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Präsidentschaftswahl in Venezuela | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Venezuela

Redaktion

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Venezuelas Präsident Nicolás Maduro wurde bei der Wahl am 20. Mai als Staatsoberhaupt erneut bestätigt. Fast alle Oppositionsparteien boykottierten die Abstimmung, die sie weder als fair noch frei empfanden. Auch Vertreter anderer Staaten bezeichneten die Wahl als nicht demokratisch.

Beobachter befürchten, dass die Präsidentschaftswahl in Venezuela am 20. Mai nicht frei und fair ablaufen wird. (© picture alliance / Wil Riera / dpa)

Venezuelas Regierung unter dem amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro sorgte in den vergangenen Jahren vor allem durch wirtschaftliches Missmanagement, aggressives Vorgehen gegen Interner Link: Oppositionelle und einen autoritären Regierungsstil für Schlagzeilen. Nun wurde der Präsident am 20. Mai 2018 wiedergewählt.

Der alte und neue Amtsinhaber hat die Wahl laut vorläufigem Endergebnis eindeutig gewonnen. Für Maduro stimmten 6,2 Millionen Menschen, er erhielt also knapp 68 Prozent der insgesamt abgegebenen Stimmen. Auf den Oppositionellen Henri Falcón entfielen etwa 21 Prozent der Stimmen, Drittplatzierter wurde Javier Bertucci mit rund 11 Prozent. Insgesamt war die Wahlbeteiligung schwach, nur etwa 46 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Wahl teil. Bei der vorherigen Präsidentschaftswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung noch bei rund 80 Prozent.

Ein Großteil der Opposition boykottierte die Wahl, weil die Regierung Maduros zuvor viele Oppositionspolitiker von der Wahl ausgeschlossen hatte. Zahlreiche ausländische Regierungen, darunter auch Deutschland, die USA und viele lateinamerikanische Länder, kritisierten die Wahl als unfrei und intransparent.

Machterhalt der sozialistischen Einheitspartei

Laut Verfassung ist Venezuela eine präsidiale Bundesrepublik. Die Amtszeit des Präsidenten, der gleichzeitig Staatsoberhaupt und Regierungschef ist, beträgt sechs Jahre. Er wird direkt vom Volk nach Mehrheitswahlrecht gewählt. Doch die Einhaltung demokratischer Standards der Regierung ist zweifelhaft: Seit 1999 wird das Land von links-sozialistischen Präsidenten regiert. Interner Link: Hugo Chávez regierte das Land – abgesehen von einer Unterbrechung 2002 – bis zu seinem Tod 2013 durchgängig. Er persönlich ernannte Maduro zu seinem Nachfolger, der Interner Link: 2013 durch Wahlen in seinem Amt legitimiert wurde. Zu dieser Zeit sank bereits der Einfluss der Sozialistischen Einheitspartei (PSUV) und führte zu einer Niederlage bei der Parlamentswahl im Jahr 2015. Doch Änderungen im Wahlsystem und Wahlrecht sorgten für den Machterhalt.

Nicht zuletzt die Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments durch die Schaffung einer demokratisch nicht legitimierten und weitgehend regierungstreuen "verfassungsgebenden Versammlung" im Sommer 2017 sorgte dafür, Maduro und seine Partei an der Macht zu halten.

Maduro will Chavez Erbe bewahren

Interner Link: Staatspräsident Maduro, zugleich Vorsitzender der Sozialistischen Einheitspartei, war bereits als Jugendlicher politisch aktiv und schon in den 1980er Jahren an Chavez‘ Seite. Seit Anbeginn seiner Präsidentschaft setzt er seine politischen Vorstellungen nach dessen Vorbild fort: Er will den Sozialismus im Land erhalten und verurteilt den sogenannten “Yankee-Imperialismus“.

Für den Fall seines Wahlsiegs hatte Maduro die Zerschlagung der "oligarchischen Mafia" angekündigt. Seine Rhetorik ist oft aggressiv: "Während die Wahl näher rückt, hat die Oligarchie einen totalen Wirtschaftskrieg erklärt, damit ihr die Geduld verliert", sagte er Anfang Mai und machte Venezuelas Privatunternehmer für die Interner Link: schwere Versorgungs- und Hungerkrise im Land verantwortlich. Zusätzlich kämpft Venezuela mit einer Interner Link: Hyperinflation, der Interner Link: Internationale Währungsfonds rechnet im laufenden Jahr mit einer Inflationsrate von 13.800 Prozent.

Mögliche Gegenkandidaten boykottierten die Wahl

Obwohl die Machthaber in Caracas eine demokratische Abstimmung versprachen, zweifelte ein Großteil der Opposition – genau wie viele westliche Staaten – an der Freiheit und Fairness der Wahlen am 20. Mai. Auch die mehrfache Wahlverschiebung sahen Regierungsgegner als Mittel zur Schwächung der Opposition. die so wenig Gelegenheit hatte, sich zu organisieren. Die Präsidentschaftswahl hätte eigentlich erst Ende 2018 stattfinden sollen, wurde aber auf den 22. April vorgezogen und dann noch einmal auf den 20. Mai verlegt.

