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Parlamentswahl in den Niederlanden

Redaktion

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Die Niederländerinnen und Niederländer wählten am 15. März 2017 ein neues Parlament. Nach Auszählung aller Stimmen ging die konservativliberale VVD als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Die rechtspopulistische PVV blieb dagegen deutlich hinter ihren Erwartungen zurück. Starke Zugewinne erzielten die Grünen, erhebliche Verluste verzeichneten die niederländischen Sozialdemokraten.

Der amtierende Ministerpräsident und Wahlgewinner Mark Rutte am Wahlabend in Den Haag (Niederlande) bei einer Wahlparty seiner Partei VVD. Trotz leichter Verluste deutet das Wahlergebnis auf eine neue Regierung unter seiner Führung hin. (© picture-alliance, Daniel Reinhardt/dpa)

In den Interner Link: Niederlanden waren am 15. März 12,6 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag mit 80,4 Prozent vergleichsweise hoch, 2012 waren es 75 Prozent. Bis kurz vor der Wahl galten laut Demoskopen bis zu 40 Prozent der Wahlberechtigten noch als unentschlossen.

Wahlgewinner sind Ministerpräsident Mark Rutte und Jesse Klaver von den Grünen

Nach Auszählung aller Stimmen geht die rechtsliberale Partei VVD von Ministerpräsident Mark Rutte mit 33 Sitzen als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervor. Sie erhielt 21,3 Prozent der Stimmen (2012: 26,5 Prozent), verlor allerdings acht Sitze. Größter Verlierer sind die niederländischen Sozialdemokraten, die von einst 38 auf nur noch neun Sitze abstürzten - von rund 25 Prozent auf nur noch 5,7 Prozent der Wählerstimmen. Als Koalitionspartner der rechtsliberalen VVD wurde die PvdA offenbar für energische Sparpolitik abgestraft.

Die PVV des Rechtspopulisten Geert Wilders wurde zwar zweitstärkste Kraft, blieb aber deutlich hinter ihren Erwartungen aus Vorwahlumfragen zurück und gewann nur fünf Mandate hinzu. In nur wenigen Wahlkreisen im Nordwesten und Südwesten der Niederlande wurde sie stärkste Partei mit Stimmanteilen zwischen 18 und 29 Prozent. Insgesamt steigerte sie sich von 10,1 auf 13,1 Prozent der Stimmen und kommt nunmehr auf 20 der 150 Mandate. "Das sind nicht die 30 Sitze, auf die ich gehofft hatte", kommentierte Wilders am Morgen nach der Wahl, aber äußerte zugleich in einer Twitter-Nachricht: "Rutte ist mich noch nicht los". Einen Sitz weniger als die PVV errangen die christdemokratische CDA (12,5 Prozent/19 Sitze) und die linksliberale Liste D66 (12 Prozent/19 Sitze). So der Externer Link: Stand der Auszählung am Donnerstagnachmittag.

Die Grünen (Groen Links) galten für Kommentatoren am Wahlabend als eigentliche Wahlgewinner. Die klaren Europabefürworter unter ihrem erst 30-jährigen Parteichef Jesse Klaver verbesserten sich von 2,4 auf 8,9 Prozent der Stimmen und somit von vier auf 14 Sitze.

Schwierige Regierungsbildung

Die Regierungsbildung dürfte langwierig werden, notwendig für eine Mehrheit sind 76 der 150 Parlamentssitze. Geeignete Koalitionspartner der VVD könnten die CDA und die D66 oder auch die Grünen sein. Experten rechnen mit monatelangen Koalitionsverhandlungen und am Ende vier bis fünf Parteien in der Regierung.

Interner Link: Seit Herbst 2012 werden die Niederlande von einer Koalition aus der konservativliberalen VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie, deutsch: Volkspartei für Freiheit und Demokratie) und der sozialdemokratischen PvdA (Partij van de Arbeid, deutsch: Partei der Arbeit) regiert. Ministerpräsident ist bereits seit 2010 Mark Rutte (VVD). Er wertete das Ergebnis am Wahlabend als deutliches Zeichen "gegen falschen Populismus".

Bei der Parlamentswahl wurden die 150 Sitze des Repräsentantenhauses – der zweiten Kammer des Parlaments – neu vergeben. Derzeit sind dort 17 Parteien vertreten, knapp die Hälfte davon mit nur ein oder zwei Sitzen. Anders als etwa im deutschen Wahlgesetz gibt es in den Niederlanden keine Sperrklausel. Somit sitzen Parteien in der zweiten Kammer, die in Deutschland als Splitterparteien nicht im Parlament vertreten wären.

