Israel hat ein neues Parlament gewählt. Rund 5,9 Millionen Wahlberechtigte konnten am Dienstag, den 17. März 2015, über die künftige Besetzung der Knesset ("Versammlung"), des nationalen Ein-Kammer-Parlaments mit Sitz in Jerusalem, bestimmen. Rund 4,3 Millionen Israelis machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch, die Beteiligung betrug 72,36 Prozent. Die vorgezogenen Neuwahlen waren nötig geworden, nachdem die zuletzt amtierende Regierungskoalition unter Premierminister Benjamin Netanjahu zerbrochen war.
Likud wieder stärkste Partei
Netanjahus konservative Likud-Partei erreichte dabei mit 23,40 Prozent der Stimmen nahezu das gleiche Ergebnis wie bei der Wahl 2013 und bleibt mit 30 Mandaten stärkste Kraft im Parlament. Die von ihm im vergangenen Dezember als Justizministerin entlassene Liberale Zipi Livni hatte ein Wahlbündnis mit der sozialdemokratischen Arbeiterpartei ("Awoda") unter dem Spitzenkandidaten Jitzchak Herzog geschlossen, das 18,67 Prozent erhielt und 24 Abgeordnete stellt. Auf dem dritten Platz landete die Vereinigte Arabische Liste mit 10,54 Prozent und 13 Mandaten.
Eine Koalition aus sechs Parteien?
Es zeichnet sich eine Fortsetzung der Ära Netanjahu ab, der seit 2010 regiert. Er hat angekündigt, innerhalb von zwei bis drei Wochen eine Regierung zu bilden. Am wahrscheinlichsten ist ein Mitte-Rechts-Bündnis unter Führung des Likud. Ihm würden die nationalistische Partei Israel Beitenu ("Unser Haus Israel", 5,11 Prozent, sechs Mandate) von Außenminister Avigdor Lieberman, die national-religiösen Siedlerpartei HaBajit hajehudi ("Das jüdische Heim", 6,74 Prozent, acht Mandate) sowie die ultra-orthodoxen Parteien "Shas" (5,73 Prozent, sieben Mandate) und "Vereinigtes Tora-Judentum" (5,03 Prozent, sechs Mandate) angehören. Komplettiert werden könnte die Koalition von der neu gegründeten, rechtsliberalen Kulanu-Partei ("Wir alle") des ehemaligen Likud-Minister Mosche Kachlon (7,49 Prozent, zehn Mandate).
Ein solches Regierungsbündnis würde über 67 der insgesamt 120 Sitze verfügen. Außerdem sind in der 20. Knesset seit
Koalitionsbruch führte zu Neuwahlen
Netanjahus letzte Regierungskoalition war im vergangenen Dezember am Streit um den Gesetzesvorschlag zum "Nationalstaat des jüdischen Volkes" zerbrochen. Die Likud-Partei, Israel Beitenu und HaBajit hajehudi hatten sich für das Gesetzesvorhaben stark gemacht. Danach sollte ein nationalreligiös begründetes Selbstverständnis des israelischen Staates in der Verfassung verankert werden: In der Gesetzgebung hätte jüdisches Recht eine Aufwertung erfahren, Arabisch als offizielle Sprache sollte abgeschafft werden.
Entlassene Minister
Arabische Israelis stellen mit ungefähr 1,5 Millionen Bürgern ein Fünftel der Bevölkerung. Die liberalen Koalitionspartner Ha-Tnu’a ("Die Bewegung") von Zipi Livni und Jesch Atid sahen in den Plänen eine Gefahr für das Gleichheitsgebot und die Demokratie in Israel. Unmittelbar vor dem Bruch des auch in vielen anderen Fragen uneinigen Regierungsbündnisses hatte Netanjahu zwei Kabinettsmitglieder der liberalen Koalitionspartner, Finanzminister Jair Lapid (Jesch Atid) und Livni (Ha-Tnu’a), entlassen.
Nach den letzten Wahlen im Januar 2013 waren 12 Fraktionen in der Knesset vertreten gewesen; im Juli 2014 waren daraus 13 geworden, weil Israel Beitenu (zwölf Mandate) das Bündnis mit dem Likud aufkündigte, jedoch als Koalitionspartner in der gemeinsamen Regierung verblieb. Vertreten waren auch die jüdisch-arabische kommunistische Partei Hadash (vier Sitze) und die arabische demokratisch-nationalistische Partei Balad (drei Sitze). Die arabisch-israelischen Hadash ("Neu") und Balad ("Nationales demokratisches Bündnis") hatten sich mit zwei weiteren in der Knesset vertretenen Parteien zur "Vereinigten Arabischen Liste" zusammengetan und auf Arabisch und Hebräisch um Wählerinnen und Wähler geworben.
Ein Land, ein Wahlkreis
Israels Abgeordnete werden in einer landesweiten reinen Verhältniswahl bestimmt: Ganz Israel ist ein Wahlkreis, jede wahlberechtigte Person gibt also eine Stimme für eine Partei und die von dieser aufgestellte Kandidatenliste ab. Bei den diesjährigen Wahlen traten insgesamt 26 Parteien an. Es gilt eine Sperrklausel, die das Parlament im vergangenen Jahr von zwei auf 3,25 Prozent angehoben hat: Parteien, die weniger als 3,25 Prozent der Stimmen erhalten, ziehen nicht in die Knesset ein.
Netanjahu Rede vor dem US-Kongress
Im Wahlkampf hatte die Rede Netanjahus vor dem US-Kongress Anfang März 2015, in der er vor dem Abschluss eines Abkommens mit dem Iran zur Beilegung des Atomstreits warnte, für Aufregung gesorgt. Kurz vor den Wahlen hatte er zudem erklärt, unter ihm als Regierungschef werde es keinen Palästinenserstaat geben.
Weitere zentrale Themen im Wahlkampf waren die hohen Lebenshaltungskosten - insbesondere für Mietwohnungen, Immobilien und Lebensmittel - bei niedrigen Löhnen und einer wachsenden sozialen Ungleichheit.