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Parlamentswahl in Irland

Redaktion

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Die Republik Irland hat über die Zusammensetzung des Unterhauses abgestimmt. Die vorläufigen Ergebnisse deuten auf eine komplizierte Regierungsbildung hin.

Die Auszählung der Stimmzettel beginnt. (© picture-alliance/dpa)

Am 26. Februar hat Irland ein neues Unterhaus (House of Representatives/ Dáil Éireann) gewählt. Das Unterhaus ist eine der zwei Kammern des irischen Parlamentes. Auf Antrag des amtierenden Premierministers (Taoiseach) Enda Kenny hatte Präsident Interner Link: Michael Higgins das Unterhaus Anfang Februar aufgelöst.

Gemäß Verfassung werden die Abgeordneten des Unterhauses direkt vom Volk für eine Legislaturperiode von maximal fünf Jahren gewählt. Nach einer Änderung des Wahlgesetzes 2011 soll die Abgeordnetenzahl zukünftiger Parlamente zwischen mindestens 153 und höchsten 160 Mitgliedern liegen. Für die Parlamentswahl 2016 wurde eine Zahl von 158 Abgeordneten beschlossen.

Erste Ergebnisse

Nach der Wahl am vergangenen Freitag ist der Großteil der Stimmen bereits ausgezählt: Externer Link: Laut Externer Link: Medienberichten wird die konservative Regierungspartei Fine Gael voraussichtlich erneut stärkste Kraft werden. Die bisherige Koalitionsregierung mit der sozialdemokratischen Labour-Partei wird die Partei jedoch nach derzeitigem Stand nicht weiterführen können. Zweistärkste Kraft würde die wirtschaftsliberale Partei Fianna Fáil, noch vor der nationalistischen Partei Sinn Féin und der weit abgeschlagenen Labour-Partei. Da mehr als ein Viertel der Bürger nach derzeitigem Stand für kleinere Parteien sowie unabhängige Kandidaten gestimmt haben, könnte eine Regierungsbildung schwierig werden. Das offizielle Wahlergebnis stand bis Montagmorgen noch aus.

Bislang verfügt die Fine Gael im Unterhaus über 76 der bisher 166 Sitze, zusammen mit Labour (37 Sitze) haben die beiden Parteien eine komfortable Mehrheit. Die Fianna Fáil hat 20 Abgeordnete, die Sinn Féin 14, alle anderen Parteien und unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten kommen zusammen auf 19 Sitze.

Der kurze Wahlkampf wurde, wie bereits im Jahr 2011, vor allem durch die Themen Wirtschaft und Interner Link: Schuldenkrise bzw. Stabilität des Finanzhaushaltes bestimmt. In der Finanzkrise von 2008 gehörte Irland zu den am härtesten betroffenen Staaten. Infolge der Banken- und Immobilienmarktkrise war Irland Ende 2010 als erstes Euroland auf Finanzhilfen aus dem Europäischen Rettungsschirm angewiesen. Die Fianna Fáil-Regierung, die die Sparauflagen der EU sowie des Interner Link: Internationalen Währungsfonds akzeptierte, wurde 2011 abgewählt.

In den vergangenen Jahren hat sich die irische Wirtschaft erholt: Seit 2011 wächst das Bruttoinlandsprodukt wieder und die Arbeitslosigkeit ist zwischen 2011 und 2016 von 14,6 auf 8,6 Prozent gesunken. Ende 2013 konnte das Land den Europäischen Rettungsschirm verlassen. Doch die Sparauflagen der letzten Jahre haben vor allem die Menschen mit niedrigem Einkommen hart getroffen, weil Staatsausgaben reduziert und neue Gebühren beispielsweise für Wasser eingeführt wurden.

Kompliziertes Wahlverfahren

Das irische Unterhaus wird mittels der sogenannten übertragbaren Einzelstimmgebung (single transferable vote, STV) gewählt. Dabei gibt es keine Listen, vielmehr werden alle Kandidatinnen und Kandidaten eines Wahlkreises alphabetisch aufgeführt. Die Wählerinnen und Wähler setzen in den landesweit 40 Wahlkreisen (2016) kein Kreuz bei ihrem Wunschkandidaten, sondern verteilen ihre Präferenzen, indem sie neben die Namen der Kandidaten eine entsprechende Zahl schreiben, beim Favoriten die eins, beim nächsten die zwei usw. Erreicht eine Kandidatin oder ein Kandidat aufgrund der Erstpräferenz die Stimmzahl, die in dem jeweiligen Wahlkreis für den Parlamentseinzug notwendig ist – diese Zahl wird anhand der sogenannten Droop-Quota errechnet – ist sie oder er gewählt. Die überschüssigen Stimmen werden auf den Kandidaten oder die Kandidatin verteilt, der oder die als Zweitpräferenz angegeben ist. Das Gleiche geschieht auch mit den Zweitpräferenzen der Nächstplatzierten und zwar solange, bis die maximale Zahl der Abgeordneten des jeweiligen Wahlkreises erreicht ist.

Die 60 Senatoren der zweiten Parlamentskammer, des Senats (Seanad Éireann), müssen innerhalb von 90 Tagen nach der Auflösung des Unterhauses bestimmt werden. Sie werden nicht vom Volk gewählt, sondern von verschiedenen Gruppen des öffentlichen Lebens ernannt bzw. gewählt. 2013 scheiterte ein von der Regierung initiiertes Referendum, das den Senat abschaffen sollte. Premierminister Kenny hatte den Plan zur Abschaffung des Oberhauses damit begründet, dass sich auf diese Weise 20 Millionen Euro pro Jahr einsparen ließen.

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