In Spanien hat am 28. April eine vorgezogene Parlamentswahl stattgefunden. Die 36,9 Millionen Wahlberechtigten waren bereits zum dritten Mal seit Interner Link: Dezember 2015 dazu aufgerufen, die 350 Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie 208 von 266 Mitgliedern des Senats zu wählen. Die Wahl lag nur vier Wochen vor dem 26. Mai – an diesem Termin finden in Spanien neben der Europawahl gleichzeitig auch Kommunalwahlen und die Wahlen der Regionalparlamente von zwölf der 17 Autonomen Gemeinschaften statt.
Die Partido Socialista Obrero Español (PSOE, deutsch: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) um Ministerpräsident Pedro Sánchez konnte mit 28,7 Prozent der Stimmen ihr Externer Link: Wahlergebnis im Vergleich zur letzten Wahl verbessern (2016: 22,6 Prozent) und wird stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus. An zweiter Stelle folgt die konservative Partido Popular (PP, deutsch: Volkspartei), für die die Wahl mit 16,7 Prozent der Stimmen eine deutliche Niederlage bedeutet (2016: 33,0 Prozent). Die Ciudadanos (deutsch: Bürger) kommen auf 15,9 Prozent (2016: 13,1 Prozent), das Linksbündnis Podemos (deutsch: Wir können) auf 12,0 Prozent (2016:13,4 Prozent). Zum ersten Mal zieht die rechtsextreme Partei Vox ins Parlament ein (10,3 Prozent). Außerdem werden mehrere kleine Regionalparteien im Parlament vertreten sein.
Da weder linke noch konservative Parteien zusammen eine absolute Parlamentsmehrheit erzielen konnten, dürfte die Koalitions- und Regierungsbildung schwierig werden.
Im Senat verfügt die sozialdemokratische PSOE mit 121 der 208 wählbaren Sitze künftig über eine absolute Mehrheit. Zuvor war der Senat in der Hand der konservativen PP, die nur noch 56 Sitze gewinnen konnte (2016: 130). Der spanische Senat repräsentiert – ähnlich dem deutschen Bundesrat – als zweite Parlamentskammer die Provinzen und Regionen.
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 75,8 Prozent und damit deutlich höher als bei der letzten Parlamentswahl (66,5 Prozent).
Sánchez amtiert erst seit Juni 2018
Zuletzt wurde in Spanien im Interner Link: Juni 2016 gewählt. Auch damals erreichten weder die bürgerlichen noch die linken Parteien eine Mehrheit im Parlament. Der damalige Vorsitzende der konservativen PP, Mariano Rajoy, konnte zunächst eine Minderheitsregierung bilden – mit Unterstützung der Ciudadanos (deutsch: Bürger), toleriert von der sozialistischensozialdemokratischen PSOE. Die Regierung zerbrach im Juni 2018 in Folge einer Korruptionsaffäre innerhalb der PP durch ein konstruktives Misstrauensvotum im Parlament.
Seitdem amtierte Interner Link: Pedro Sánchez von der PSOE als Ministerpräsident. Seine Regierung verfügte ebenfalls über keine Parlamentsmehrheit, wurde aber von der linken Partei Podemos und mehreren kleinen Regionalparteien geduldet. Auch Sánchez' Minderheitsregierung konnte sich nicht bis zum Ende der Legislaturperiode halten: Nachdem die Verabschiedung des Haushaltes für 2019 gescheitert war, kündigte Sánchez im Februar vorgezogene Neuwahlen an. Der Haushaltsentwurf sah Mehrausgaben für Arbeitslose und Rentner/-innen vor, aber auch Investitionserhöhungen für die Regionen.
Eigentlicher Streitpunkt war jedoch das Verhältnis zur nach Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien. Sánchez stützte seine Minderheitsregierung unter anderem auf die linke Separatistenpartei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC, deutsch: "Republikanische Linke Kataloniens"). Diese knüpfte ihre Zustimmung zum Haushaltsplan an Zugeständnisse zugunsten der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.
Sozialdemokraten sind stärkste Kraft
Die sozialdemokratische PSOE um Ministerpräsident Pedro Sánchez ging aus den Parlamentswahlen als stärkste Kraft hervor (28,7 Prozent). Gemeinsam mit ihrem Partner, dem Linksbündnis Podemos (12,0 Prozent), verfehlt sie die Parlamentsmehrheit. Beide Parteien hatten seit dem Regierungswechsel im Jahr 2018 in einer Minderheitsregierung zusammengearbeitet.
Die katalanischen Separatisten von der ERC hatten sich mit Ministerpräsident Sánchez über die Frage der katalanischen Unabhängigkeit zerstritten und traten bei der Parlamentswahl gemeinsam mit den katalanischen Sobiranistes (deutsch: Souveränisten) an. Sie erhielten 3,9 Prozent der Stimmen.
Aufstieg der extremen Rechten
Ursprünglich haben auch die Ciudadanos ihre Wurzeln in Katalonien, sie vertreten jedoch einen völlig anderen Kurs als die ERC: Die Ciudadanos treten in ganz Spanien an, vertreten bürgerlich-liberale Positionen und kämpfen für die staatliche Einheit Spaniens. Unter ihrem Parteichef Albert Rivera gewannen sie zuletzt an Zustimmung und bekamen bei der Parlamentswahl 15,9 Prozent der Stimmen.
