Am 12. August 1969 kam es in Derry/Londonderry, der zweitgrößten Stadt Nordirlands, zu heftigen Straßenschlachten zwischen protestantischen und katholischen Einwohnern sowie der Polizei. Seit 1968 war es in Nordirland immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der protestantischen und der katholischen Bevölkerung gekommen. Mit den Kämpfen in Bogside vor 45 Jahren eskalierte der Konflikt weiter.
Derry oder Londonderry?
Der Nordirlandkonflikt schlägt sich auch in der Bezeichnung der zweitgrößten Stadt Nordirlands nieder: Wie man die Stadt nennt, kann politisch interpretiert werden: "Londonderry" erinnert an die Orientierung in Richtung Großbritannien und wird daher von den protestantisch-unionistischen Bewohnern bevorzugt, die Kurzform "Derry" hingegen vom katholisch-nationalistischen Lager.
Als britische Kulturhauptstadt 2013 trat die Stadt unter dem Namen "Derry~Londonderry" auf. Wegen der Schreibweise "Derry/Londonderry" oder auch "L/Derry" wird die Stadt auch "Stroke City" genannt – "stroke" bezeichnet den Strich.
Bogside ist ein katholisches Viertel von Derry/Londonderry, einer Stadt im Norden Nordirlands. Bis heute sind die Protestanten in ganz Nordirland im Vergleich zu den Katholiken in der Mehrheit. In Derry/Londonderry ist hingegen der katholische Anteil der Bevölkerung größer, 1969 waren zwei Drittel der Einwohner katholisch.
Der Anlass des Gewaltausbruchs 1969 war eine Parade des protestantischen Ordens der "Apprentice Boys" entlang der Grenze Bogsides. Jedes Jahr am 12. August erinnern Protestanten mit der Parade an den erfolgreichen Widerstand der Bewohner gegen die Belagerung Derry/Londonderrys 1689 durch den katholischen König Jakob II. von England. Viele Katholiken sahen in der Parade eine Provokation.
Unionisten und Nationalisten
Neben der nationalen bzw. territorialen Frage war die Diskriminierung der katholischen Minderheit durch die protestantische Oberschicht ein entscheidender Konflikttreiber. Deutliches Zeichen für die Benachteiligung der Katholiken war die protestantische Einparteienregierung, die 1921 nach der Teilung der Insel eingesetzt wurde und bis 1976 regierte.
Eskalation des Konflikts
Ende der 1960er Jahre formierte sich in Nordirland eine Bürgerrechtsbewegung, die den Vorwurf erhob, die Katholiken würden systematisch benachteiligt, etwa bei der Vergabe kommunaler Wohnungen und bei Wahlen.
Britische Sondereinheiten in Derry/Londonderry. (© picture-alliance/dpa)
Britische Sondereinheiten in Derry/Londonderry. (© picture-alliance/dpa)
Im Sommer 1969 gewannen radikale Stimmen auf beiden Seiten an Gewicht. Am 12. August schließlich explodierte die aufgeladene Stimmung: Als die protestantische Parade an Bogsides Bezirksgrenze entlang zog, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen. Die nordirische Polizei, nahezu ausschließlich mit Protestanten besetzt, versuchte die Kämpfe mit Tränengas, Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen zu beenden. Die katholischen Bewohner von Bogside wehrten sich gegen die Beamten und die ihnen folgenden protestantischen Demonstranten. Die Kämpfe dauerten drei Tage an; erst als die britische Regierung in London Soldaten nach Derry/Londonderry schickte, beruhigte sich die Lage zunächst. Doch andernorts, vor allem in der größten nordirischen Stadt Belfast, flammte die Gewalt auf. Mehrere Menschen kamen ums Leben, zahlreiche wurden verletzt.
Eine weitere Eskalationsstufe erreichte der Nordirlandkonflikt mit den Ereignissen des "Bloody Sunday" am 30. Januar 1972: Als britische Soldaten eine Demonstration mit Waffengewalt auflösten, kamen 14 Zivilisten ums Leben. Auch dieser gewaltsame Zusammenstoß ereignete sich in Bogside.
Rund drei Jahrzehnte dauerte die Epoche der Gewalt zwischen Protestanten und Katholiken, zwischen Unionisten und Republikanern in Nordirland an. Insgesamt kamen bei den "Troubles", wie der Nordirlandkonflikt in Großbritannien genannt wird, rund 3.500 Menschen ums Leben.
Frieden am Karfreitag
Mit dem Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 wurde der nordirische Bürgerkrieg offiziell beendet. Es sah für Nordirlands Zukunft eine