Mehrere linke und sozialistische Parteien unterstützten Maduros Kandidatur. Dagegen boykottierten das wichtige Oppositionsbündnis "Tisch der Demokratischen Einheit" (MUD), das sozialdemokratische, linke, liberale und christdemokratische Parteien vereint, sowie mehrere andere regierungskritische Kräfte die Abstimmung. Sie traten nicht zur Wahl an, da sie sie als “Farce“ betrachten, um eine illegitime Machterhaltung Maduros zu überdecken.

Namhafte Regierungskritiker erhielten nicht die Möglichkeit, sich zur Wahl aufstellen zu lassen: Mehrere Oppositionelle sitzen in Haft, stehen unter Hausarrest, flohen ins Exil oder haben ein Ämterverbot erhalten. Weite Teile der Opposition werden seit vielen Jahren unterdrückt – dabei setzt das Regime auch auf den Einsatz von Polizei und Justiz, die Armee gilt ebenfalls als Garant des Machterhalts der regierenden, nach dem verstorbenen Ex-Präsidenten so genannten "Chávisten".

Berichte von Wahlfälschungen bei den letzten Regionalwahlen im Herbst 2017 sorgten bei der Opposition für einen weiteren Vertrauensverlust in faire Wahlen. Wegen des Boykotts sah es lange so aus, als könne Maduro bei der Präsidentschaftswahl am Ende ohne jeglichen Gegenkandidaten ins Rennen gehen. Zuletzt gaben jedoch noch vier weitere Politiker ihre Teilnahme bekannt: der evangelikale Prediger Javier Bertucci, der Sozialist Reinaldo Quijada, der Unternehmer Luis Alejandro Ratti und der frühere Sozialist und Gouverneur des Bundesstaates Lara, Henri Falcón.

Herausforderer Falcón bricht mit Oppositionsbündnis MUD

Falcón trat als der Kandidat der anti-chavistischen Avanzada Progresista (AP) an und wurde von mehreren kleineren oppositionellen Parteien wie der sozialdemokratischen MAS (Movimiento al Socialismo) unterstützt. Der 56-Jährige Falcón, der 2010 mit Chavez gebrochen hatte und im Wahlkampf eine "Regierung der Nationalen Einheit" versprach, hält den vom Oppositionsbündnis MUD geforderten Wahlboykott für "ineffektiv".

Der ehemalige Soldat profitierte nicht zuletzt davon, dass die Wirtschaft des Landes aufgrund von Misswirtschaft, Korruption, mangelnder Investitionen in Ölförderanlagen und Interner Link: gesunkener Ölpreise darniederliegt. Das verstärkt die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der amtierenden Regierung. Falcón hätte als Staatspräsident nach eigenen Aussagen den Hunger und die Wirtschaftskrise beenden wollen.

Seine Kandidatur kritisierten weite Teile der Opposition scharf: Manche Oppositionelle sehen in ihm ein Instrument der Regierung, um die Opposition zu spalten oder die umstrittene Wahl zu legitimieren, da sie durch die Gegenkandidatur einen Interner Link: demokratischen Anstrich bekomme. Die drei Parteien, die Falcón unterstützten, wurden darum vom Oppositionsbündnis ausgeschlossen.

Auch der 48-jährige evangelikale Pastor Javier Bertucci vom Bündnis "Hoffnung für den Wandel" stellte sich zur Wahl. Der Konservative ist erst seit wenigen Monaten in der Politik aktiv und wollte das Land vor allem durch eine Stärkung der christlichen Werte aus der Krise retten. Der Ingenieur Reinaldo Quijada trat für die Partei UPP89 an und bezeichnete sich selbst als „Verteidiger des revolutionären Prozesses“, den Chavez vorlebte, aber Maduro nach seiner Meinung nach nicht fortsetzt. Er ist ehemaliges Mitglied der PSUV, gründete jedoch mit Unterstützern eine neue Partei, da er mit der Politik Maduros nicht einverstanden war. Der Unternehmer Luis Alejandro Ratti zog kurzfristig seine Kandidatur zurück, um Henri Falcón im Wahlkampf gegen Maduro zu unterstützen.

EU-Parlament entsendet keine offiziellen Wahlbeobachter

Auch viele europäische Staaten bezweifelten die Freiheit der Wahl. Um die Legitimität des erwarteten Maduro-Siegs zu schwächen, schickten viele Staaten keine offiziellen Wahlbeobachter in das südamerikanische Land. Auch das EU-Parlament gab zuvor bekannt, darauf zu verzichten. Es fehlten die Bedingungen für "glaubwürdige, transparente und umfassende Wahlen", so die Begründung.

Viele süd- und mittelamerikanische Staaten kündigten vor der Wahl an, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen. Sechs Tage vor dem Wahltermin, am 14. Mai 2018, veröffentlichte die Lima-Gruppe (LG) bei einem Außenminister-Treffen in Mexiko einen gemeinsamen Aufruf an Präsident Maduro, die “illegitim“ angesetzte Wahl abzusagen, sie verspreche keine Glaubwürdigkeit. Andernfalls würden die Länder der LG diplomatische, wirtschaftliche und humanitäre Schritte erwägen. Zur „grupo de lima“ gehören Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Kanada, Mexico, Panama, Paraguay, Peru, St. Lucia, Spanien und die USA. Die unmittelbaren Nachbarländer Venezuelas haben infolge der Wirtschafts- und Hungerkrise in Venezuela zahlreiche Flüchtlinge aus dem Land aufgenommen, Kolumbien bislang über 600.000, Peru 200.000 und Argentinien 90.000.

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