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30. Juli: Welttag gegen Menschenhandel | Hintergrund aktuell | bpb.de

30. Juli: Welttag gegen Menschenhandel

Sonja Dolinsek

/ 5 Minuten zu lesen

Seit 2014 rufen die Vereinten Nationen jährlich am 30. Juli den "Welttag gegen Menschenhandel" aus. Der Aktionstag setzt ein Zeichen gegen Ausbeutung und nimmt auch die Menschen in den Blick, die im Zuge globaler Migrationsbewegungen Opfer von Menschenhandel werden. Die institutionellen Mechanismen zur Erfassung der komplexen Straftaten verdichten sich zunehmend.

Wie viele Personen Menschenhändlern zum Opfer fallen, kann nur anhand von Schätzungen und Strafverfolgungszahlen vermutet werden. Die Dunkelziffer ist hoch. Das Bild zeigt einen Protest gegen Frauenhandel in Bern 2008. (© dpa - Report)

Wenn Menschen gezielt in ausbeuterische Verhältnisse gebracht werden, gilt dies als "Menschenhandel". Das Externer Link: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) unterscheidet verschiedene Kontexte des Menschenhandels. Die beiden weltweiten Hauptformen ausbeuterischer Verhältnisse waren nach Angaben des UNDOC im Jahr 2014 sexuelle Ausbeutung (in 54 Prozent aller registrierten Fälle) und Zwangsarbeit (38 Prozent). Weitere acht Prozent entfielen 2014 auf Kontexte wie Zwangsehen, erzwungenes Betteln oder den Handel mit menschlichen Organen.

Die Vereinten Nationen definieren "Menschenhandel" in Art. 3 des sogenannten Palermo-Protokolls (© Sonja Dolinsek)

Menschenhandel ist dabei nicht gleichbedeutend mit der Ausbeutung selbst, die nach der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer unter anderem Interner Link: Sklaverei, Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution umfasst. Vielmehr werden Menschen zum Beispiel in Arbeitsverhältnisse, meist in ein anderes Land, durch Dritte – also die potenziellen Menschenhändler – vermittelt und dabei mit Blick auf die Arbeit, Entlohnung und Arbeitsbedingungen gezielt getäuscht.

Neben dem Bereich der Interner Link: Prostitution findet Menschenhandel auch in der Gastronomie, Landwirtschaft, Fischerei, haushaltsnahen Dienstleistungen, Bauindustrie, Pflege sowie anderen Niedriglohnbereichen, aber auch in Privathaushalten statt. Menschenhandel setzt dabei eine schwer strafbare "erzwungener Ausbeutung durch Sklaverei und Zwangsarbeit" voraus und hat nichts mit ungünstigen Beschäftigungsverhältnissen zu tun.

"EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer"

Angelehnt an die Definition von Menschenhandel im „Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels“ bestimmt die EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (Externer Link: 2011/36/EU) als:

"Die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen, einschließlich der Übergabe oder Übernahme der Kontrolle über diese Personen, durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Schutzbedürftigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die die Kontrolle über eine andere Person hat, zum Zwecke der Ausbeutung. […] (3) Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen, einschließlich Betteltätigkeiten, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung strafbarer Handlungen oder die Organentnahme."

Zahlen, Daten und Fakten

Aktuellen Berichten zufolge ist jedes Land betroffen, wenn auch in je unterschiedlichem Maße. Absolute Zahlen über das tatsächliche Ausmaß von Menschenhandel gibt es nicht, da die Dunkelziffer, wie bei vielen Arten des organisierten Verbrechens, sehr hoch ist. Es gibt Schätzungen einerseits und Zahlen über die Strafverfolgung des Menschenhandels andererseits.

In Deutschland ist eine deutliche Fokussierung der Bekämpfung von Menschenhandel auf den Bereich Prostitution festzustellen, der auch den Zahlen des Bundeskriminalamtes abzulesen ist. Jedes Jahr werden zwischen 600 und 800 Personen als Betroffene von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, also Zwangsprostitution, identifiziert.

Im neuesten Menschenhandelsbericht der Vereinigten Staaten von Amerika, dem sogenannten Externer Link: TIP-Report (Trafficking in Persons Report), der im Juni 2017 erschienen ist, erscheint Deutschland als Herkunfts-, Ziel- und Transitland für Menschenhandel. Dabei ist Deutschland nicht alleine, denn dies trifft auf alle Länder dieser Welt zu. Andere Berichte werden von internationalen Organisationen, wie dem Externer Link: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), der Externer Link: Internationalen Arbeitsorganisationen (IAO) und der Externer Link: Europäischen Kommission und Eurostat veröffentlicht. Seit 2014 publiziert außerdem die Walk Free Foundation einen "Externer Link: Global Slavery Index".

Während UNODC, Eurostat und das BKA Zahlen über die strafrechtliche Verfolgung liefern, bieten die IAO sowie auch Walk Free Schätzungen über das tatsächliche Ausmaß der Menschenhandel. So schätzte die Walk Free Foundation in seinem aktuellen "Global Slavery Index" (2016) das globale Ausmaß von Menschenhandel bzw. "Moderner Sklaverei" im Jahr 2016 auf 45,8 Millionen Menschen.

