Worum geht es bei dem OECD-Aktionsplan gegen Steuerflucht im Kern?
In den vergangenen Jahren wurde die Beobachtung gemacht, dass große multinationale
Können Sie kurz die Entstehungsgeschichte des neuen 15-Punkte-Plans beschreiben? Warum beschäftigt sich die internationale Staatengemeinschaft gerade jetzt mit diesem Thema?
Eine wesentliche Rolle spielt natürlich, dass viele Länder aufgrund ihrer
Können Sie das erläutern? Wie funktioniert der Steuerwettbewerb unter Ländern und welche Auswirkungen hat er?
Den Steuerwettbewerb an sich gibt es ja schon länger. Auch die Gewinnverlagerung der Unternehmen, die den Steuerwettbewerb ausnutzen und dort Gewinne anfallen lassen, wo der Steuersatz am geringsten ist. In den vergangenen Jahren kamen aber neue Instrumente des Steuerwettbewerbs hinzu, mit denen für bestimmte Arten von Einkünften, zum Beispiel für
Gewinnverlagerung und Verringerung der Bemessungsgrundlage von Unternehmen (= Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) – was ist das? Wie praktizieren global agierende Konzerne dies bisher?
Da kommen zwei Dinge zusammen. Einmal die Eigenschaften der multinationalen Konzerne: Sie sind global aufgestellt und sehr mobil, haben viele grenzüberschreitende Waren- und Finanzierungsströme. Gleichzeitig beobachten solche Unternehmen, dass die Steuersysteme relativ heterogen sind. Sie beobachten, dass sich Vorteile in bestimmten Ländern ergeben, die sie aufgrund ihrer globalen Struktur ausnutzen können. Die Konzerne werden dann nicht als Konzerne besteuert, sondern es wird jede einzelne Konzerneinheit in dem jeweiligen Land besteuert. Das ist das sogenannte Trennungsprinzip.
Zum anderen spielen auch
Faktenkasten BEPS-Projekt
Auf einem Gipfeltreffen am 15./16. November 2015 in Antalya wollen die G20-Staats- und Regierungschefs ein Maßnahmenbündel gegen Steuerflucht und Gewinnverlagerung beschließen. Der 15 Punkte umfassende Plan wurde von der
Über 60 Staaten, darunter die G20- und OECD-Mitglieder sowie internationale Organisationen wie die
Nach Schätzungen der OECD verlieren die Mitgliedsstaaten durch Gewinnverschiebungen der multinationalen Konzerne jährlich bis zu 240 Milliarden US-Dollar. Denn viele global agierende Konzerne nutzen legale Schlupfköcher, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Ganz legal verschieben Unternehmen wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks ihre Gewinne von einem Land ins nächste, um so ihre Gewinne zu maximieren. Solchen Praktiken will die OECD künftig den Riegel vorschieben. Die Standards sollen dafür sorgen, dass Unternehmen dort, wo sie Geschäfte machen, auch Steuern zahlen. Das Hin- und Herschieben von Patenten, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen soll in Zukunft erschwert, schädlicher Steuerwettbewerb sowie aggressive Steuergestaltung sollen eingeschränkt werden.
Problematisch am Status Quo sind nicht nur die Steuerausfälle für die nationalen Staatshaushalte, sondern auch, dass kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligt sind. Sie spüren die Wettbewerbsverzerrung besonders, weil sie nach dem gesetzlichen Regelsatz besteuert werden und nicht wie die großen Konzerne von den internationalen Steuerschlupflöchern profitieren. Damit die neuen Standards wirksam werden, müssen die beteiligten Staaten sie allerdings erst in geltendes Recht umsetzen.
Das EU-Recht sowie das Recht einiger Mitgliedsstaaten werden vom Bundesfinanzministerium als ursächlich für bestimmte BEPS-Probleme bezeichnet. Warum?
