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Die Wannseekonferenz | Hintergrund aktuell | bpb.de

Die Wannseekonferenz

Redaktion

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Am 20. Januar 1942 trafen sich hochrangige Vertreter des NS-Regimes in einer Villa am Berliner Wannsee, um zu koordinieren, wie die Ermordung der europäischen Juden auf Behördenebene möglichst effizient umgesetzt werden sollte. Das systematische Morden war da bereits von der NS-Führung beschlossen und in vollem Gange. Bis zum Kriegsende 1945 wurden über sechs Millionen Juden ermordet.

Protokoll der Wannsee-Konferenz, Seite 1 (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes)

Protokoll der Wannsee-Konferenz, Seite 1 (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes)

Im Juli 1941 beauftragte Reichsmarschall Hermann Göring Reinhard Heydrich mit einem "Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten "Interner Link: Endlösung der Judenfrage". Die systematische Ermordung der Juden war zu diesem Zeitpunkt bereits von der NS-Führung beschlossen. Allerdings war sie "geheime Reichssache" und ihre genaue langfristige Umsetzung noch unklar.

Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), hatte sich seit Jahren innerhalb der NS-Führung hervorgetan und auch während des Interner Link: Zweiten Weltkriegs mehrere Schriften zur "Endlösung" verfasst. Bereits seit 1939 war er für die sogenannte "Judenfrage" in der nationalsozialistischen Staatsführung zuständig. Für den 20. Januar 1942 lud Heydrich zu einer Staatssekretärskonferenz in das Gästehaus der SS am Großen Wannsee in Berlin, um die ihm übertragene Aufgabe mit Regierungsbeamten aus anderen Ministerien abzustimmen. 15 führende Ministerialbeamte aus verschiedenen Reichsministerien sowie hohe NSDAP- und SS-Funktionäre kamen daraufhin in der Wannsee-Villa zusammen.

Die Bedeutung der 90-minütigen Konferenz für den Verlauf des Holocaust sowie die Motive der einzelnen Teilnehmer sind immer wieder Gegenstand der historischen Forschung. Da zum Protokoll keine schlüssige Reihe von aussagekräftigen Dokumenten vorliegt, die den Entscheidungsprozess der NS-Führung in ihrem Verlauf lückenlos offenlegen könnte, wirft es immer wieder Fragen auf. Historikerinnen und Historiker diskutieren beispielsweise, ob die Konferenz als Momentaufnahme innerhalb eines sich eher dynamisch entwickelnden Prozesses gelten kann oder als Meilenstein einer langfristigen und stringenten Umsetzung der Entscheidung Hitlers zur Tötung aller Juden. Demgegenüber existiert in der Geschichtswissenschaft auch die Annahme, der NS-Apparat hätte sich selbst - Hitlers grundsätzlicher Befürwortung gewiss - in einen Konkurrenzkampf um die radikalste „Lösung der Judenfrage“ begeben. Unwiderlegbar ist jedoch, dass hier die führenden Männer des deutschen Staatsapparats und die hinter ihnen liegende Bürokratie zu Mitwissern und Mittätern des Holocaust wurden. Die Vernichtungsabsicht gegen die europäischen Juden wurde präzise niedergeschrieben.

Protokoll der Wannsee-Konferenz

(© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes) (© Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes)

Systematische Vernichtung bereits ab 1941

Der Völkermord an den europäischen Juden hatte bereits im Juni 1941 mit dem Interner Link: Überfall auf die Sowjetunion begonnen. Dort führten mobile Einsatztruppen der SS Massenerschießungen und – ab Dezember 1941 – Vergasungen von Juden durch. Allein bei dem Massaker in der bei Kiew gelegenen Schlucht Interner Link: Babyn Jar wurden an zwei Tagen im September 1941 über 33.000 Menschen getötet. Auch Deportationen in den Zügen der Deutschen Reichsbahn fanden ab Oktober 1941 statt. Zum Zeitpunkt der Konferenz am Wannsee waren mindestens eine halbe Million Menschen ermordet worden.

