Fünfeinhalb Monate hat es gedauert, bis Deutschland nach der Bundestagswahl im September 2017 eine Interner Link: neue Bundesregierung bekommen hat. Der Interner Link: neue Bundestag war zwar nach seiner konstituierenden Sitzung am 24. Oktober 2017 arbeitsfähig, in der Übergangsphase war aber noch das Bundeskabinett der vorherigen Legislaturperiode geschäftsführend im Amt. Das hat mitunter zu Entscheidungen geführt, die vor allem diese Übergangsphase überbrücken sollten. Davon betroffen waren auch die Mandate für sechs Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Die Mandate für die Bundeswehreinsätze in Afghanistan, dem Irak, Darfur, Südsudan, die Mali-Mission und den Marine-Einsatz auf dem Mittelmeer waren am 12. Dezember 2017 provisorisch für drei Monate verlängert worden. Auch deshalb gehören die Mandate zu den ersten Anträgen, die die neue Bundesregierung nach der Wahl der Kanzlerin am 14. März ins Parlament eingebracht hat.
Einsätze im Irak und in Afghanistan im öffentlichen Fokus
Das Mandat für den Einsatz in der Region Interner Link: Kurdistan-Irak sah bisher eine Obergrenze von bis zu 150 Soldatinnen und Soldaten vor. Zuletzt waren etwa 140 deutsche Soldatinnen und Soldaten in der Region stationiert. Sie bilden dort Einsatzkräfte der kurdischen Peschmerga und der regulären irakischen Armee für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) aus. Die Mission wurde erstmals im Januar 2015 vom Bundestag beschlossen.
Ein weiteres Mandat regelte bisher die Beteiligung der Bundeswehr am internationalen Anti-Terror-Einsatz gegen den IS. Zuletzt waren rund 320 Soldatinnen und Soldaten in Irak, Syrien und Jordanien zu Aufklärungs- und Betankungsflügen, zum Schutz für verbündete Marineeinheiten und mit logistischer Hilfe im Einsatz. Diese Maßnahmen sollen zur "Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch den IS" dienen. Das Mandat sah eine Obergrenze von bis zu 1.200 Personen vor. Die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten waren bis 2017 teilweise in der türkischen Stadt Incirlik stationiert und operieren heute von Jordanien aus.
Beide Einsätze liefen bisher über getrennte Mandate. Das soll sich nun ändern.
Ein neues Mandat für die Bundeswehr im Irak
Mittlerweile hat der IS große Teile seines Territoriums verloren. Das hat auch Auswirkungen auf den Externer Link: neuen Mandatsentwurf, der nun offiziell "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung des Iraks" heißt und bis Ende Oktober 2018 gelten soll. Die beiden zuvor getrennten Mandate werden im neuen Entwurf zusammengefasst. Das Mandat sieht eine Obergrenze von bis zu 800 Soldatinnen und Soldaten vor – und damit weniger als bisher. Das liegt auch daran, dass im neuen Mandat kein Seeschutz mehr für einen französischen Flugzeugträger vorgesehen ist.
Als Einsatzgebiete werden nun explizit der Irak und Syrien erwähnt. Ziel sei die "nachhaltige Bekämpfung" des IS. Neben den kurdischen Peschmerga-Kämpfern sollen künftig auch landesweit irakische Streitkräfte ausgebildet werden.
"Mit der Reduzierung des militärischen Engagements im Kampf gegen den IS rücken jetzt die langfristige Perspektive und vor allen Dingen die Ursachenbekämpfung, von der so oft die Rede ist, in den Vordergrund. Wie kann dem IS-Terror auf Dauer der Nährboden entzogen werden?", begründete der neue Außenminister Heiko Maas (SPD) bei der ersten Beratung des Irak-Mandats im Bundestag am 15. März die Neuausrichtung des Einsatzes.
Kritik am Syrien- und Irak-Einsatz
An der völkerrechtlichen Legitimität der Einsätze im Nordirak und in Syrien gibt es vielfach Kritik. Die Bundesregierung rechtfertigt den Einsatz mit Verweis auf mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, in denen dieser den IS als "eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit" bezeichnete und dazu aufrief, Maßnahmen gegen den IS zu ergreifen (u.a. Externer Link: Resolution 2249). Mit der Beteiligung an einer internationalen Koalition verbündeter Staaten und mit der durch Frankreich nach den IS-Terroranschlägen von Paris 2015 aufgerufenen Beistandsklausel des EU-Vertrages ist aus Sicht der Bundesregierung der Fall eines "kollektiven Selbstverteidigungsrechts" erfüllt, wie es die UN-Charta vorsieht (Art. 51). Auch das neue Mandat stützt sich auf diese Begründung und betont, dass der Einsatz zudem auf Bitten und im Einvernehmen mit dem Irak erfolgt. Ein konkretes UN-Mandat für den Einsatz gibt es nicht.
