Das Massaker von Srebrenica war in Europa das größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 11. Juli 1995 nahmen bosnisch-serbische Einheiten die Stadt Srebrenica unter Führung des Militärchefs Ratko Mladić ein und töteten dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zufolge in den darauffolgenden Tagen mehr als 7.000 muslimische Bosnier, Männer und Jungen.
Jugoslawien bricht auseinander
Der Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien hatte
Bürgerkrieg in Bosnien und Herzegowina
Im multiethnischen Bosnien und Herzegowina waren laut einer Volkszählung von 1981 die drei größten Bevölkerungsgruppen Muslime (39,5 Prozent), bosnische Serben (32 Prozent) und bosnische Kroaten (18,4 Prozent). Zwischen ihnen kam es zu immer größeren Spannungen. Während die meisten bosnischen Muslime einen unabhängigen Staat befürworteten, forderten bosnisch-serbische Nationalisten einen Anschluss an Serbien. Viele der kroatischen Bosnier wollten wiederum eine Vereinigung mit Kroatien. Die Situation eskalierte, als im Frühjahr 1992 die muslimische und kroatische Bevölkerung in einem Referendum für die Abspaltung vom serbisch dominierten Rumpf-Jugoslawien stimmte. In kurzer Zeit weiteten sich die Unruhen zu einem Bürgerkrieg aus.
Serbische Nationalisten, angeführt vom politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, kontrollierten bald mehr als zwei Drittel Bosnien und Herzegowinas. Aus diesen Gebieten vertrieben sie Angehörige anderer Bevölkerungsgruppen. Unterstützt wurden sie dabei von der serbischen Republik unter Präsident Slobodan Milošević.
Bosnische Muslime fliehen nach Srebrenica
Srebrenica, ein kleiner Ort im Osten von Bosnien und Herzegowina nahe der Grenze zu Serbien, wurde nach Ausbruch des Bürgerkriegs zur Zufluchtsstätte vor allem für bosnische Muslime. Die
Verzweifelte Rettungsversuche
Mehrere Tausend von ihnen versuchten durch Wälder in bosnisch-muslimisch kontrollierte Gebiete zu entkommen. Andere wollten sich auf der UN-Basis im sechs Kilometer entfernten Dorf Potočari in Sicherheit bringen. Am Abend des 11. Juli drängten sich etwa 25.000 Menschen auf dem Gelände der ehemaligen Batteriefabrik, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und Alte. Nahrung und Wasser wurden knapp.
Von Srebrenica rückten die Einheiten unter der Führung von Mladić schon bald nach Potočari vor. Am 12. und 13. Juli begannen die Soldaten, Frauen und Männer zu trennen. Sie gaben vor, nach Kriegsverbrechern zu suchen. Frauen und Kinder wurden auf Lastwagen und in Bussen abtransportiert und bis kurz vor bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet gebracht. Die zurückgebliebenen Männer, die meisten von ihnen im wehrfähigen Alter, wurden von Mladićs Männern an verschiedenen Orten hingerichtet und verscharrt. Um den Massenmord an den mehr als 7.000 Menschen zu verschleiern, hoben die Täter einige Gräber später wieder aus und verteilten die menschlichen Überreste auf andere Gebiete. Das Umbetten der Leichen fand auch nach Ende des Krieges noch statt.
Die Ahndung der Verbrechen
Gestützt auf Kapitel VII der
20 Verfahren zu Srebrenica
Gegen insgesamt 161 hochrangige Politiker, Militärs und Polizeiangehörige der verschiedenen Parteien des Jugoslawienkonflikts hat das Tribunal Anklage erhoben. 79 von ihnen wurden verurteilt, 18 freigesprochen und 13 für Prozesse in Länder des ehemaligen Jugoslawiens überstellt. 36 Verfahren wurden eingestellt. 15 Verfahren laufen noch.
20 der 161 Angeklagten wurden für die Verbrechen in Srebrenica angeklagt, darunter der serbische Präsident Slobodan Milošević. Er starb jedoch im März 2006, bevor ein Urteil gefällt werden konnte. Bisher gab es einen Freispruch und 14 Verurteilungen. So wurde etwa der General Radislav Krstić wegen Beihilfe zum Völkermord zu 35 Jahren Haft verurteilt. Für den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić wird für Dezember 2015 die Urteilsverkündung erwartet. Bis mindestens 2017 wird sich das Verfahren gegen Armeebefehlshaber Mladić hinziehen.
Gedenken an Srebrenica
2003 wurde in Potočari ein Gedenkfriedhof eingeweiht, auf dem mehrere Tausend Opfer beigesetzt worden sind. Das Internationale Jugoslawien-Tribunal stufte das Massaker an den bosnischen Muslimen als Völkermord ein. Ende Februar 2007 bewertete der Internationale Gerichtshof die Gräueltaten ebenfalls als Genozid.
Zum 20. Jahrestag des Massakers an den bosnischen Muslimen finden in Srebrenica Gedenkfeiern statt. Der serbische Ministerpräsident, Aleksandar Vučić, wird an der Gedenkzeremonie in der bosnischen Kleinstadt teilnehmen. Vučić war zu Kriegszeiten radikaler Nationalist und drohte damals im Parlament, für jeden toten Serben würden 100 Muslime sterben.
Die Aufarbeitung der Geschehnisse von Srebrenica bleibt aber weiterhin Schauplatz für politische Auseinandersetzungen. So hatte Großbritannien eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat eingebracht, wonach das Massaker als Völkermord einzustufen sei. Dies traf auf Widerstand der Regierung der serbischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowinas. Sie weigert sich, das Massaker als Genozid zu bezeichnen. In der Abstimmung über die UN-Resolution Anfang April 2015 hat Russland als einziges Land sein Veto im Uno-Sicherheitsrat eingelegt; zehn stimmten für das Papier und vier Länder enthielten sich. Durch das Veto ist die Resolution abgelehnt.