Die bis dahin hauptsächlich praktizierten Erschießungen befand die NS-Führung für zu kostenintensiv und langwierig, so dass im Herbst 1941 zum ersten Mal mobile Gaswagen zur schnellen und systematischen Tötung einer großen Zahl von Menschen zum Einsatz kamen. Das von Heydrich auf der Wannseekonferenz vorgestellte Programm war in den besetzten Gebieten und Konzentrationslagern im Osten schon größtenteils in die Tat umgesetzt. Das Treffen hatte er einberufen, um eine Koordinierung und Abstimmung zwischen den Behörden bei der Massenvernichtung zu erleichtern.

Völkermord als Verwaltungsakt

Im Protokoll des Treffens wurde – im üblichen NS-Jargon und mit bürokratischer Präzision –ausgeführt, was mit den nach eigenen Angaben geschätzten elf Millionen Juden geschehen sollte, Interner Link: deren Ermordung die Teilnehmer planten. Sie hatten dabei auch Länder wie Irland, Portugal, Spanien, England, Schweden, Finnland, die Schweiz und die Türkei im Visier, die nicht von Deutschland kontrolliert waren. Das Ziel der NS-Führung war "die Zurückdrängung der Juden aus dem Lebensraum des deutschen Volkes". Bisher, so ist es im Protokoll vermerkt, seien "rund 537.000 [Juden] zur Auswanderung gebracht" worden. Nun sei "anstelle der Auswanderung [...] die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten".

QuellentextDas Protokoll der Wannsee-Konferenz

"In großen Arbeitskolonnen [...] werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird [...] entsprechend behandelt werden müssen [...]"

[Quelle: Das Protokoll der Wannsee-Konferenz, 20. Januar 1942, S. 7/8]

Einwände gegen die von Heydrich eingebrachten Vorschläge hatten die Konferenzteilnehmer keine. Im Gegenteil: Sie überboten sich gegenseitig mit Vorschlägen und Anregungen zur effizienten Durchführung der Vernichtungsaktionen. Zudem sprachen die Teilnehmer über sogenannte "Mischlinge" und jüdische Partner in "Mischehen". Die anwesenden Beamten forderten hierbei eine Zwangssterilisierung sowie die Ausdehnung der Interner Link: Nürnberger Gesetze.

Protokollführer des Treffens war Adolf Eichmann, "Judenreferent" im Reichssicherheitshauptamt. Im Interner Link: Prozess gegen Eichmann in Jerusalem 1961 erinnerte sich der zentrale Organisator des Holocaust an die Wannseekonferenz als "die Konferenz, wo Heydrich seine Ermächtigung bekanntgab". Auch seien "verschiedene Tötungsmöglichkeiten" besprochen worden. Unter den Teilnehmern habe eine "freudige Zustimmung" geherrscht.

Im Januar 1942 beauftrage Adolf Eichmann in einem Schreiben allen Dienststellen im Deutschen Reich, die seit Oktober 1941 laufenden Deportationen fortzusetzen. Kurze Zeit später wurden im Konzentrationslager Interner Link: Auschwitz die Gaskammern errichtet. Ab März 1942 trafen die ersten großen Transporte mit Juden ein. Allein in Auschwitz ermordete die SS über eine Million Menschen. Insgesamt wurden bis Kriegsende über sechs Millionen Juden ermordet. Mit dem sogenannten Auschwitz-Erlass vom 16. Dezember 1942 ordnete Heinrich Himmler Deportationen der Interner Link: europäischen Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz an. Am 15. Januar 1943 fand eine Konferenz im Reichskriminalpolizeiamt in Berlin statt, auf der die organisatorischen Fragen dieser Deportationen besprochen wurden. Manche Historikerinnen und Historiker sehen hier Parallelen zur Wannseekonferenz. Die Nationalsozialisten Interner Link: ermordeten Sinti und Roma familienweise aufgrund ihrer Abstammung.

Interner Link: Andere Bevölkerungsgruppen wurden ebenfalls Opfer der nationalsozialistischen Ideologie, wurden gezielt entrechtet, verfolgt, enteignet, inhaftiert und getötet, starben an Hunger, Krankheit, Erschöpfung, Misshandlung oder wurden hingerichtet. Betroffen waren u.a. Interner Link: Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen oder psychischen Krankheiten, von den Nationalsozialisten alsInterner Link: „Asoziale“, Interner Link: „Gemeinschaftsfremde“ und Interner Link: „Berufsverbrecher“ stigmatisierte Menschen, Interner Link: Homosexuelle, Interner Link: politische Gegnerinnen und Gegner, regimekritische Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle, Interner Link: Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kirchenmitglieder, Interner Link: unangepasste Jugendliche, Interner Link: Deserteure, Interner Link: Afro-Deutsche und die Zeugen Jehovas.

