Der Moskauer Vertrag, am 12. August 1970 unterzeichnet von den Regierungschefs und Außenministern der Bundesrepublik Deutschland sowie der Sowjetunion (UdSSR), war das erste Ergebnis der von Bundeskanzler Willy Brandt eingeleiteten
QuellentextAuszüge des Moskauer Vertrags im Wortlaut
Artikel 1
Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken betrachten es als wichtiges Ziel ihrer Politik, den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten und die Entspannung zu erreichen.
Sie bekunden ihr Bestreben, die Normalisierung der Lage in Europa und die Entwicklung friedlicher Beziehungen zwischen allen europäischen Staaten zu fördern und gehen dabei von der in diesem Raum bestehenden wirklichen Lage aus.
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Artikel 3
In Übereinstimmung mit den vorstehenden Zielen und Prinzipien stimmen die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der Erkenntnis überein, daß der Friede in Europa nur erhalten werden kann, wenn niemand die gegenwärtigen Grenzen antastet.
Sie verpflichten sich, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen uneingeschränkt zu achten;
sie erklären, daß sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand haben und solche in Zukunft auch nicht erheben werden;
sie betrachten heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich, wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen, einschließlich der Oder-Neiße-Linie, die die Westgrenze der Volksrepublik Polen bildet, und der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.
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Quelle: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, 12. August 1970. Online unter: Externer Link: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/373214/publicationFile/3831/MoskauerVertragText.pdf
Deeskalation und "Wandel durch Annäherung"
Ausschlaggebend für die neue Haltung der Bundesrepublik, die in dem politischen Slogan "Wandel durch Annäherung" Ausdruck fand, war die zunehmend angespannte internationale politische Lage. Der Vertrag wurde unter dem Eindruck des Wettrüstens zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen. Ende der 1960er-Jahre hatte die UdSSR die nukleare Zweitschlagsfähigkeit erreicht, also die Fähigkeit auf einen atomaren Angriff mit einem Gegenangriff zu reagieren. Als die Bundesrepublik 1969 mit der Sowjetunion die Gespräche über den Moskauer Vertrag aufnahm, verfolgte sie auch die Absicht, den Machtkampf zwischen den beiden Supermächten zu entschärfen.
Die sowjetische Seite war an einem Vertrag mit der Bundesrepublik interessiert, um den Status quo in Europa zu sichern und dem wachsenden Verlangen der Bevölkerungen der Ostblockstaaten nach einer Öffnung zum Westen Rechnung zu tragen. Daneben verfolgte die sowjetische Seite auch
Anerkennung der Grenzen und Gewaltverzicht
Beide Vertragsparteien erklärten die "wirkliche Lage" als Ausgangspunkt für den Vertrag, womit sie die nach dem Zweiten Krieg und in Folge des
Der Moskauer Vertrag ebnete auch den Weg für Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowie zwischen der Bundesrepublik und Polen. Der Warschauer Vertrag, den die Bundesrepublik mit der Volksrepublik Polen am 7. Dezember 1970 schloss, und das sogenannte Grundlagenabkommen zwischen der Bundesrepublik und DDR vom 21. Dezember 1972 enthielten dieselben Eckpunkte wie der Moskauer Vertrag: Gewaltverzicht und Anerkennung der Grenzen. Endgültig bestätigt wurde die Oder-Neiße-Grenze zwischen dem wiedervereinigten Deutschland und Polen im Deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990.
Ostverträge befeuern innenpolitische Debatte
In der Bundesrepublik sah sich die Regierung Brandt heftiger Kritik von Seiten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag ausgesetzt, die die Ostverträge als "Ausverkauf deutscher Interessen" bezeichnete. Doch auch innerhalb der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP führten die Ostverträge zu Konflikten. Einige Abgeordnete wechselten aus Protest gegen die Ostpolitik ins Unions-Lager. Die Vertriebenenverbände in der Bundesrepublik kritisierten die De-facto-Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu Polen.
Im April 1972 scheiterte ein von der CDU vorgebrachtes
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im November 1972, die vor allem als Abstimmung über die Ostpolitik Brandts galt, errang die SPD mit 45,8 Prozent ihr bis dahin bestes Ergebnis, auch die FDP konnte Stimmen hinzugewinnen. Dadurch war für die neu aufgelegte sozialliberale Koalition auch der Weg frei für die Unterzeichnung des Grundlagenvertrags mit der DDR. Proteste gegen den Vertrag seitens der CSU scheiterten vor dem Bundesverfassungsgericht. In Umfragen sprachen sich mehr als die Hälfte der befragten westdeutschen Bevölkerung für das Abkommen aus.
Einfluss auf Entspannungspolitik
Die neue Ostpolitik und insbesondere der Moskauer Vertrag gelten heute als eine der wichtigsten Zäsuren in der Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, die nicht zuletzt den Weg zur Deutschen Einheit im Jahr 1990 geebnet hat. Die Nachfolger Willy Brandts, die Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Helmut Kohl (CDU), führten als Regierungschefs der Bundesrepublik dessen Ostpolitik in wichtigen Grundzügen fort. Willy Brandt erhielt für seine "Versöhnungspolitik zwischen alten Feindländern" 1971 den Friedensnobelpreis.
Interner Link: Wettig, Gerhard: Ost-West-Beziehungen in der Anfangs- und Spätzeit des Kalten Krieges Interner Link: Görtemaker, Manfred: Entspannung und Neue Ostpolitik 1969-1975 Interner Link: Musial, Bogdan: Die westdeutsche Ostpolitik und der Zerfall der Sowjetunion Interner Link: Görtemaker, Manfred: Krise und Neubeginn der Ost-West-Kooperation Interner Link: Schattenberg, Susanne; Maike Lehmann: Stabilität und Stagnation unter Breschnew Interner Link: Neueck, Götz: Nukleare Nichtverbreitung, Rüstungskontrolle und Abrüstung