Innerhalb der EU gibt es die Zielsetzung, steuerliche Hemmnisse abzubauen, um die Integration des
Welche sind die wichtigsten der 15 Aktionspunkte, mit denen die OECD zukünftig BEPS verhindern will?
An sich ist es zu begrüßen, dass die Länder auf einer so breiten Basis zusammengearbeitet und den Status Quo der Probleme erfasst haben. Ich denke, es werden viele wichtige Punkte angesprochen; aus deutscher Sicht ist es nicht unbedingt so, dass es Konsequenzen nach sich zieht. Zum Beispiel wenn es darum geht, den Zinsabzug zu limitieren, wird es in Deutschland gar keine Änderungen geben, da es schon recht strenge Vorschriften gibt. Was wichtig und in gewisser Weise neu ist, ist Aktionspunkt 2. Dort steht, dass die Effekte von hybriden Konstruktionen neutralisiert werden sollen. Das sind Fälle, wo die Steuersysteme nicht zueinander passen. Dabei kommt es zum Beispiel dazu, dass ein Steuerpflichtiger aus Sicht des einen Landes als in einem anderen Land ansässig betrachtet wird, aus Sicht dieses zweiten Landes jedoch nicht, sodass es dort zu keiner Besteuerung kommt. Das sind klassische Fälle, bei denen es an Koordination der Steuersysteme mangelt und es wichtig ist, dass dies behoben wird.
Im Aktionspunkt 5 geht es darum, schädliche Steuerpraktiken zu bekämpfen. Das betrifft auch die "Tax Rulings", bei denen einige Unternehmen durch die Steuerbehörden bestimmter Länder bevorzugt werden. Es ist wichtig, dass das Problem angegangen wird. Mit Aktionspunkt 14 sollen bessere Verständigungsverfahren zwischen den Steuerbehörden geschaffen werden, sodass Unstimmigkeiten zwischen ihnen schneller behoben werden, auch um für eine größere Rechtssicherheit zu sorgen. Das führt zu einer besseren Analyse von BEPS, aber natürlich auch zu Kosten für Unternehmen, weil ganz detailliert aufgeschlüsselt werden muss, wie hoch Gewinn und Steuerzahlung in jeder Einheit des Konzerns in jedem Land sind. Mir ist bisher unklar, wie das eigentlich gehändelt werden soll und wer diese Daten auswertet. Es wird die Unternehmen nicht davon abhalten, bestimmte Konstruktionen zu verwenden, weil sie ja legal sind. Andererseits ist es vielleicht eine Art Frühwarnsystem, um zu zeigen, dass sich an einer Stelle Auffälligkeiten finden, dass zum Beispiel in einem Land besonders hohe Gewinne anfallen. Dort könnte man im Nachhinein tätig werden und die Vorschriften, die dazu führen, analysieren.
Schwierig in der Umsetzung wird sein, dass der ganze BEPS-Bericht darauf zielt, die Besteuerung an der
Wird es gelingen, die multinationalen Konzerne, die bisher sehr geschickt in dem System agieren, gewissermaßen einzufangen?
Die Länder, die Sonderrechte für Unternehmen schaffen, versprechen sich ja etwas davon. Deshalb ist es an sich eher unrealistisch, dass diese Länder ihre Gesetze anpassen werden – es sei denn, sie bekommen Druck durch ein Verfahren der
Kritiker gehen auch davon aus, dass der Unterbietungswettlauf bei Steuern trotz der neuen Standards anhalten wird. Teilen Sie diese Einschätzung?
Das denke ich schon. Mit der Ansiedlung multinationaler Unternehmen sind Vorteile verbunden. Dementsprechend sind Steuern auch ein Standortfaktor. Trotzdem denke ich, dass die Debatte auf OECD-Ebene oder auch die Vorschläge der Europäischen Kommission für mehr Transparenz eine sehr wichtige Diskussion anstoßen, die geführt werden muss, und an der möglichst viele Länder beteiligt sein müssen.