Eine feste Landverbindung zwischen England und Frankreich – mit dieser Idee beschäftigte sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts der französische Geologe Nicolas Desmarest, allerdings noch ohne konkrete Baupläne. Diese stellte im Jahr 1802 der Bergwerksingenieur Albert Mathieu-Favier erstmals vor. Sein Ziel: Mit der Postkutsche sollte man in fünf Stunden vom französischen Calais nach Dover in Südengland reisen können – durch einen Kanaltunnel.
Etwa 192 Jahre später, am 6. Mai 1994, wurde der Eurotunnel schließlich Realität. Für die 50 Kilometer lange Strecke benötigen Hochgeschwindigkeitszüge ("Eurostar“) heute etwas mehr als eine halbe Stunde. So beförderten sie 2018 etwa 11 Millionen Passagiere. Ebenso viele Menschen befuhren den Tunnel in Autos oder Lastwagen, die auf Autozügen transportiert werden. Doch bis dahin war es ein langer Weg.
Briten fürchteten Invasion
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Projekt vor allem aufgrund politischer Spannungen zwischen London und Paris nicht ernsthaft weiterverfolgt. Alle Vorstöße, einen Tunnel zwischen der Insel und dem Kontinent zu realisieren, scheiterten bis in die 1880er-Jahre an britischen Ängsten vor einer französischen Invasion.
Erst im Jahr 1955 gab das britische Verteidigungsministerium grünes Licht: Aus militärischer Sicht gebe es gegen einen Tunnel keine Bedenken mehr. Doch trotz einer erfolgversprechenden Machbarkeitsstudie und einer Vereinbarung zwischen der britischen und französischen Regierung scheiterte das erste Bauprojekt 1975 an der schlechten Haushaltslage in Großbritannien.
Private Investoren statt öffentlicher Gelder
1984 einigten sich Großbritannien und Frankreich schließlich darauf, das Projekt für private Investoren auszuschreiben, statt es mit staatlichen Mitteln zu bauen. Die Ausschreibung gewann die neugegründete "Groupe Eurotunnel“, die heute "Getlink“ heißt und ihren Sitz in Paris hat. Ihr wurde ein Monopol für den Bau und Betrieb des Tunnels zugesichert. Für das nötige Geld versprachen Banken Kredite und es wurden Aktien verkauft. Ein Konsortium aus fünf britischen und fünf französischen Baufirmen begann anschließend mit dem Bau des Tunnels, der zum größten Teil unter dem Meeresgrund des Ärmelkanals verläuft. Die Baukosten waren zum Schluss mit 15 Milliarden Euro doppelt so hoch wie vorhergesehen.
Schwierige Anfangsjahre
Wegen der explodierten Baukosten hatte die Groupe Eurotunnel Milliardenschulden angehäuft. Zugleich nutzten zunächst weniger Menschen als gedacht die Schnellzüge. Die Planerinnen und Planer hatten die Konkurrenz durch billige Fluglinien und Fähren unterschätzt. Hinzu kam, dass der Betrieb 1996 durch einen Brand unterbrochen werden musste. Die Firma stand mehrfach vor der Pleite. Erst seit im Jahr 2007 rund die Hälfte der Schulden erlassen wurden und die Kreditgeber als Gegenleistung Aktien erhielten, konnte sich das Unternehmen erholen. Noch im selben Jahr wurde erstmals ein realer Gewinn erzielt. Heute arbeitet Getlink profitabel.
Seit dem Start 1994 nutzten nach Angaben der Betreiberfirma fast 430 Millionen Passagiere und gut 86 Millionen Fahrzeuge den Eurotunnel. Nach einer ebenfalls von Getlink veröffentlichten Externer Link: Studie geht mittlerweile mehr als ein Viertel des Güterverkehrs (26 Prozent) zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland durch den Kanaltunnel. Das entspreche Waren im Wert von jährlich rund 138 Milliarden Euro. Etwa 30 Milliarden Euro entfielen dabei auf den Handel zwischen Deutschland und Großbritannien.
Wichtige Verbindung zwischen Insel und Festland
Trotz der Startschwierigkeiten war der Bau des Eurotunnels nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch von großer Bedeutung. Er symbolisierte die Annäherung zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland. 1973 wurden die Briten Mitglied der Europäischen Gemeinschaft (EG),