Die Partido Popular stellte von 2011 bis 2018 mit Mariano Rajoy den Ministerpräsidenten. Für die mittlerweile nach rechts gerückten PP bedeutet die Wahl mit ihrem Spitzenkandidaten Pablo Casado eine deutliche Niederlage: Erhielt sie 2016 noch 33,0 Prozent der Stimmen, stimmten bei dieser Wahl nur noch 16,7 Prozent der Wähler/-innen für die PP.
Im Aufwind befindet sich dagegen die extreme Rechte: Die Partei Vox kommt auf 10,3 Prozent der Stimmen. Für Schlagzeilen sorgte im Dezember, vor der Regionalwahl in Andalusien, ihr dortiger Spitzenkandidat Francisco Serrano, der behauptete, dass Spanien unter Franco keine Diktatur gewesen sei.
Katalonien ist zum wichtigsten Wahlkampfthema geworden
Zum wichtigsten Wahlkampfthema waren die separatistischen Bestrebungen in Katalonien geworden. Die als rechtspopulistisch bis rechtsextrem bewertete Partei Vox hatte im vergangenen Jahr mit der Katalonien-Frage bei der Regionalwahl in Andalusien mobilisiert und einen überraschenden Erfolg errungen. Die Partei warb unter anderem mit der Aufhebung des Autonomiestatuts für Katalonien.
Der Erfolg von Vox könnte Auswirkungen auf die Ausrichtung der anderen Parteien haben. Auch Ministerpräsident Pedro Sánchez grenzt sich nun deutlich von den Separatisten ab: Mitte April warnte er die katalanische Regionalregierung davor, "erneut gegen die Verfassung zu verstoßen". Sollte dies geschehen, würde seine Regierung "mit Härte" antworten. Denkbar sei unter anderem, dass die Region Katalonien unter Zwangsverwaltung gestellt werde. Monate zuvor war Sánchez noch zu Zugeständnissen gegenüber den Katalanen bereit: Sein gescheiterter Haushalt sah eine Erhöhung der Realinvestitionen in die Region Katalonien um 66 Prozent vor.
Weitere wichtige Themen im Wahlkampf waren die mit dem Haushalt vorerst gescheiterten Sozialreformen und die politische Polarisierung des Landes.
Wahlsystem benachteiligt bevölkerungsreiche Regionen
Das spanische Parlament (Cortes Generales) besteht aus zwei Kammern: Dem Abgeordnetenhaus (Congreso de los Diputados) und dem Senat (Senado). Am 28. April wurden alle 350 Abgeordneten des Abgeordnetenhauses neu gewählt sowie 208 der 266 Sitze des Senats.
Das Abgeordnetenhaus ist dabei die bedeutendere Kammer: Es wählt die Regierung und hat auch in der Gesetzgebung die letzte Kompetenz. Die Wahl zum Abgeordnetenhaus findet über eine regionalisierte Variante des Verhältniswahlrechts statt. Spanien ist in 52 Wahlkreise aufgeteilt: die 50 Provinzen sowie die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der nordafrikanischen Mittelmeerküste.
Das Abgeordnetenhaus besteht nach der Verfassung aus mindestens 300 und höchstens 400 Abgeordneten – im Wahlgesetz ist die Anzahl auf 350 festgesetzt. Von den 350 Sitzen entfallen auf jede Provinz jeweils zwei "Stamm-Mandate". Außerdem entsenden die beiden Exklaven jeweils einen Abgeordneten. Die restlichen 248 Sitze werden gemäß eines Bevölkerungsschlüssels den Provinzen zugewiesen. Madrid stehen bei der kommenden Wahl zum Beispiel 37 Sitze zu, Barcelona 32. Dünner besiedelte Provinzen werden durch die Vergabe der zwei "Stamm-Mandate" bevorzugt, hier haben die Wählerstimmen ein vergleichsweise höheres Gewicht.
Für die Wahl des Abgeordnetenhauses hat jede/-r Wahlberechtigte eine Stimme. Zur Wahl stehen Listenvorschläge der einzelnen Parteien. Den Stimmanteilen entsprechend werden die in einem Wahlkreis zu vergebenden Mandate auf die Parteien verteilt. Es gibt eine Sperrklausel von drei Prozent in den Wahlkreisen, faktisch aber sind außer in Madrid und Barcelona höhere Stimmanteile nötig, um einen Sitz im Kongress zu bekommen. Da die Verteilung der Mandate bereits auf Wahlkreisebene stattfindet, begünstigt es große Parteien ebenso wie Parteien mit regionalem Schwerpunkt.
Der Senat setzt sich aus aktuell 266 Mitgliedern zusammen. Von diesen werden 208 direkt per Mehrheitsprinzip in den Provinzen gewählt. Dabei hat jede/-r Wähler/-in hat so viele Stimmen wie der jeweilige Wahlkreis an Mandaten verfügen kann. Es kann auch panaschiert werden. Gewählt sind die Kandidat/-innen mit den meisten Stimmen.
Die übrigen 58 Senatsmitglieder werden von den Regionalparlamenten ernannt. Jede der 47 Festlandprovinzen entsendet vier Senator/-innen, die Inseln und Exklaven absteigend in der Reihenfolge ihrer Größe weniger.
Beide Kammern des Parlaments werden in der Regel alle vier Jahre gewählt, letztlich kann der Regierungschef das Parlament jedoch jederzeit auflösen.
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