Das kritisieren vor allem die Bundestagsfraktionen der Linken und von Bündnis90/Die Grünen. Sevim Dağdelen (Die Linke) bezweifelte in der Externer Link: ersten Bundestagsdebatte zum neuen Mandat, dass "die Entsendung der Bundeswehr ohne ein Mandat der Vereinten Nationen, allein auf Grundlage einer bilateralen Vereinbarung, mit unserem Grundgesetz vereinbar ist".
Auch Omnid Nouripour (Bündnis90/Die Grünen) kritisierte das fehlende UN-Mandat und stellte die Beteiligung Deutschlands infrage: "Das ist aus unserer Sicht nicht nur grundgesetzwidrig, sondern es ist auch eindeutig eine politische Aushöhlung der Regularien und vor allem der Gremien der Vereinten Nationen."
Auch die AfD-Fraktion lehnt den Einsatz ab. Rüdiger Lucassen (AfD) kritisierte, dass der Irak-Einsatz unverhältnismäßig hohe Risiken für die Soldatinnen und Soldaten mit sich brächte und wies auf "katastrophale Zustände" bei der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr hin.
"Der Kampf gegen den IS ist etwas, das dieses ganze Parlament vorbehaltlos unterstützt, auch die Freien Demokraten", sagte Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Die "Stabilisierung des Gesamtirak" sei aber "ihrem Charakter nach eine völlig andere Aufgabe". Er forderte die Bundesregierung auf, zwei verschiedene Mandate vorzulegen. Andernfalls werde die FDP-Fraktion dem neuen Irak-Mandat nicht zustimmen.
Mehr deutsche Soldaten sollen nach Afghanistan
In Interner Link: Afghanistan sind deutsche Soldatinnen und Soldaten seit 2001 im Einsatz. Unter dem Namen "Operation Enduring Freedom" (OEF) kämpften deutsche Spezialkräfte bis 2010 an der Seite der USA gegen Taliban und Al Qaida. Parallel sicherten deutsche Soldatinnen und Soldaten als Teil der "International Security Assistance Force" (ISAF) den Wiederaufbau des Landes. In den Jahren 2010 und 2011 waren bis zu 5.350 deutsche Soldatinnen und Soldaten am Hindukusch im Einsatz. Der ISAF-Einsatz wurde 2014 beendet. Seit 2015 beteiligt sich die Bundeswehr an der Nachfolge-Mission "Resolute Support", bei der derzeit mehr als 1.000 Soldatinnen und Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sind. Das bisherige Mandat sah eine Obergrenze von bis zu 980 Personen vor.
Da sich in den vergangenen Jahren die Interner Link: Sicherheitslage in Afghanistan stetig verschlechtert hat, soll auch das deutsche Kontingent erstmals seit 2010 wieder deutlich erhöht werden, von 980 auf bis zu 1.300 Personen. Der jüngste Afghanistanbericht der Bundesregierung zeichnet ein dunkles Bild von der Sicherheitslage, die Ausbilder sollen durch die Truppenaufstockung besser geschützt werden. Am Kern des Auftrags ändert sich allerdings nichts. Ziel ist es, die afghanischen Sicherheitsorgane in die Lage zu versetzen, sich selbst gegen die Angriffe der Taliban und des IS zur Wehr zu setzen. Das neue Mandat soll bis Ende März 2019 gelten.
Eine Generationen-Aufgabe?
"Der Aufbau einer Armee inklusive der Ausbildung der dafür notwendigen Führungskräfte ist kein Prozess von Jahren, sondern es ist ein Prozess von Jahrzehnten" sagte Reinhard Brandl, Wehrpolitiker in der CSU-Fraktion, bei derExterner Link: ersten Beratung des Mandats im Bundestag am 15. März 2018. Es habe Rückschläge bei der Stabilisierung Afghanistans gegeben. Aber wer eine positive Entwicklung des Landes wolle, der müsse die afghanischen Streitkräfte dazu befähigen, selbst für Sicherheit zu sorgen. Neben den Parteien der Großen Koalition will auch die FDP einer Verlängerung des Afghanistan-Mandats zustimmen.
Die AfD-Fraktion kritisiert das Mandat. Der Abgeordnete René Springer nannte den Afghanistaneinsatz ein "absolutes Desaster" und fügte hinzu: "Die Bundesregierung selbst spricht von einer Generationenaufgabe, die Geduld erfordert. Aber ist es überhaupt im Interesse Deutschlands und seiner Bürger, dass wir uns noch weitere 10, 20 oder 30 Jahre an diesem Krieg beteiligen und jeden einzelnen Tag damit rechnen müssen, dass deutsche Soldaten im Zinksarg zu ihren Familien heimkehren?"
Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger kritisierte, die Bundesregierung gebe "zu wenig zivile Antworten" und forderte "Abzugsperspektiven". Stefan Liebich von der Linken forderte ebenfalls mehr ziviles Engagement und mahnte, Deutschland müsse auch weiterhin zur Aufnahme von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten Afghanistans bereit sein.
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