktwahl des Staatsoberhaupts alle 5 J. (einmalige Wiederwahl)
Wahlrecht ab 18 J.
Fläche: 65.286 km2 (Weltrang: 121)
Bevölkerungszahl (2017): 2.828.000
Bevölkerungsdichte: 43 je km2
Anteil ausländischer Bevölkerung (2017): 0,7%
Ethnische Zusammensetzung (2001): 84,2% Litauer, 6,6% Polen, 5,8% Russen, 1,2% Weißrussen, 0,5% Ukrainer; Lipka-Tataren, Karäer u.a.
Religionen (2006): 77% Katholiken, 4% Orthodoxe; Minderheiten von Protestanten und Muslimen, 6% religionslos
Arbeitslosenquote (2017): 7,1%
Bruttoinlandsprodukt: 41,9 Mrd. Euro; realer Zuwachs: 3,8%
Währung: Euro
Außenhandel: Import: 28.8 Mrd. Euro (2017); Export: 26.4 Mrd. Euro (2017)
Inflationsrate (in %) Ø 2017: 3.7%
Quelle: Der neue Fischer Weltalmanach 2019 © Fischer Taschenbuch Verlag in der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2018.
Bekenntnis zur NATO durch Nausėda
Nausėda vertrat im Wahlkampf wirtschaftspolitisch marktliberale Ansichten. Der ehemalige Chefökonom der SEB Bank (2008 - 2018) wurde von keinem größeren Parteienbündnis unterstützt und trat als unabhängiger Kandidat an. Als außenpolitische Zielsetzungen nannte er im Wahlkampf die Verwirklichung einer dezentral organisierten Europäische Union (EU) souveräner Nationalstaaten, eine engere wirtschaftliche Beziehung mit China und einen kritischen Dialog mit Russland. Während er sich einerseits für diplomatische Lösungen mit dem russischen Nachbarn und die Beibehaltung von Wirtschaftsbeziehungen aussprach, schloss er eine Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland nicht aus. Nausėda betonte außerdem die zentrale Bedeutung der NATO für die Sicherheit Litauens und begrüßte die derzeitigen Überlegungen, den Verteidigungsetat Litauens auf 2,5 Prozent des
Šimonytė wollte Beziehungen zum Westen stärken
Die frühere litauische Finanzministerin (2009 - 2012) Šimonytė ging als Kandidatin des konservativen Vaterlandsbundes – Christdemokraten Litauens (TS-LKD) ins Rennen um die Präsidentschaft. Sie selbst ist parteiloses Mitglied des litauischen Parlaments. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist seit 2013 die stellvertretende Vorsitzende der litauischen Zentralbank und warb mit einem liberal-konservativen Programm um Wählerstimmen. Sie wollte einen Bürokratieabbau erreichen und das Investitionsklima im Land verbessern. Außerdem wollte sie die Beziehungen zum Westen stärken. Kritisiert wurde sie von ihren politischen Gegnern und Gegnerinnen unter anderem dafür, dass sie als litauische Finanzministerin während der
Wahlkampfthemen
Für Diskussionen hatte im Wahlkampf eine mögliche Entschädigung von jüdischen Bürgern Litauens gesorgt, die vor dem Zweiten Weltkrieg in dem damals souveränen Staat lebten und während der deutschen Besatzung ihr Privateigentum verloren. Bereits 2011 wurden Entschädigungszahlungen für jüdisches Gemeindeeigentum in einem Umfang von rund 37 Millionen Euro gesetzlich festgeschrieben. Šimonytė sprach bei einer Fernsehdebatte Anfang April von einer "moralischen Schuld", über die diskutiert werden müsse. Ähnlich wie die beiden anderen führenden Kandidaten ließ sie jedoch offen, wann und in welcher Form es eine Entschädigung für jüdisches Privateigentum geben könnte.
Ein weiteres wichtiges Thema waren die Folgen der Austeritätspolitik im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die in Litauen eine der weltweit schwersten Rezessionen hervorrief. Viele Beschäftigte, die damals ihren Job verloren, verließen Litauen, um im Ausland Arbeit zu finden. Die meisten von ihnen sind bis heute nicht zurückgekehrt.