1982 kam in Erlangen das erste deutsche Baby zur Welt, das in-Vitro, also außerhalb des Körpers der Mutter im Reagenzglas, gezeugt wurde. Die sogenannte künstliche Befruchtung war in den 1950er Jahren von britischen Forschern entwickelt worden. Bei der In-Vitro-Fertilisation führt eine Ärztin oder ein Arzt Samenzellen und Eizellen in einem Laborglas zusammen. Die Befruchtung der Eizellen geschieht auf natürlichem Wege. Die befruchteten Eizellen (Embryonen) werden danach in die Gebärmutter der Frau übertragen.
Was damals eine Sensation war, ist heute die Hoffnung vieler Paare, die vergeblich versuchen, auf ein Kind zu bekommen. Im Jahr 2015 ließen sich in Deutschland in den Zentren des Deutschen IVF-Registers 58.000 Frauen mit einer Methode der künstlichen Befruchtung behandeln.
Die Entwicklungen der Reproduktionsmedizin warfen rechtliche sowie ethische Fragen auf. Von Seiten der Kirchen in Deutschland kam in den 1980er Jahren der Einwand, die künstliche Befruchtung würde die Einheit von Ehe, Zeugung und Geburt zerstören. Unter Medizinerinnen und Medizinern wurde mit Sorge diskutiert, ob die durch die In-Vitro-Fertilisation künstlich gezeugten Embryonen für die Forschung zweckentfremdet werden könnten.
1990 verabschiedete der Deutsche Bundestag das erste Embryonenschutzgesetz. Das Gesetz gilt bis heute und legt rechtliche Grenzen der In-Vitro-Fertilisation und Gentechnologie beim Menschen fest. Damit wollte der Gesetzgeber einem möglichen Missbrauch in der Fortpflanzungsmedizin vorbeugen. Ärztinnen, Ärzte und Betroffene sollten außerdem Klarheit darüber bekommen, wann und wie sie die neuen Methoden anwenden dürfen.
Das Embryonenschutzgesetz
erlaubt:
die künstliche Befruchtung menschlicher Eizellen mit dem Ziel einer Schwangerschaft
verbietet:
die künstliche Befruchtung menschlicher Eizellen zu Forschungszwecken
die sogenannte Leihmutterschaft, bei der einer Frau Embryonen eines anderen Paares eingesetzt werden
die Befruchtung und Übertragung von mehr als drei Eizellen pro Behandlung
den Handel mit Embryonen
die Befruchtung menschlicher Eizellen ohne die Einwilligung der Spender
die Befruchtung einer Eizelle mit den Samenzellen eines verstorbenen Mannes
bis auf wenige Ausnahmen die Geschlechtswahl des Kindes
das Klonen menschlicher Embryonen
Hier finden Sie den Externer Link: Gesetzestext
2011 wurde das Embryonenschutzgesetz um die Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik (PID) erweitert. Unter PID versteht man Gentests an künstlich befruchteten Embryonen. Dabei werden die wenige Tage alten Embryonen auf Anzeichen für bestimmte Erbkrankheiten und Unregelmäßigkeiten an den Chromosomen untersucht bevor sie in die Gebärmutter eingesetzt werden. Auch andere Merkmale wie zum Beispiel das Geschlecht können theoretisch durch die PID bestimmt werden.
Mit der Gesetzesnovelle 2011 wurde die PID verboten; das Gesetz erlaubt allerdings Ausnahmen. Demnach dürfen Embryonen, wenn bei einem oder beiden Eltern die Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit vorliegt und die Gefahr einer Tot- oder Fehlgeburt besteht, im Zuge einer PID untersucht werden. Es wird im Einzelfall entschieden. Ein Art bzw. eine Ärztin aus einem lizenzierten Zentrum für Fortpflanzungsmedizin muss den Ausnahmefall bestätigen und eine Ethik-Kommission der PID zustimmen, zudem ist eine Beratung im Vorfeld Pflicht.
In jüngster Zeit haben sich Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem Diskussionspapier für eine weitere Novellierung des Embryonenschutzgesetzes ausgesprochen. So fordern sie etwa eine Aufhebung des grundsätzlichen Verbots zur medizinischen Forschung mit menschlichen Embryonen.
Diskutiert wurde in den vergangenen Jahren auch die mögliche Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Aktuell zahlen die Kassen einen Teil der Behandlungskosten, die wenige Hundert bis mehrere Tausend Euro umfassen können, unter anderem nur, wenn die Paare verheiratet sind. 2014 hatte die Partei Bündnis 90/die Grünen einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der vorsah, dass die gesetzlichen Krankenkassen auch Teilkosten für nicht verheiratete und gleichgeschlechtliche, verpartnerte Paare zahlen. Der Ausschuss für Gesundheit empfahl Anfang 2016 den Gesetzentwurf abzulehnen, die Stimmen der CDU/CSU und SPD standen dabei gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen; Die Linke hat sich enthalten. Begründet wurde die Ablehnung u.a. damit, dass "zunächst abstammungs-, familien- und zivilrechtliche Fragen geklärt" und das Kindeswohl beachtet werden müsse. Eine geänderte Förderrichtlinie ermöglicht zudem seit Januar, dass unverheiratete, heterosexuelle Paare in teilnehmenden Bundesländern finanzielle Zuschüsse des Familienministeriums erhalten können.