Wahlplakat in Amsterdam. Insgesamt standen 31 Parteien bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden am 15. März zur Wahl. (© picture-alliance/AP)

Insgesamt 31 Parteien standen zur Wahl. Ursprünglich hatten sich sogar 81 Parteien registrieren lassen, die meisten hatten jedoch die Kriterien für eine Teilnahme nicht erfüllt. Unter den aussichtsreichsten Parteien befanden sich – neben der VVD und der PvdA – die rechtspopulistische PVV (Partij voor de Vrijheid, deutsch: Partei für die Freiheit), die Sozialistische Partei (SP), die Christdemokraten (CdA) und die linksliberalen "Demokraten 66" (D66).

Die VVD trat erneut mit Mark Rutte als Spitzenkandidaten an, die sozialdemokratische PvdA mit Lodewijk Asscher. Geert Wilders trat als Vorsitzender seiner Ein-Mann-Partei – der PVV – mit einem nur eine Seite langen Wahlprogramm in den Wahlkampf.

Umfragen sahen zeitweise Wilders vorn

Anfang Februar fand eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar/TNS mit der sogenannten Sonntagsfrage statt: "Wem würden Sie Ihre Stimme gegeben, wenn am kommenden Sonntag Wahlen wären?" Die PVV von Geert Wilders kam dabei auf 22 Prozent und wäre damit stärkste Kraft geworden, für die regierende VVD hatten sich in der Umfrage nur 14 Prozent ausgesprochen. Nach dem Wahlgang kommt Wilders aber nur auf rund 13 Prozent, die VVD dagegen auf mehr als 21 Prozent der Stimmen.

Auch andere Demoskopen irrten. Peilingwijzer, die regelmäßig aktualisierten Prognosen des Instituts für Politikwissenschaften der niederländischen Universität Leiden dagegen sahen Ruttes und Wilders' Parteien am 5. März fast gleichauf mit einem leichten Vorsprung der VVD (16 Prozent). Peilingwijzer fasst die Ergebnisse von fünf verschiedenen Umfrageinstituten zusammen.

Alle größeren Parteien hatten schon im Vorfeld der Wahl eine Koalition mit Wilders ausgeschlossen. Auch Mark Rutte hatte in jüngster Zeit der Zusammenarbeit mit Wilders’ Partei eine kategorische Absage erteilt: "Die Chance ist nicht bei 0,1, sondern bei null Prozent", sagte er in einem Fernsehinterview mit dem niederländischen TV-Sender VPRO Mitte Januar auf die Fragen nach einer Kooperation mit dem Rechtspopulisten.

Wilders untergrabe "die Werte und Freiheiten der niederländischen Gesellschaft", so Rutte. Hintergrund waren Wilders' fremdenfeindliche Bemerkungen über marokkanische Einwanderer und seine jüngsten Forderungen nach einer "De-Islamisierung" der Niederlande. Inakzeptabel ist für Rutte jedoch vor allem auch, dass Wilders' politisches Programm – das nur eine DIN-A4-Seite umfasst – in der Sozial- und Wirtschaftspolitik einen Ausbau des Wohlfahrtsstaats vorsieht (jedoch nur für Niederländerinnen und Niederländer ohne Migrationshintergrund).

Rutte selbst verfolgte in den zurückliegenden Jahren das gegenteilige Ziel: Seit der VVD-Politiker Ministerpräsident wurde, sind in der Wirtschaftspolitik "Krise" und "Sparen" und ein Rückbau des Wohlfahrtsstaates die wesentlichen Begriffe. Zudem ist Rutte noch eine vorherige missglückte Zusammenarbeit, 2010 bis 2012, mit Wilders in Erinnerung: Wilders hatte Ruttes Minderheitskabinett mit der CdA nach zwei Jahren die "Duldung" entzogen.

Die PvdA machte sich im Wahlkampf mit arbeitspolitischen Themen stark: Steuern seien ebenso von Reichen wie von Ärmeren zu zahlen; außerdem dürfe der Kündigungsschutz nicht weiter ausgehöhlt werden.

Geert Wilders und der Rechtpopulismus

In Reden und Wahlkampfveranstaltungen fiel Wilders mit Interner Link: rassistischen und Interner Link: islamfeindlichen Äußerungen auf. Im Dezember 2016 hatte ein niederländisches Gericht ihn deshalb wegen Gruppenbeleidigung und Anstiftung zur Diskriminierung schuldig gesprochen. Eine Strafe verhängte das Gericht jedoch nicht – mit der Begründung, die Verurteilung eines Politikers sei Strafe genug.

Nach der Ermordung des Rechtspopulisten Pim Fortyn, 2002, hat Wilders' "Partei für die Freiheit" im rechtsextremen Spektrum die Nachfolge der früheren "Liste Pim Fortuyn" angetreten. Die PVV steht für den Kampf gegen eine angebliche Islamisierung Europas. In der Öffentlichkeit gilt die PVV lediglich als populistisch, doch der jährlich erscheinende "Extremismus-Monitor" der Universität Leiden und der niederländischen Anne-Frank-Stiftung konstatierte schon 2008 "rechtsextremistische Kennzeichen" der PVV-Programmatik.

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