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Vor 45 Jahren: "Battle of the Bogside" in Nordirland | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 45 Jahren: "Battle of the Bogside" in Nordirland

Redaktion

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Anhänger eines protestantischen Ordens marschieren an einem katholischen Wohnviertel der nordirischen Stadt Derry/Londonderry vorbei, es kommt zu heftigen Kämpfen zwischen Protestanten und Katholiken. Mit dem "Battle of the Bogside" am 12. August 1969 flammte der Nordirlandkonflikt erneut auf. Der Bürgerkrieg fand erst 1998 ein Ende.

Fassadenmalerei "Your are now entering free Derry'" an der Stirnwand eines Hauses, erstmals bemalt von John 'Caker' Casey im Jahr 1969, hier auf einer Aufnahme aus 1989. (© picture-alliance/akg)

Am 12. August 1969 kam es in Derry/Londonderry, der zweitgrößten Stadt Nordirlands, zu heftigen Straßenschlachten zwischen protestantischen und katholischen Einwohnern sowie der Polizei. Seit 1968 war es in Nordirland immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der protestantischen und der katholischen Bevölkerung gekommen. Mit den Kämpfen in Bogside vor 45 Jahren eskalierte der Konflikt weiter.

Derry oder Londonderry?

Der Nordirlandkonflikt schlägt sich auch in der Bezeichnung der zweitgrößten Stadt Nordirlands nieder: Wie man die Stadt nennt, kann politisch interpretiert werden: "Londonderry" erinnert an die Orientierung in Richtung Großbritannien und wird daher von den protestantisch-unionistischen Bewohnern bevorzugt, die Kurzform "Derry" hingegen vom katholisch-nationalistischen Lager.

Als britische Kulturhauptstadt 2013 trat die Stadt unter dem Namen "Derry~Londonderry" auf. Wegen der Schreibweise "Derry/Londonderry" oder auch "L/Derry" wird die Stadt auch "Stroke City" genannt – "stroke" bezeichnet den Strich.

Bogside ist ein katholisches Viertel von Derry/Londonderry, einer Stadt im Norden Nordirlands. Bis heute sind die Protestanten in ganz Nordirland im Vergleich zu den Katholiken in der Mehrheit. In Derry/Londonderry ist hingegen der katholische Anteil der Bevölkerung größer, 1969 waren zwei Drittel der Einwohner katholisch.

Eine aufgebrachte Menge legt am 13. August 1969 in der Nähe der Royal Ulster Constabulary Wache Feuer. (© picture-alliance/dpa)

Der Anlass des Gewaltausbruchs 1969 war eine Parade des protestantischen Ordens der "Apprentice Boys" entlang der Grenze Bogsides. Jedes Jahr am 12. August erinnern Protestanten mit der Parade an den erfolgreichen Widerstand der Bewohner gegen die Belagerung Derry/Londonderrys 1689 durch den katholischen König Jakob II. von England. Viele Katholiken sahen in der Parade eine Provokation.

Unionisten und Nationalisten

Interner Link: Der Politikwissenschaftler Marcel Baumann bezeichnet den Nordirlandkonflikt als in erster Linie ethnopolitische Auseinandersetzung und nicht als religiöse: Zwei Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion leben auf demselben Gebiet und verfolgen territoriale und politische Ziele, die sich gegenseitig ausschließen. Auf der einen Seite tritt die protestantische Gemeinschaft für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich von Großbritannien ein. Die wegen ihrer loyalen Haltung zur britischen Krone und ihrem Festhalten an der Einheit des Königreichs auch als Loyalisten bzw. Unionisten bezeichneten Protestanten berufen sich dabei auf ihre englischen und schottischen Vorfahren, die Irland bereits vor Jahrhunderten eroberten bzw. kolonisierten. Ihnen gegenüber steht die katholische Gemeinschaft, die sich von Großbritannien loslösen und ein Vereinigtes Irland gründen will. Weil sie den irischen Nationalismus unterstützen und nach Zugehörigkeit zur Irischen Republik streben, werden Mitglieder der katholischen Gemeinschaft auch Nationalisten oder Republikaner genannt.

Neben der nationalen bzw. territorialen Frage war die Diskriminierung der katholischen Minderheit durch die protestantische Oberschicht ein entscheidender Konflikttreiber. Deutliches Zeichen für die Benachteiligung der Katholiken war die protestantische Einparteienregierung, die 1921 nach der Teilung der Insel eingesetzt wurde und bis 1976 regierte.

Eskalation des Konflikts

Ende der 1960er Jahre formierte sich in Nordirland eine Bürgerrechtsbewegung, die den Vorwurf erhob, die Katholiken würden systematisch benachteiligt, etwa bei der Vergabe kommunaler Wohnungen und bei Wahlen. Interner Link: Ein Beispiel dafür war Derry/Londonderry, wo trotz einer katholischen Bevölkerungsmehrheit eine protestantische Mehrheit ins Stadtparlament kam, weil die Wahlbezirksgrenzen zum Vorteil der Protestanten manipuliert worden waren.

Britische Sondereinheiten in Derry/Londonderry. (© picture-alliance/dpa)

Im Sommer 1969 gewannen radikale Stimmen auf beiden Seiten an Gewicht. Am 12. August schließlich explodierte die aufgeladene Stimmung: Als die protestantische Parade an Bogsides Bezirksgrenze entlang zog, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen. Die nordirische Polizei, nahezu ausschließlich mit Protestanten besetzt, versuchte die Kämpfe mit Tränengas, Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen zu beenden. Die katholischen Bewohner von Bogside wehrten sich gegen die Beamten und die ihnen folgenden protestantischen Demonstranten. Die Kämpfe dauerten drei Tage an; erst als die britische Regierung in London Soldaten nach Derry/Londonderry schickte, beruhigte sich die Lage zunächst. Doch andernorts, vor allem in der größten nordirischen Stadt Belfast, flammte die Gewalt auf. Mehrere Menschen kamen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt.

Eine weitere Eskalationsstufe erreichte der Nordirlandkonflikt mit den Ereignissen des "Bloody Sunday" am 30. Januar 1972: Als britische Soldaten eine Demonstration mit Waffengewalt auflösten, kamen 14 Zivilisten ums Leben. Auch dieser gewaltsame Zusammenstoß ereignete sich in Bogside.

Rund drei Jahrzehnte dauerte die Epoche der Gewalt zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Unionisten und Republikanern in Nordirland an. Insgesamt kamen bei den "Troubles", wie der Nordirlandkonflikt in Großbritannien genannt wird, rund 3.500 Menschen ums Leben.

Frieden am Karfreitag

Mit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 wurde der nordirische Bürgerkrieg offiziell beendet. Es sah für Nordirlands Zukunft eine Interner Link: Konkordanzdemokratie vor - beide Seiten, Unionisten und Nationalisten, sollten an der Regierung beteiligt werden. Nach der Unterzeichnung des Abkommens lief die gemeinsame Regierungsarbeit zunächst schleppend an. Realität wurde diese Regierungsform 2007, zwei Jahre nachdem die bewaffneten Kämpfer der Irish Republican Army (IRA) das Ende des bewaffneten Kampfes und die Abgabe ihrer Waffen bekannt gegeben hatten. Am 8. Mai 2007 Interner Link: einigten sich die protestantische Democratic Unionist Party und die katholische Sinn Féin auf eine gemeinsame Regierung. Die Interner Link: politische Lage in Nordirland gilt seitdem als stabil, wenngleich die Gesellschaft noch immer gespalten ist und militante Splittergruppen gelegentlich Anschläge verüben.

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