Fünf Jahre wurde verhandelt. Nun wollten die Europäische Union und Kanada das Freihandelsabkommen Externer Link: CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) auf dem EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober 2016 unterzeichnen und damit den Ratifizierungsprozess starten. Doch die Bedingung dafür war, dass alle 28 EU-Mitgliedsstaaten einstimmig CETA vorher schriftlich zustimmen. Daran scheiterte es.
Die deutsche Bundesregierung hatte der Unterzeichnung von CETA bereits am 19. Oktober vorläufig zugestimmt.
Aktuelle Entwicklungen (Stand 27. Oktober 2016)
Die belgische Regierung hat sich mittlerweile mit den Regionalregierungen der Wallonie und der französischsprachigen Gemeinschaft auf eine Zustimmung zu CETA geeinigt und gemeinsame Nachforderungen an das Abkommen formuliert. Sie fordern mehr Garantien für Landwirte und einen stärkeren Schutz der europäischen Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherstandards. Die anderen 27 EU-Staaten müssen diesen allerdings erst noch zustimmen.
Kanada hält an CETA fest
Zwar will die belgische Regierung ebenso wie die anderen 27 EU-Länder für das Abkommen stimmen, aber sie darf nicht. Die Wallonische Region, der französische-sprachige Teil im Süden Belgiens, weigert sich bisher, CETA zuzustimmen. Laut belgischer Verfassung ist die Zustimmung der Regionalregierung aber notwendig, damit Belgien auf EU-Ebene für das Abkommen stimmen kann. Die Wallonische Regierung fürchtet,
Ein Sprecher der kanadischen Handelsministerin sagte dpa gegenüber, Kanada sei bereit zu warten, bis man sich in der EU geeinigt hätte. Damit ist CETA nicht geplatzt, sondern könnte zu einem späteren Zeitpunkt noch abgeschlossen werden.
Das Europäische Parlament muss zustimmen
Wäre die Unterzeichnung auf dem geplanten Gipfel zustandekommen, hätte im nächsten Schritt das
Gemischtes Abkommen
Hintergrund dafür ist die Entscheidung der EU-Kommission vom Juli 2016, den Vertrag als "gemischtes Abkommen" zu werten: das heißt, die nationalen Parlamente in das Abstimmungsprozedere einzubinden und damit ein zwischen EU und den Mitgliedsländern geteiltes Ratifizierungsverfahren zuzulassen. Die EU-Kommission reagierte damit auf die anhaltend starken Proteste innerhalb der EU-Mitgliedstaaten gegen das geplante Freihandelsabkommen.
"Gemischt" heißt: Das Abkommen greift sowohl in Politikbereiche ein, für die allein die EU zuständig ist (sogenannte EU-only-Bereiche), und in solche, für die die nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten zuständig sind. Daher hätten sowohl die EU als auch alle Mitgliedsländer der EU als Vertragspartner das CETA-Abkommen unterzeichnen müssen.
Mit diesem Ratifizierungsverfahren wollte die
Für EU-only-Bereiche tritt CETA in Kraft
Für die EU-only-Bereiche gilt: Sobald das Europäische Parlament CETA zugestimmt hat, tritt der Teil des Abkommens vorläufig in Kraft, der diese Politikbereiche betrifft. Was EU-only-Bereiche sind, ist nicht klar definiert. Sie werden vor der Unterzeichnung von CETA vom Handelsministerrat der EU festgelegt. Diesem Rat gehören die Wirtschafts- und Handelsminister der EU-Mitgliedsstaaten an.
Für die Nicht-EU-only-Bereiche gilt: Über sie entscheiden die Mitgliedsstaaten gemäß ihrer jeweiligen Verfassung. Für Deutschland bedeutet das, dass Bundestag und Bundesrat sich damit befassen müssten. Derzeit wird diskutiert, ob das Grundgesetz vorsieht, dass beide Institutionen zustimmen müssen oder nur der Bundestag. Dann könnte die Bundesregierung CETA endgültig ratifizieren. Laut Bundesministerium für Wirtschaft kann sich dieser Prozess noch ein bis zwei Jahre hinziehen.
Sammelklagen gegen CETA: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Mit der Ratifizierung des CETA-Abkommens durch die Bundesregierung Deutschland hatte sich im September 2016 das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Mehr als 125.000 Bürgerinnen und Bürger hatten Ende August Sammelklagen gegen CETA eingereicht, weil sie das Abkommen für verfassungswidrig hielten. Sie wollten erreichen, dass das Gericht der Bundesregierung verbietet, dem Abkommen im Rat der Europäischen Union zuzustimmen.
Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Klagen ab, erteilte der Bundesregierung allerdings Auflagen, die sie bei der Unterzeichnung erfüllen muss. So darf der Vertrag vorläufig nur für die EU-only-Bereiche gelten und dieser muss auch einseitig durch die Bundesregierung beendet werden können.
Ob das Abkommen mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist, damit befasst sich das Bundesverfassungsgericht noch in einer Hauptverhandlung.
Völkerrechtliche Verträge
Unterzeichnen oder ratifizieren? Bitte nicht verwechseln!
Jedes völkerrechtliche Abkommen unterläuft bei seiner Annahme zwei Stufen.
Stufe 1: Unterzeichnen Sobald sich die beteiligten Staaten über den Inhalt des völkerrechtlichen Abkommens einig geworden sind, unterzeichnen sie den Vertrag und signalisieren damit ihre grundlegende Zustimmung.
Stufe 2: Ratifizieren Ein völkerrechtliches Abkommen zu ratifizieren, bedeutet, es verbindlich werden zu lassen. Je nach Verfassung muss ein Staat bzw. eine Staatenorganisation wie die EU dafür auf legislativer Ebene einen Zustimmungsprozess durchlaufen. Erst dann kann das Dokument offiziell ratifiziert werden. Anschließend werden die Vorgaben des Abkommens in nationales Recht umgesetzt. Dieser Prozess kann mehrere Jahre andauern.
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