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Parlamentswahl in Polen: Nationalkonservative gewinnen klar

Redaktion

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Bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag hat die oppositionelle Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) triumphiert. Die amtierende liberal-konservative Bürgerplattform (PO) von Premierministerin Kopacz erlitt dagegen eine große Schlappe.

Im Parlamentsgebäude des Sejm, der einen Kammer des polnischen Parlaments, fand im Juni 2015 ein Kinder- und Jugendparlament statt, an dem sich 460 Schülerinnen und Schüler aus ganz Polen beteiligten (© picture-alliance/dpa)

In Polen zeichnet sich nach der Parlamentswahl vom Sonntag (25. Oktober 2015) ein Regierungswechsel ab. Den Externer Link: amtlichen Endergebnissen zufolge hat die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) von Parteichef Jarosław Kaczyński in der wichtigen Unterkammer Interner Link: Sejm mit knapp 37,6 Prozent die absolute Mehrheit. Sie kommt damit auf 235 der 460 Sejm-Sitze und kann alleine regieren. Beata Szydło, die Spitzenkandidatin der Partei, ist die designierte Premierministerin.

Die bisherige Premierministerin Ewa Kopacz von der seit 2007 an der Spitze einer Koalitionsregierung stehenden liberal-konservativen Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO) räumte noch am Wahlabend ihre Niederlage ein. Ihre Partei kommt mit 24,1 Prozent auf 138 Mandate.

Neben der PiS und der PO haben auch die konservativ-populistische Protestgruppierung Kukiz’15 mit 8,8 Prozent, die wirtschaftsliberale Partei Moderne (Nowoczesna) mit 7,6 Prozent sowie die konservative Bauernpartei PSL (Polskie Stronnictwo Ludowe) mit 5,1 Prozent den Sprung über die für Parteien vorgesehene 5-Prozent-Hürde geschafft. Dagegen ist die libertär-populistische Gruppierung KORWiN (4,8 Prozent) nicht ins Parlament eingezogen.

Linkes Wahlbündnis scheitert an 8-Prozent-Hürde

Erstmals seit den freien Wahlen von 1991 ist keine linke Partei mehr im Sejm vertreten. Das Wahlbündnis Vereinigte Linke (ZL), in dem auch die einstige Regierungspartei Allianz der Demokratischen Linken (Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) vertreten ist, hat die für Wahlbündnisse erforderliche höhere Hürde von acht Prozent verfehlt. Sie kam auf knapp 7,6 Prozent.

Der polnische Sejm mit 460 Abgeordneten wird nach Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, der Senat mit 100 Senatoren nach Mehrheitswahlrecht für jeweils vier Jahre gewählt. Bei der Wahl am 25. Oktober waren rund 30 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, die beiden Kammern des Parlaments (Sejm und Senat) neu zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 51 Prozent etwas höher als bei der Wahl 2011 mit knapp 49 Prozent.

Der Wahlsieg der PiS hatte sich seit den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres abgezeichnet, als der liberalkonservative Amtsinhaber Bronisław Komorowski gegen den nationalkonservativen Andrzej Duda verlor. Trotz sinkender Arbeitslosenzahlen (August 2015: 7,2 Prozent und damit unter dem EU-Schnitt) sowie stabilem Wirtschaftswachstum werten Beobachter unter anderen den Reformstau sowie eine Abhöraffäre, in die Ex-Regierungsmitglieder verwickelt waren, als ausschlaggebend für das schlechte Abschneiden der Regierungsparteien, insbesondere der PO. Zudem symbolisiere die PiS seit dem überraschenden Wahlsieg ihres Kandidaten Duda bei den Präsidentschaftswahlen das "Bedürfnis nach Veränderung", so der polnische Politologe Jarosław Flis.

Soziale Themen und Flüchtlingsfrage

Der Wahlkampf war geprägt von Sozial- und Wirtschaftsthemen. Das Renteneintrittsalter, der Interner Link: gesetzliche Mindestlohn sowie Steuerreformen wurden intensiv diskutiert. Mit der Flüchtlingskrise in der EU hatte im Sommer zudem ein europapolitisches Thema die Wahlkampfdebatte erreicht.

Die Regierung Kopacz weigerte sich lange, einer verbindlichen Quote bei der EU-weiten Verteilung von Flüchtlingen zuzustimmen. Im September willigte sie aber ein, auf freiwilliger Basis 7.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Insbesondere die PiS sperrte sich vehement dagegen. So wetterte Parteichef Kaczyński in einer Sejm-Debatte in scharfem Ton vor allem gegen muslimische Flüchtlinge.

Beobachter waren sich vor der Wahl weitgehend einig, dass sich Polen nach dem Wahlsieg der nationalkonservativen PiS gegenüber der EU distanzieren könnte. Dies habe sich bereits in der Debatte über die Flüchtlingsfrage angedeutet. Zudem könnte das deutsch-polnische Verhältnis auf die Probe gestellt werden.

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