Demgegenüber stehen die Zahlen, die aus den tatsächlichen Strafverfahren wegen Menschenhandels ermittelt werden. So berichtet etwa UNODC in seinem aktuellen Report (2016), dass zwischen Externer Link: 2012 und 2014 weltweit insgesamt 63.251 Personen als Betroffene von Menschenhandel identifiziert wurden. Insgesamt werden weltweit mehr Frauen und Mädchen als Männer und Jungen Opfer des Menschenhandels. Gehandelte Menschen laufen häufig Gefahr, nicht entdeckt oder durch die Behörden und Gerichte nicht als Betroffene anerkannt zu werden. Eine Reihe von Barrieren, wie fehlende Sprachkenntnisse, fehlende Kenntnis der Rechte, Kosten des Gerichtsverfahrens, sowie aufenthaltsrechtliche und andere strukturelle Hürden, können zudem den Zugang zum Recht und die Gewährleistung der Rechte der Betroffenen beeinträchtigen.

Menschenhandel und Menschenschmuggel

Der UNDOC-Bericht geht außerdem davon aus, dass 57 Prozent dieser Personen während des Menschenhandels mindestens eine internationale Grenze überschritten haben. Ob diese Grenzüberschreitungen aber auch im Kontext eines Menschenschmuggels stattgefunden haben, kann nicht immer rekonstruiert werden. Die Unterscheidung zwischen Menschenschmuggel und Menschenhandel ist kompliziert, die Übergänge können fließend sein.

Der Begriff des Menschenschmuggels (oder auch des Schleusens) beschreibt grundsätzlich erstmal nur die Beihilfe zur illegalen Grenzüberschreitung einer Person. Dies passiert vielfach im Einvernehmen zwischen Schmuggler/Schleuser und der Person, die von diesem illegal über eine Grenze gebracht wird. Außerdem endet der Menschenschmuggel mit dem Transport der Person in das jeweilige Zielland. Aus der Situation eines Menschenschmuggels, in den die jeweilige Person eingewilligt hat, können sich aber auch Formen des Menschenhandels ergeben – etwa, weil die geschmuggelte Person gezwungen wird, das Geld für ihre Schleusung im jeweiligen Zielland zu erarbeiten oder weil Menschenhändler die vielfach prekäre Situation illegaler Migranten gezielt ausnutzen.

Bekämpfung des Menschenhandels

Das Feld der Menschenhandelsbekämpfung ist durch eine Vielzahl oft konkurrierender Schwerpunkte, Erklärungsmodelle, Lösungsvorschläge und politischen Forderungen geprägt. Dies wird vor allem in den Bereichen der migrationspolitischen und prostitutionsbezogenen Anti-Menschenhandelsmaßnahmen am deutlichsten. Für manche internationale Organisationen, wie UNODC, verspricht die Verschärfung von Einwanderungsbestimmungen und - kontrollen eine Lösung des Problems. Für Nichtregierungsorganisationen wie etwa PICUM stellen diese jedoch eine Mitursache und somit ein Teil des Problems dar. Während sich manche Organisationen (z. B. Terre des Femmes Deutschland oder die Coalition against Traffic in Women – CATW) sich für die eine oder andere Variante eines Verbotes der Prostitution einsetzen, argumentieren wiederum andere, dass Verbote doch nur wieder die Rechtlosigkeit und Verletzlichkeit der Betroffenen verschärfen, wie z. B. Amnesty International oder GAATW argumentiert.

"Organisationen und Akteure "

Auf der Ebene der Vereinten Nationen befasst sich in erster Linie das Externer Link: Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) mit "Menschenhandel" als Feld der transnationalen Interner Link: organisierten Kriminalität und somit seiner sicherheitsbezogenen und polizeilichen Aspekte; die Externer Link: Internationale Arbeitsorganisation behandelt "Menschenhandel" mit Blick auf Arbeitsstandards und der Schaffung globaler Standards für menschenwürdige Arbeit; der Externer Link: UN-Sonderberichterstatter zu Menschenhandel verfolgt das Ziel, die Einhaltung der Menschenrechte von Betroffenen von Menschenhandel zu beobachten; darüber hinaus befasst sich der Externer Link: Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) sowie Externer Link: UN Women mit Menschenhandel mit Blick auf jeweils Flucht und Migration sowie Frauen. Auf europäischer Ebene ist einerseits der EU-Koordinator für die Bekämpfung des Menschenhandels der Europäischen Kommission und die Expertengruppe über Menschenhandel des Europarates Externer Link: GRETA andererseits zu nennen.

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen befassen sich global mit dem Thema. Für Deutschland gilt der Externer Link: Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V. als wichtigster Dachverband von Organisationen und Beratungsstellen. Der KOK e.V. ist Mitglied des globalen Netzwerkes Externer Link: GAATW (Global Alliance Against Traffic in Women).

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Sonja Dolinsek ist Doktorandin am Lehrstuhl für Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts an der Universität Erfurt. Sie promoviert zu "Frauenhandel, Sklaverei, Sexarbeit: Transnationale Politiken über ‘sexuelle Arbeit” in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts". Darüber hinaus war sie Lehrbeauftragte an der Philipps-Universität-Marburg am Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung.