Nach der Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober 2018 steht fest, dass erstmals sechs Parteien in das Landesparlament in Wiesbaden einziehen werden. Dem Externer Link: vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erzielte die CDU 27,0 Prozent der Wählerstimmen (2013: 38,3). Damit erreichte sie ihr schlechtestes Ergebnis bei den hessischen Landtagswahlen. Die zweitmeisten Stimmen erhielten die Grünen mit 19,8 Prozent (2013: 11,1). Die SPD kam mit 94 Stimmen weniger ebenfalls auf 19,8 Prozent (2013: 30,7) und erzielte, wie die CDU, damit ihr niedrigstes Ergebnis bei einer hessischen Landtagswahl. Die viertstärkste Partei in Hessen wurde die AfD mit 13,1 Prozent der Stimmen (2013: 4,1), die damit erstmals in den Landtag einziehen konnte. Sie ist nun in allen Landtagen und im Deutschen Bundestag vertreten. Die FDP erhielt 7,5 Prozent der gültigen Landesstimmen (2013: 5,0). Die Linke erreichte mit 6,3 Prozent ihr bestes Landtagswahlergebnis in Hessen (2013: 5,2).
Landtagswahl in Hessen 2018
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Hessen wählte am 28. Oktober ein neues Parlament. CDU und SPD verzeichneten starke Verluste, Grüne und AfD gewannen deutlich hinzu. Auch FDP und Linke erzielten Stimmengewinne.
Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten wird der hessische Landtag mit 137 Abgeordneten so groß wie noch nie. Für eine Mehrheit zur Regierungsbildung werden 69 Abgeordnete benötigt. Die CDU stellt mit 40 Sitzen die größte Fraktion, gefolgt von den Grünen und der SPD mit je 29 Sitzen, der AfD mit 19 Sitzen, der FDP mit 11 Sitzen und der Linken mit 9 Sitzen. Es sind mehrere Optionen zur Koalitionsbildung in der Diskussion. Für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Regierung würde es ebenso reichen wie für eine große Koalition aus CDU und SPD. Auch eine „grüne Ampel“, eine Koalition aus Grünen, SPD und FDP, wäre möglich. Für Rot-Rot-Grün – eine Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke – besteht keine Mehrheit. Eine Koalition mit der AfD wurde jeweils von den anderen im Parlament vertretenen Parteien ausgeschlossen.
Am 28. Oktober waren fast 4,4 Millionen Menschen in Hessen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Knapp 285.000 von ihnen durften zum ersten Mal den hessischen Landtag wählen. Von den Wahlberechtigten gaben 67,3 Prozent ihre Stimme ab, 2013 waren es 73,2 Prozent. Die Abgeordneten wurden für fünf Jahre gewählt. Zugleich stimmten die Wählerinnen und Wähler auch per Volksabstimmung über 15 Gesetze zur Änderung der hessischen Landesverfassung ab.
Wahlumfragen und Prognosen
Der Nutzen und die Effekte von Umfragen im Vorfeld von Wahlen sind umstritten. In Deutschland werden Wahlumfragen in der Regel von privaten Meinungs- und Marktforschungsinstituten im Auftrag von Medien durchgeführt.
Die Umfrageinstitute wiesen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass ihre Erhebungen nicht den Wahlausgang vorhersagen könnten. So schreibt Externer Link: infratest dimap zu den Werten der sogenannten Sonntagsfrage: "Die Sonntagsfrage misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Sie ermittelt einen Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess der Wahlbevölkerung, der erst am Wahlsonntag abgeschlossen ist. Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind damit nur bedingt möglich. Viele Wähler legen sich kurzfristig vor einer Wahl fest. Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern." Die Umfragewerte unterliegen zudem einer Schwankungsbreite von 1 bis zu 3 Prozentpunkten.
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Wahlumfragen und Themen
23 Parteien traten zu der Wahl mit einer Landesliste an. Bestimmende Themen des Wahlkampfs waren insbesondere die Wohnungs-, Bildungspolitik, Flüchtlings- und Verkehrspolitik. Den letzten Wahlumfragen Externer Link: von Meinungsforschungsinstituten (Infratest dimap, Forschungsgruppe Wahlen, INSA) zufolge hatten sechs Parteien eine realistische Chance, in den hessischen Landtag einzuziehen.
So funktioniert das hessische Wahlsystem
Wahlberechtigt in Hessen ist jede Person, die mindestens 18 Jahre alt ist, seit mindestens drei Monaten in dem Land lebt und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Jede Wählerin und jeder Wähler in Hessen hat zwei Stimmen: Mit der Erststimme entscheidet sich, welche oder welcher Abgeordnete für den eigenen Wahlkreis in den hessischen Landtag einzieht (Direktmandat). Mit der Zweitstimme wählt die wahlberechtigte Person die Landesliste einer Partei. Auf dieser Liste stehen in einer festen Reihenfolge Kandidatinnen und Kandidaten, die für die Partei in den Landtag einziehen sollen.
In den 55 Wahlkreisen werden die Kandidatinnen und Kandidaten mit den meisten Stimmen direkt in den Landtag gewählt. Ausschlaggebend für die Zahl der Sitze, die eine Partei im Landtag insgesamt erhält, ist aber in erster Linie deren Anteil an den gültigen Zweitstimmen (Landesstimmen). Zudem gilt in Hessen eine Fünf-Prozent-Hürde: Um in den Landtag einzuziehen, benötigt eine Partei mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen.