In den besetzten Ländern führten die Nationalsozialisten einen Interner Link: Vernichtungskrieg gegen osteuropäische Soldaten und die Zivilbevölkerung, gegen die „slawischen Untermenschen“ – wie es im NS-Jargon hieß.

Gäste der Eröffnungsfeier schauen sich die Dauerausstellung «Die Besprechung am Wannsee und der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden» in der Gedenk- und Bildungsstätte "Haus der Wannsee-Konferenz" an. (© picture alliance/dpa | Christoph Soeder)

Gedenk- und Bildungsstätte

Seit 1992 ist das Haus der Wannseekonferenz eine Externer Link: Gedenk- und Bildungsstätte. Sie bietet jährlich über 100.000 Besuchern die Möglichkeit, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und insbesondere der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden auseinanderzusetzen. Neben einer Bibliothek, einer Dauer-, verschiedenen Garten-, Online- und wechselnden Sonderausstellungen sowie Lesungen bietet das Haus Führungen und Seminare sowohl für Schüler als auch für Erwachsene an. Der Ort der Konferenz, hat eine wechselvolle Geschichte. Der Industrielle Ernst Marlier hatte die Villa am Wannsee 1914/15 erbauen lassen, aber bereits sechs Jahre später verkauft. Der neue Besitzer empfing hier regelmäßig führende rechte und rechtsextreme Politiker. 1940 wurde das Haus samt dem dazugehörenden Grundstück an die SS verkauft und diente fortan als Gästehaus. Nach dem Krieg übernahm die Stadt Berlin die Villa und vermiete sie an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Die aus deren Reihen gegründete Stiftung "August-Bebel-Institut" betrieb hier von 1947 bis 1951 eine Bildungsstätte. Der Berliner Bezirk Neukölln nutzte das Haus bis 1988 als Schullandheim, bis es zur heutigen Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz" wurde.

Seminar-Angebot: Die Geschichte der Familie Chotzen

Das von der bpb geförderte Externer Link: Seminarangebot „Die Geschichte der Familie Chotzen" zeigt die nationalsozialistische Verfolgung einer jüdischen Familie in Berlin. Anhand von Originaldokumenten aus dem Nachlass der Familie Chotzen lernen und diskutieren die Schülerinnen und Schüler über Themen der Ausgrenzung, Entrechtung, Deportation, Ermordung und das Überleben Berliner Jüdinnen und Juden. Das Seminar kann zusammen mit einer Führung durch die Dauerausstellung an der Gedenk- und Bildungsstätte gebucht werden. Alternativ steht das Bildungsmaterial als Download zur Verfügung. Der umfangreiche und historisch einzigartige Nachlass der Familie Chotzen wurde der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz durch den einzigen überlebenden Sohn Eppi Chotzen übergeben. Er gibt Einblicke in die Verfolgungsgeschichte einer Familie, die exemplarisch für das Schicksal vieler jüdischer Familien stehen kann.

Während die deutsche Erinnerungskultur sich zunächst vor allem auf die Opfer konzentriert hatte, hat die Bildungsstätte erheblich dazu beigetragen, den Blick zu weiten und ganz gezielt auch auf die Täter zu richten. Ein besonderes Angebot sind berufsspezifische Seminare, die unter anderem über die Beteiligung der jeweiligen Berufsgruppe an der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik aufklären. Zum achtzigsten Jahrestag der Wannseekonferenz veranstaltet die Gedenk- und Bildungsstätte in Kooperation mit der Alfred Landecker Foundation vom 19. bis 21. Januar 2022 eine internationale Tagung, an der Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen die Bedeutung der Wannseekonferenz für die Geschichte und das heutige Bewusstsein über die Shoah erörtern. Im Deutschen Bundestag präsentiert das Haus der Wannseekonferenz vom 13. bis 28. Januar eine Ausstellung mit dem Titel "Unfreiwilliges Erinnern. Zur Bedeutung der Wannseekonferenz in Geschichte und Gegenwart".

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