Sollte in einem Wahlkreis eine Kandidatin oder ein Kandidat gewinnen, ohne auf der Landesliste vertreten zu sein, oder von einer Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, werden diese Sitze von der vorgesehenen Gesamtzahl von 110 Sitzen abgezogen. In der Praxis kommt dies jedoch nur selten vor. Falls eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr normalerweise über die Zweitstimme zustehen, wird die Zahl der Abgeordneten so lange auf die nächst höhere, ungerade Zahl aufgestockt, bis für alle Parteien eine Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Zweitstimmen möglich ist. Man spricht in diesem Zusammenhang von Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Die Christlich Demokratische Union (CDU), die seit Januar 2014 das Land in einer Koalition mit den Grünen regiert, kam den letzten Umfragen vor der Wahl auf 26 Prozent. Die CDU wurde im November 1945 in Hessen gegründet. Die Partei warb im Landtagswahlkampf für eine Beibehaltung des bisherigen wirtschaftlichen, sozialen und bildungspolitischen Kurses des Bundeslands. Zentral für ihr Programm waren ein christliches Menschenbild sowie konservative und liberale Wertvorstellungen. Für die CDU trat erneut der amtierende Ministerpräsident Volker Bouffier als Spitzenkandidat an. Er ist seit 2010 Ministerpräsident – bis 2014 in einer Koalition mit der FDP.
Seit 1999 regierten erst Roland Koch und dann Bouffier, beide aus der CDU; zuvor kamen die hessischen Ministerpräsidenten von 1946 an fast durchgängig aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). In den letzten Wahlumfragen lagen die Sozialdemokraten bei 20 bis 21 Prozent. Die SPD setzte im Wahlkampf vor allem auf soziale Themen: Sie fordert mehr bezahlbaren Wohnraum, gebührenfreie Kitas und Krippen sowie mehr Ausbildungsplätze für Erzieher. Auch eine Verkehrswende zu Gunsten eines Ausbaus des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) war Teil der sozialdemokratischen Forderungen. Spitzenkandidat der Partei war Thorsten Schäfer-Gümbel.
Bündnis 90/Die Grünen (Grüne) kamen in letzten Umfragen vor der Wahl auf 20 bis 22 Prozent. Die Partei war in Hessen seit 1985 mit Unterbrechungen an vier Regierungen beteiligt. Noch bis 1999 hatten die Grünen mit der SPD regiert, derzeit sind sie in einer Koalition mit der CDU. Ihr Spitzenduo, die hessische Umweltministerin Priska Hinz sowie Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, verzichteten im Wahlkampf auf eine Koalitionsaussage. Sie forderten, dass Hessen ökologischer, sozialer und vielfältiger werden müsse. Neben bezahlbaren Wohnungen und besseren Betreuungsangeboten sprach sich die Partei auch für einen massiven Ausbau des ÖPNV aus.
Die Linke stand in den letzten Umfragen vor der Wahl bei acht Prozent. Die Linke entstand 2007 durch den Zusammenschluss der in Hessen gegründeten WASG mit der PDS und ist seit 2008 im hessischen Landtag vertreten. Die Partei forderten den Bau von mehr Sozialwohnungen, einen Landesaktionsplan gegen Kinderarmut sowie Preissenkungen beim ÖPNV. Die Partei kandidierte mit einer Doppelspitze: der Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler und dem hessischen Parteichef Jan Schalauske.
Der Freien Demokratischen Partei (FDP) sagten die letzten Wahlumfragen mit sieben bis neun Prozent den Einzug in das hessische Landesparlament voraus. Ab 1970 war die FDP an mehreren hessischen Landesregierungen beteiligt. In ihrem Wahlprogramm setzten die Freien Demokraten auf die Themen Bildung, Wirtschaft und Soziales, wobei sich die Digitalisierung durch das gesamte Programm zog. Die Partei forderte hier etwa eine leistungsfähigere Infrastruktur. Spitzenkandidat der FDP in Hessen war René Rock.
Die Alternative für Deutschland (AfD) konnte erstmals in den hessischen Landtag einziehen. In den letzten Wahlumfragen kam sie auf zwölf bis 13 Prozent. Die 2013 gegründete Partei war bei den letzten Landtagswahlen in Hessen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Die Partei vertritt einen national-konservativen, rechtspopulistischen Kurs und nimmt seit 2015 zunehmend die Themen Migration und Islam in den Fokus. Im Wahlprogramm forderte sie etwa eine restriktive Asyl- und Einwanderungspolitik, u.a. sofortige Abschiebung von Ausreisepflichtigen ohne Ausnahmen und "geschlossene Abschiebezentren". Ihr Spitzenkandidat war Rainer Rahn.
Volksabstimmung über 15 Verfassungsänderungen
Wählerinnen und Wähler in Hessen entschieden am Sonntag nicht nur über den neuen Landtag. Zur Abstimmung standen zudem 15 Änderungen der Landesverfassung. Festgeschrieben werden sollten unter anderem:
die ausdrückliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau,
die Abschaffung der Todesstrafe, die bislang noch in der Verfassung steht,
die Aufnahme von Kinderrechten.
Die Vorschläge wurden von einer Enquetekommission erarbeitet und sind im Mai 2018 bereits vom Hessischen Landtag verabschiedet worden. Die Änderungen treten erst in Kraft, wenn die Wählerinnen und Wähler ihnen mehrheitlich zugestimmt haben. Den Vorschlägen konnte entweder einzeln oder allen 15 Änderungen zusammen zugestimmt werden. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird Externer Link: hier veröffentlicht.
Die Hessische Landesverfassung trat am 1. Dezember 1946 in Kraft. Sie ist damit älter als das Grundgesetz.
Landtagswahl Hessen 2018
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